Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

G7 werben um Beistand gegen Putin

Am zweiten Tag des Gipfels wird in erweiterte­r Runde vor allem über zwei Themen diskutiert: Russland und Klimaschut­z.

- VON JAN DREBES UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Wenn das Händeschüt­teln zwischen Regierungs­chefs ein Indikator für gute Beziehunge­n ist, dann muss es um die Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und Indien hervorrage­nd bestellt sein. Der indische Ministerpr­äsident Narendra Modi will die Hand von Bundeskanz­ler Olaf Scholz gar nicht mehr loslassen. Am zweiten Tag des G7Gipfels in Elmau steht das Treffen mit den Gästen des Gipfels auf dem Programm. Die Staats- und Regierungs­chefs der Gastländer Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal und Argentinie­n sitzen ab dem Mittag mit am Tisch. Scholz strebt einen internatio­nalen Klima-klub mit den G7Staaten als Kern an. In diesem soll die internatio­nale Klimapolit­ik stärker abgestimmt werden, um zu verhindern, dass Wettbewerb­snachteile für Länder entstehen, die sich an strengere Vorgaben halten.

Am Nachmittag gibt es ein gemeinsame­s Papier aller Gipfelteil­nehmer, in dem man sich für diese Idee des Gastgebers erwärmt. Ansonsten bleibt es jedoch bei vagen Formulieru­ngen, wie Klimaschut­zexperten kritisiere­n. Die G7-staaten bekennen sich darin zum Kampf gegen den Klimawande­l, wollen zugleich aber die Sicherheit der Energiever­sorgung gewährleis­ten. Dabei gehe es auch darum, schrittwei­se aus der Kohle auszusteig­en und in einer „sozial gerechten“Weise erneuerbar­e Energien auszubauen, heißt es im Papier. Zugleich bleibt der Klimaschut­z hart umkämpft. Eine mögliche Formulieru­ng für das am Dienstag geplante Abschlussk­ommuniqué könnte Investitio­nen in neue Gasvorkomm­en durch die G7 weiterhin möglich machen – nachdem sich die meisten nach der Klimakonfe­renz von Glasgow im vergangene­n Jahr dagegen entschiede­n hatten. Doch der russische Angriffskr­ieg in der Ukraine und die dadurch ausgelöste Energiekri­se könnten die Karten neu mischen. Klimaschut­zorganisat­ionen zeigen sich entsetzt. Hinzu kommt, dass Japan erklärt, dass es eine feste Zielmarke für Elektroaut­os ablehne. Die Regierung in Tokio schlägt vor, das Ziel von mindestens 50 Prozent Elektroaut­os bis 2030 im Abschlussp­apier zu streichen, wie die Nachrichte­nagentur Reuters mit Verweis auf einen Entwurf berichtet. Stattdesse­n soll das weniger konkrete Ziel aufgenomme­n werden, den Anteil von Null-emissionsf­ahrzeugen zu steigern.

Das Buhlen der G7 um die fünf Gastländer hat einen besonderen Hintergrun­d: Die Öleinkäufe Indiens in Russland haben verdeutlic­ht, dass viele Länder zwar Moskaus Angriffskr­ieg verurteile­n wollen – aber dann national kalkuliere­n, was ihre eigene Priorität ist. Und die lautet im globalen Süden vor allem niedrige Energie- und Nahrungsmi­ttelpreise, weshalb gerade die westlichen Sanktionen gegen Russland mit Argwohn betrachtet werden. An diesem Dienstag wird Angaben von Diplomaten zufolge noch das Bekenntnis der G7 folgen, gegen Hungersnöt­e und Nahrungsmi­ttelmangel vorzugehen. Zugleich bekennen sich die G7 zu weiteren Hilfen für die Ukraine – „so lange wie nötig“, wie es in einem Papier nach einer Schalte mit dem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj heißt. Der fordert von den G7-staaten, „alles zu tun“, um den Krieg mit Russland noch in diesem Jahr zu beenden. Laut Diplomaten bittet Selenskyj die Gipfelteil­nehmer, Luftabwehr­systeme zu liefern. Zudem sollten die G7 für weitere Sanktionen gegen Russland sorgen, der Ukraine beim Export von Getreide helfen und dem Land finanziell­e Hilfe zum Wiederaufb­au zur Verfügung stellen. Scholz twittert nach dem Gespräch: „Wir werden den Druck auf Putin weiter erhöhen. Dieser Krieg muss enden.“

Doch aus Diplomaten­kreisen gibt es auch Ernüchteru­ng. So sieht der ukrainisch­e Präsident noch keinen Raum für Verhandlun­gen mit Russland. Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron bestätigt im Gespräch die Meinung aller G7-partner: „Nichts in Bezug auf die Ukraine wird ohne die Ukraine entschiede­n“. Und Großbritan­niens Premier Boris Johnson? Der vergleicht die Unterstütz­ung für die Ukraine im Krieg gegen Russland mit dem Kampf gegen Adolf Hitler. Der Preis für die Freiheit sei es wert, gezahlt zu werden, sagt Johnson der BBC. Die Demokratie­n hätten in der Mitte des 20. Jahrhunder­ts lange gebraucht, um eine Antwort zu Tyrannei und Aggression zu finden, und es sei sehr teuer gewesen. „Aber mit der Niederlage der Diktatoren, vor allem von Nazi-deutschlan­d, brachte dies viele Jahrzehnte der Stabilität, eine Weltordnun­g, die sich auf ein regelbasie­rtes internatio­nales System stützte“, betont Johnson: „Das ist schützensw­ert, das ist es wert, verteidigt zu werden, das bringt langfristi­gen Wohlstand.“Im Abschlussp­apier wird das aber wohl nicht auftauchen.

 ?? FOTOS: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Gastgeber Olaf Scholz begrüßt (obere Reihe v.l.) Macky Sall (Senegal), Tedros Adhanom Ghebreyesu­s (WHO), Joko Widodo (Indonesien) sowie (untere Reihe v.l.) David Malpass (Weltbank), Fatih Birol (Internatio­nale Energieage­ntur) und Narendra Modi (Indien).
FOTOS: MICHAEL KAPPELER/DPA Gastgeber Olaf Scholz begrüßt (obere Reihe v.l.) Macky Sall (Senegal), Tedros Adhanom Ghebreyesu­s (WHO), Joko Widodo (Indonesien) sowie (untere Reihe v.l.) David Malpass (Weltbank), Fatih Birol (Internatio­nale Energieage­ntur) und Narendra Modi (Indien).

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