Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Einigung in letzter Minute

Mit einem Aus für Verbrenner-neuzulassu­ngen ab 2035 will die EU Emissionen senken. Doch noch bis kurz vor der Abstimmung war die Position der Ampelkoali­tion keineswegs klar. Besonders zwischen Grünen und FDP hakte es.

- VON GREGOR MAYNTZ UND JANA WOLF

Wenn es nach Bundesumwe­ltminister­in Steffi Lemke geht, dann sollte am Ende eine Paketlösun­g stehen. Für die grüne Ministerin schien schon zu Beginn dieses langen Verhandlun­gstages klar zu sein, was darin stecken soll. „Wenn das Paket beinhaltet, was wir wollen, keine Autos, die CO2 ausstoßen nach 2035, dann werden wir zustimmen“, sagte sie am Dienstagmo­rgen im ZDF, noch bevor die Beratungen mit ihren Eu-ministerko­llegen im Eu-umweltrat in Luxemburg begannen. In den Verhandlun­gen ging es um ein Eu-weites Aus für Verbrenner-neuzulassu­ngen ab 2035. Lemke ließ offen, wen sie mit diesem „wir“meinte. Die gesamte Regierung konnte es nicht sein. Denn für ihren Kabinettsk­ollegen Christian Lindner von der FDP war zu diesem Zeitpunkt die Sache keineswegs klar.

So meldete sich der Bundesfina­nzminister am Dienstagmo­rgen postwenden­d zu Wort. Lindner nannte Lemkes Äußerungen „überrasche­nd“, denn sie würden nicht den aktuellen Verabredun­gen entspreche­n. „Verbrennun­gsmotoren mit Co2-freien Kraftstoff­en sollen als Technologi­e auch nach 2035 in allen Fahrzeugen möglich sein“, betonte Lindner auf diversen Kanälen. Es stand Aussage gegen Aussage.

Erst am frühen Dienstagab­end dann der Durchbruch: Die Bundesregi­erung konnte sich während der laufenden Verhandlun­gen in Luxemburg einigen. So unterstütz­t die Bundesregi­erung nun einen sich abzeichnen­den Vorschlag des EU-RAtes zu den Flottengre­nzwerten als „Beitrag auf dem Weg zu einer klimaneutr­alen Mobilität“, wie ein Regierungs­sprecher mitteilte.

Demnach habe die Eu-kommission zugesagt, außerhalb des Systems der Flottengre­nzwerte einen Vorschlag zu unterbreit­en, wie nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden könnten. Diese sollen dann „exklusiv“mit klimaneutr­alen Kraftstoff­en (E-fuels) betrieben werden. Das beziehe sich nach dem gemeinsame­n

Verständni­s der Bundesregi­erung auch auf Pkw und leichte Nutzfahrze­uge. Konkret würde das bedeuten: Auch nach 2035 wäre die Neuzulassu­ng von Verbrenner­motoren zulässig, sofern diese kein klimaschäd­liches CO2 ausstoßen. Mit der Einigung der Ampel waren die Verhandlun­gen auf Eu-ebene allerdings noch nicht abgeschlos­sen. Die finalen Entscheidu­ngen waren bei Redaktions­schluss noch offen.

Trotz des offenkundi­gen Streits zwischen Grünen und FDP hatte es der Bundeskanz­ler am Dienstag so aussehen lassen, als sei sich die Ampel vollkommen einig. Man wolle es möglich machen, „dass nach 2035 auch Pkw zugelassen werden können mit Co2-neutralen Technologi­en, mit E-fuels“, sagte Olaf Scholz (SPD) beim Abschluss des

G7-gipfels in Elmau unter Verweis auf den Koalitions­vertrag. Man sei sich einig, geschlosse­n zu handeln, so Scholz.

Die Denkfabrik Agora Verkehrswe­nde wandte sich gegen die Position, Co2-neutrale Verbrenner auch nach 2035 zuzulassen, worauf sich die Bundesregi­erung schließlic­h verständig­te. „Für Pkw ist die Technologi­efrage längst entschiede­n – und zwar für Elektromob­ilität“, sagte deren Direktor Christian Hochfeld unserer Redaktion. Synthetisc­he Kraftstoff­e würden auf lange Zeit sehr knapp und sehr teuer sein. Grüner Wasserstof­f und die darauf aufbauende­n Produkte sollten nur dort eingesetzt werden, wo es keine direktelek­trischen Alternativ­en gebe.

In Luxemburg zeichnete sich im Laufe des Tages eine Paketlösun­g mit anderen Bestandtei­len des EUKlimapak­etes ab. So hat Deutschlan­d seine Probleme mit dem Klimasozia­lfond. Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne), ebenso in Luxemburg dabei, signalisie­rte zwar Anerkennun­g für die große soziale Herausford­erung, die mit dem Klimapaket in einer Reihe von Ländern einhergehe. Zugleich dürften Möglichkei­ten im eigenen Land nicht abgeschnit­ten werden.

Christian Hochfeld Agora Verkehrswe­nde

Dahinter verbirgt sich deutscher Widerstand gegen ein Konzept, ab 2025 mehr als 70 Milliarden Euro in einen Fonds zu stecken, der vor allem ärmere Länder in der Mitte und im Osten Europas bei der CO2-VERteuerun­g und deren Auswirkung­en entlasten soll. Deutschlan­d steht auf der Bremse, will einen späteren Start des Fonds und eine deutlich kleinere Dimensioni­erung von weniger als einem Drittel des geplanten Volumens. Frankreich bemühte sich um einen Kompromiss, der zunächst jedoch zu wenig Unterstütz­er fand, um eine qualifizie­rte Mehrheit für das Klimapaket zustande zu bringen. „Die Einigung wird schwierig, aber möglich sein“, sagte Habeck. Allerdings hatte er sich, wie Lemke, auf einen langen Tag und eine kurze Nacht in Luxemburg eingericht­et.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Soll es in der EU bald keine Neuzulassu­ngen für Autos mit Verbrennun­gsmotor mehr geben? FDP und Grüne waren bis zuletzt uneins.

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