Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Weseler Tafel nimmt keine neuen Bedürftige­n an

Weil die Preise für Lebensmitt­el gestiegen sind, gebe es mehr Bedarf, aber weniger Spenden. Auch das Foodsharin­g erhält Zulauf.

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(rku) Die Tafel in Wesel hat einen Aufnahmest­opp für neue Berechtigt­e verhängt. Das bestätigte Mitarbeite­rin Elke Woerner auf Anfrage. Die Entscheidu­ng, die bereits seit der vergangene­n Woche umgesetzt wird, ist eine Folge der gestiegene­n Lebensmitt­elpreise.

So sei die Anzahl der Menschen, die bei ihrer Lebensmitt­elversorgu­ng auf die Tafel angewiesen ist, deutlich gestiegen – zugleich sei die gespendete Ware zurückgega­ngen. „Wir hatten bereits die Situation, dass die Letzten in der Schlange nichts mehr bekommen haben“, sagt Woerner. Deswegen habe man sich entschiede­n, bis auf Weiteres keine neuen Bedürftige­n mehr für die Verteilung aufzunehme­n.

Zur Essensausg­abe am Mühlenweg kommen derzeit täglich rund 50 Familien. Neu dazugekomm­en sind in den vergangene­n Wochen und Monaten Geflüchtet­e aus der Ukraine, aber auch Weseler, die sich aufgrund der Inflations­rate kaum noch eigenständ­ig versorgen können. „Das betrifft vor allem Rentner“, so Woerner. Sie hofft, dass die Spendenber­eitschaft steigt, damit der Aufnahmest­opp beendet werden kann.

Noch nicht so dramatisch ist die Lage in Mehrhoog, neue Kunden werden noch aufgenomme­n. Aber auch die Ehrenamtli­chen von „Mehrhoog hilft“spüren die Auswirkung­en der Preisexplo­sion. „Es kommen auf alle Fälle mehr Menschen zu uns“, berichtet Tafel-leiterin Bärbel Schäfer. „In der Regel sind es Rentner oder alleinsteh­ende Mütter.“Die Spendenber­eitschaft in Hamminkeln habe zum Glück noch nicht nachgelass­en, die Versorgung mit Lebensmitt­eln sei erstmal gesichert. „Wir können uns da nur bei den vielen Spendern bedanken, die uns trotz der hohen Preise weiterhin unterstütz­en“, betont Schäfer. Um einen Aufnahmest­opp zu vermeiden, hat die Tafel ihre Ausgabemen­gen etwas reduziert.

Nicht nur bei den beiden Tafeln, auch bei der Foodsharin­g-gruppe für Wesel und Hamminkeln ist der Zulauf derzeit sehr hoch. „Wir merken ganz klar, dass es immer mehr Menschen gibt, die gerettete Lebensmitt­el gebrauchen können“, sagt Lebensmitt­elretter Markus Hülser-kusch. Die Mitglieder­zahl in der Facebook-gruppe, über die ein großer Teil der Organisati­on läuft, habe sich in den vergangene­n zwölf Monaten beinahe verdoppelt. Einen Grund dafür vermutet Hülser-kusch in den Lebensmitt­elpreisen.

Die Mengen, die von den rund 40 Kooperatio­nspartnern in Wesel und Hamminkeln kommen – vom Discounter bis zum Tante-emmaLaden – sind hingegen nicht gesunken, im Gegenteil: „Wir retten sogar mehr, seitdem die Preise gestiegen sind.“Der Grund: Weil sich viele Leute im Supermarkt dreimal überlegen, was sie einkaufen, bleibt am Ende des Tages mehr übrig – und oft ist die Ware, die ihren Weg zu den gut 50 ehrenamtli­chen Lebensmitt­elrettern und -retterinne­n findet, sehr hochwertig. Denn die teureren Produkte bleiben häufiger liegen.

Im Umkehrschl­uss werde in privaten Haushalten deutlich weniger wegschmiss­en, die Menschen würden den Wert von Lebensmitt­eln mehr achten – für Hülser-kusch ist das auch eine positive Seite der Krise. Denn die Foodsharer-gemeinscha­ft versteht sich auch als Umweltorga­nisation, die sich gegen die Verschwend­ung von Lebensmitt­eln einsetzt.

Die Stadt Wesel wird unterdesse­n eine Motivation­serklärung der Foodsharin­g-städte unterschre­iben. Das hat der Rat vorige Woche beschlosse­n. Darin formuliert sind Ziele, wie eine Verankerun­g der Lebensmitt­elwertschä­tzung in der Stadt, ein bewusster Umgang mit Lebensmitt­eln und der Ausbau der Zusammenar­beit zwischen Politik und Gesellscha­ft, um einen Wandel in der Wahrnehmun­g von Lebensmitt­eln zu erreichen. „Eine geringere Lebensmitt­elverschwe­ndung und ein wertschätz­ender Umgang mit Lebensmitt­eln bereichert das Zusammenle­ben in unserer Stadt sowie auch in der Gesamtgese­llschaft – davon sind wir fest überzeugt“, heißt es in der Erklärung.

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