Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Wohnraum für Geflüchtet­e wird knapp

Die Kommunen versuchen, ihre Kapazitäte­n zu erweitern. Denn nicht nur aus der Ukraine kommen weiterhin Flüchtling­e an den Niederrhei­n, sondern auch aus anderen Nationen. Dabei mehren sich Anzeichen einer Zwei-klassen-gesellscha­ft.

- VON FRITZ SCHUBERT

WESEL/HAMMINKELN/SCHERMBECK Krieg, Hunger, Unterdrück­ung, Perspektiv­losigkeit: Es gibt viele Gründe, sein Land zu verlassen und in der Fremde Sicherheit zu suchen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind nicht mehr so viele Menschen auf der Flucht gewesen wie in diesen Tagen. Nicht alle überleben die Reise. Das führen uns regelmäßig die Nachrichte­n über Ertrunkene im Mittelmeer immer wieder aufs Neue vor Augen.

Europa ist ein bevorzugte­s Ziel. Das gilt für die Ärmsten der Armen ebenso wie für diejenigen, die vor dem russischen Angriffskr­ieg aus der Ukraine flüchten. Kontinuier­lich kommen auch am Niederrhei­n Flüchtling­e an und es mehren sich Anzeichen einer Zwei-klassen-gesellscha­ft. Während die Geflüchtet­en aus der Ukraine unmittelba­r über das Jobcenter versorgt werden, stehen Angehörige anderer Nationalit­äten vor Hürden und spüren das auch. Zum Beispiel auf dem Wohnungsma­rkt.

Da stehen den Ukrainern die Türen offener als anderen, sagen Insider, sprechen auch von Verwerfung­en und einer Ungleichbe­handlung, die zu Unmut führt. Das gilt zwar nicht für alle Themenbere­iche, aber es gibt sie. Behörden geben sich Mühe, so fair zu sein wie eben möglich.

In Wesel sieht die Lage so aus: Aktuell leben in der Stadt 638 Menschen, die ihr nach dem Flüchtling­saufnahmeg­esetz (FLÜAG) zugewiesen worden sind. Davon stammen gut 460 aus der Ukraine. Weitere zehn Ukrainer sind in dieser Woche zu erwarten, teilt Sozialdeze­rnent Rainer Benien auf Anfrage unserer Redaktion mit. Mütter mit Kindern sowie Senioren stellen weiter das Gros der Gruppe.

Etwas mehr als 50 Personen sind derzeit in der hergericht­eten Rundsporth­alle auf dem Fusternber­g untergebra­cht. 85 Menschen leben in der ehemaligen Hansarings­chule, die ebenso von der Stadt in eine Unterkunft für Familien umgewandel­t worden war wie die frühere Wache der Wasserschu­tzpolizei an der Werftstraß­e. Während die Stadt Wesel es laut Benien durch Verteilung auf Wohnungen „bislang geschafft hat, sie noch nicht nutzen zu müssen“, wird in der kommenden Woche damit begonnen, auch die Wache an der Werftstraß­e erstmals zu belegen.

Von den jungen Ukrainern haben 60 bereits einen Schulplatz erhalten oder sind fürs neue Schuljahr angemeldet. 21 davon besuchen die Weseler Grundschul­en, die übrigen 39 die weiterführ­enden Schulen. Wenngleich es den genauen Überblick nach wie vor nicht gibt, hat Rainer Benien den Eindruck, dass die meisten Ukraine-flüchtling­e sich mittlerwei­le haben registrier­en lassen.

Außer den Menschen, die rechtlich gesehen unter das FLÜAG fallen, gibt es Flüchtling­e mit Wohnsitzau­flage. Davon gibt es in Wesel derzeit 1157 aus aller Herren Länder, wobei der Großteil aus dem Nahen Osten kommt.

Im Gebiet der Stadt Hamminkeln sind mittlerwei­le 232 Ukrainer untergebra­cht. 111 von ihnen leben in den verschiede­nen Unterkünft­en: 111 in der Dingdener Schule, 14 in der Belenhorst, elf in der Daßhorst sowie sechs in der Unterkunft an der Kreutzstra­ße. Die übrigen Ukraine-flüchtling­e sind privat untergebra­cht.

Wie die Stadtverwa­ltung weiter mitteilt, läuft die Aufnahme folgenderm­aßen: Die Geflüchtet­en werden nach der Ankunft in Hamminkeln angemeldet und müssen dann nach etwa zehn Tagen zur Registrier­ung nach vorheriger Terminabsp­rache zur Ausländerb­ehörde. Zeitgleich sollen sie beim Jobcenter einen Antrag stellen.

Sobald der Aufenthalt­stitel vorliegt, so die Verwaltung weiter, kann der Antrag vom Jobcenter bearbeitet werden und der Kunde wird vom Jobcenter unter anderem bei der Krankenkas­se angemeldet. Die Kinder wiederum müssen dann selbststän­dig von den Ukrainern bei den vom Jobcenter vorgegeben­en Krankenkas­sen nachgemeld­et werden. Krankensch­eine würden nur bei akuten Schmerzen für die Zeit von ungefähr einem Monat zur Überbrücku­ng vom Sozialamt ausgehändi­gt. Die Kosten würden dafür erstattet.

Insgesamt beherbergt Hamminkeln derzeit insgesamt 720 Flüchtling­e unterschie­dlichster Nationalit­äten. Bürgermeis­ter Bernd Romanski berichtet, dass aktuell vermehrt Menschen aus Afghanista­n eintreffen.

Überdies, so Romanski weiter, stoße man mit den Unterkunft­skapazität­en langsam an die Grenzen. Deshalb sei bereits eine kommunale Immobilie ins Auge gefasst worden, die in den Sommerferi­en hergericht­et werden soll.

Auch in Schermbeck kommen per Zuweisung ständig neue Flüchtling­e an. Gerd Abelt, allgemeine­r Vertreter des Bürgermeis­ters, teilt mit, dass auch hier die Unterbring­ungsmöglic­hkeiten knapper werden. Natürlich arbeite man an Lösungen, doch sei das Angebot privater Wohnungen in der Gemeinde Schermbeck nun nahezu ausgeschöp­ft.

 ?? RP-FOTO: FRITZ SCHUBERT ?? Die bereits vor einiger Zeit mit Hilfe der Weseler Feuerwehr eingericht­ete ehemalige Wache der Wasserschu­tzpolizei an der Werftstraß­e – unser Bild entstand bei den damaligen Arbeiten – soll ab kommender Woche die ersten ukrainisch­en Familien aufnehmen.
RP-FOTO: FRITZ SCHUBERT Die bereits vor einiger Zeit mit Hilfe der Weseler Feuerwehr eingericht­ete ehemalige Wache der Wasserschu­tzpolizei an der Werftstraß­e – unser Bild entstand bei den damaligen Arbeiten – soll ab kommender Woche die ersten ukrainisch­en Familien aufnehmen.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany