Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Frankreich Undercover

Eine Autorin recherchie­rt anonym im Mindestloh­nsektor: Juliette Binoche erkundet in „Wie im richtigen Leben“die Kluft zwischen Arm und Reich.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Die Kluft zwischen Arm und Reich wird stetig größer. Auch in Frankreich, dem Land, in dem die Armen einst den König entmachtet und ermordet haben, um in Freiheit, Gleichheit und Brüderlich­keit zu leben. In seinem neuen Film „Wie im echten Leben“findet Emmanuel Carrère einen Erzählrahm­en, der das ökonomisch­e Auseinande­rdriften der französisc­hen Gesellscha­ft mit emotionale­r und sozialer Genauigkei­t auf den Punkt bringt.

Marianne Winckler ( Juliette Binoche) ist gerade in die nordfranzö­sische Hafenstadt Caen gezogen und begibt sich auf Arbeitssuc­he. Zwei Semester Jura, Heirat, 23 Jahre Hausfrau, Scheidung – mit einem solchen Lebenslauf ohne nennenswer­te Berufserfa­hrung sieht die freundlich­e Mitarbeite­rin im Jobcenter Mariannes Zukunft in der Putzbranch­e. Was diese nicht ahnt: Die Arbeitssuc­hende ist im echten Leben eine gepriesene Autorin, die nun – wie einst Günter Wallraff in der BRD – undercover und aus eigener Erfahrung über das Dasein im Mindestloh­nsektor schreiben will.

Marianne hat die Blase der gut situierten Mittelschi­cht verlassen, will die beschwerli­che Existenz des Prekariats sichtbar machen und nebenbei auch ihr linkes, schlechtes Gewissen beruhigen. Dynamisch, freundlich, teamfähig – das seien ihre Stärken, sagt sie beim Bewerbungs­gespräch zum Regionalle­iter eines landesweit­en Dienstleis­tungsunter­nehmens. Und ihre Schwächen? „Vielleicht ein wenig zu perfektion­istisch“, antwortet sie mit gespielter Nachdenkli­chkeit und bekommt den Job. Da heißt es: Ärmel hochkrempe­ln, Gummihands­chuhe anziehen und mit der Klobürste hinein in die verdreckte­n Campingpla­tz-toiletten.

Marianne macht ihre Arbeit gut, aber schon nach wenigen Tagen wird sie wieder gefeuert, als sie dem Chef in alter Mittelschi­cht-manier Paroli bietet. Aber damit hat sie sich Freundinne­n gemacht in der Putzkolonn­e, und nach einem gemeinsame­n Kegelabend vermittelt ihr eine von ihnen den nächsten Job: Nach nur eineinhalb Stunden legt die Fähre am Hafen an, und in dieser Zeit müssen zwölf Leute 230 Kabinen säubern. Hier lernt Marianne die beinharte Christèle (Hélène Lambert) kennen, die sich allein mit drei kleinen Kindern durchschlä­gt und jeden Tag eine Stunde zu Fuß zur Arbeit geht. In ihr glaubt die Autorin ihre Romanheldi­n gefunden zu haben. Aber je mehr sich die beiden Frauen kennenlern­en, desto näher rückt der Tag, an dem Marianne genug Material für ihr Buch gesammelt hat und sie sich vor ihren Freundinne­n aus der Putzkolonn­e outen muss. Dann wird sie wieder in ihr komfortabl­es Pariser Leben zurückkehr­en, während die anderen weiter auf der Fähre schuften.

„Wie im echten Leben“ist weit mehr als ein Film über die Lebensbedi­ngungen der untersten Einkommens­schichten. Carrère porträtier­t mit viel Herzblut, Empathie und sozialen Details den Alltag am Rande der Dienstleis­tungsgesel­lschaft. Aber die eigentlich­e Qualität des Filmes besteht darin, dass er die eigene Perspektiv­e hinterfrag­t. Denn auch wenn sich Marianne (und mit ihr der Film) für das Sichtbarma­chen der zahllosen Menschen einsetzt, die für ein spärliches Mindestloh­neinkommen in unserer Gesellscha­ft die Drecksarbe­it erledigen, gibt es kein versöhnlic­hes Ende.

Für Christèle, die von Hélène Lambert mit enormer Präsenz als harte, proletaris­che Pragmatike­rin gezeichnet wird, bleiben Mariannes verdeckte Ermittlung­en ein unverzeihl­icher Verrat an der gemeinsame­n Freundscha­ft. Und natürlich ist diese Freundscha­ft auch eine Metapher für den Zustand der französisc­hen Gesellscha­ft. Denn deren Kluft – das haben die Wahlergebn­isse in Frankreich gezeigt – lässt sich nicht durch ein bisschen guten Willen überwinden, sondern nur durch eine nachhaltig­e Umverteilu­ng von Wohlstand und Privilegie­n.

Wie im echten Leben, Frankreich 2021 – Regie: Emmanuel Carrère; mit Juliette Binoche, Hélène Lambert, Léa Carne; 106 Minuten

15.05

16.00 heute – in Europa COIPSJEB 16.10 Die Rosenheim- 17.00 heute dieujtsceh­labnd 17.10 hallo 17.45 Leute heute Stuttgairt 18.00 Soko 19.00 heute Notrufihaj­feenkabnte 19.25 Bergrettei­r: Die schmerz 20.15 12.10

HZDF

9.05

10.30

11.15 12.00 13.00 14.00

14.15

15.00

E B E Bjojurenal­b heutie

21.45

Illnerijeb 22.15 Maybrit

vLAINZJEB 23.15 Markus jouirnjalu­epdbate 0.30 heute

0.45 Filmgorill­as

0.55 Parfum

ZDF NEO

8.00 8.40Stadt, 9.25

Bv14.15

B13.35 8.30 10.55Hilfe

13.00 13.50

Aktujellb 16.00 undihejutb­e 16.15 Hier Lokalzeiit­b 18.00 Aktuell /

18.15 Björns Gourmet Geheimniss­e (2/3) 18.45 Aktuelle Stunde 19.30 Regionales Tagesschau­ib 20.00

Weistejnlb­ive 20.15 Sport im

21.00 Aktuell imiwjesbte­n 21.15 Sport live

22.40 Generation F – Sportler:innen Grundschiu­ljlehbreri­n Die tranis* 1.10 Die Story: schwierige Weg ins eigene Geschlecht Kjölnb auis 2.00 Lokalzeit Aachein

2.30 Lokalzeit aus

23.30

HRBB 16.00

B14.20

 ?? FOTO: NEUE VISIONEN FILMVERLEI­H/DPA ?? Juliette Binoche spielt eine Putzfrau.
FOTO: NEUE VISIONEN FILMVERLEI­H/DPA Juliette Binoche spielt eine Putzfrau.

Newspapers in German

Newspapers from Germany