Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Diesmal ist es anders

Diese vier Wörter werden an der Börse nicht gern gehört.

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Einem gängigen Bonmot zufolge sind die vier gefährlich­sten Wörter an der Börse „diesmal ist es anders“. Die Warnung bezieht sich darauf, dass Wertpapier­märkte in Wirklichke­it recht robusten Gesetzmäßi­gkeiten unterliege­n und nur ausgesproc­hen selten so fundamenta­le Veränderun­gen eintreten, dass die Lehren der Geschichte nicht mehr gelten. Ein solcher Moment der Einsicht war etwa das Platzen der New-economy-blase vor gut 20 Jahren. Viele Anleger dachten bis dahin wirklich, wegen der rasanten Digitalisi­erung der Welt komme es auf eine Gewinnerzi­elung in absehbarer Zeit nicht mehr an. Man müsse nur so schnell wie möglich seinen Markt beherrsche­n. Doch dann kam die Einsicht, dass Investoren etwa Dividenden verlangen. Aber ohne Gewinn keine Dividende, also verschwand­en ungewöhnli­ch viele Unternehme­n in einem historisch­en Crash vom Markt. Er dauerte rund drei Jahre und verursacht­e auf breiter Front Kursverlus­te von mehr als 50 Prozent.

Dieser Kurssturz ging über die typischen Bewegungen hinaus, die von einer normalen Rezession ausgelöst werden. In einer schwachen Wirtschaft sinken nämlich die Gewinne der Unternehme­n und die Unsicherhe­it wächst. Dies wiederum senkt die Bewertunge­n der Aktien. Allerdings gilt die Annahme, dass alle Unternehme­n nach der Rezession wieder gute Gewinne erzielen – sie müssen halt nur die Schwächeph­ase überstehen. Für viele Namen der New Economy galt das jedoch nicht. Vielen von ihnen wurde nicht die Konjunktur­flaute zum Verhängnis, sondern ihr unprofitab­les Geschäftsm­odell. Auch diesmal verschärft ein selten auftretend­es Phänomen die Lage. Eine Angebotskr­ise durch geschwächt­e und gerissene Lieferkett­en treibt die Preise. Um die Inflation zu stoppen, erhöhen Notenbanke­n Zinsen. Die geschwächt­e Wirtschaft bremst das zusätzlich ab. Kurzfristi­g ist das eine besondere Belastung für die Börsen. Allerdings ist die Skepsis der Anleger bereits groß. Auf Sicht eines Jahres dürfte sich eine Anlage in Aktien bekannter Marken mit guter Dividende auszahlen.

Unser Autor leitet die Vermögensa­bteilung von HSBC Deutschlan­d in Düsseldorf. Er wechselt sich hier mit den beiden Wirtschaft­sprofessor­en Ulrike Neyer und Justus Haucap ab.

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KARSTEN TRIPP

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