Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Kurden fürchten Abschiebungen
Nach der Einigung Schwedens mit der Türkei lebt die Volksgruppe in Angst.
WARSCHAU „Eine Stimme für die Sozialdemokraten ist eine Stimme für Erdogan.“Mit diesem Slogan macht die kurdischstämmige Abgeordnete Amineh Kakabaveh derzeit Stimmung gegen die schwedische Regierung. Die rund 100.000 Kurden im Land sollen im September nicht mehr für die Partei stimmen, die sich eigentlich lange für die Kurden eingesetzt hat. Eigentlich, weil Schwedens Regierungschefin Magdalena Andersson an der Seite des finnischen Präsidenten Sauli Niinistö am Dienstag mit Recep Tayyip Erdogan ein Abkommen ausgehandelt hat. Der türkische Staatspräsident gab daraufhin seine Blockadehaltung gegen den Nato-beitritt der beiden Länder auf.
Vereinbart wurden neben möglichen Waffenlieferungen an die Türkei auch eine Abgrenzung zu den kurdischen Milizen in Syrien. Kakabaveh hat somit guten Grund für ihren Groll. Zumal ihre Stimme erst kürzlich Justizminister Morgan Johansson bei dem Misstrauensvotum rettete, das die rechte Opposition angestrengt hatte. Die sozialdemokratische Minderheitsregierung wird bislang von drei Parteien und eben der ehemaligen Abgeordneten der Linkspartei toleriert. Vereinbart worden sei, dass die Regierung in Stockholm enger mit der Partei der Demokratischen Union (PYD) zusammenarbeite – eine kurdische Partei in Syrien, die von Ankara jedoch als verlängerter Arm der PKK gesehen wird, die auch in Eu-ländern als „terroristisch“eingestuft wird.
An dieses Abkommen fühlt sich Schwedens Außenministerin Ann Linde nun nach dem Deal mit Erdogan nicht mehr gebunden. Darum will nun Kakabaveh ein Misstrauensvotum anstrengen. Auch wenn sie sich damit kaum wird durchsetzen können – auch die Sozialdemokraten gehören bei diesem Konflikt zu den Verlierern. Sie verlieren ihre internationale Mittlerrolle, ihr Selbstbild als humanitäre Großmacht. Auch galt Schweden bislang aufgrund seiner von Sozialdemokraten entworfenen und verantworteten großzügigen Asylpolitik als sicherer Hafen für politisch verfolgte Kurden.
„Gibt es nun Polizeikommandos in aller Herrgottsfrüh?“, fragt der Kurden-aktivist Kurdo Baksi in der Zeitung „Dagens Nyheter“. Kurden haben nun Angst, nach Ankara abgeschoben zu werden, wenn auch Andersson beteuerte, dass dies schwedischen Staatsbürgern nicht passieren könne. Der schwedische Inlandsgeheimdienst soll aber bereits eine Liste von zehn Personen erstellt haben, die wegen Kontakten zur PKK ausgewiesen werden könnten.