Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
100-Jährige darf weiter Auto fahren
In Italien müssen Senioren über 80 alle zwei Jahre mit einem ärztlichen Attest ihren Führerschein verlängern lassen. Die meisten wollen trotzdem nicht auf ihre Mobilität verzichten – wie Candida Uderzo aus Breganze.
Dass Menschen ihren Führerschein verlängert bekommen, ist eigentlich nicht der Rede wert. Bei alten Menschen ist die nächste Verlängerung jedoch stets ein kleiner Nerventest. Manche Senioren und Seniorinnen lassen gar ganz von selbst von der motorisierten Fortbewegung ab, weil sie sich nicht mehr sicher fühlen und einsehen, dass nun andere Wege zu gehen sind. Nicht so Candida Uderzo. Die Italienerin aus dem Dorf Breganze bei Vicenza in der Region Veneto feierte im April ihren 100. Geburtstag. Wenige Wochen später verlängerte die italienische Führerscheinbehörde ihre Fahrerlaubnis.
In Italien sind nicht wenige Hochbetagte noch mit dem Auto unterwegs. Vor Wochen meldete sich ein 100-jähriger Sizilianer stolz zu Wort, der angab, jeden Morgen in Messina per Auto zur Bar zum Frühstücken zu fahren. Antonino Mazzone behauptete zudem, sich anlässlich der Erneuerung seines Führerscheins ein neues Auto kaufen zu wollen und nie in seinem Leben einen Unfall gehabt zu haben.
Über 80-Jährige in Italien müssen der Führerscheinbehörde alle zwei Jahre ein ärztliches Attest vorlegen, damit überprüft werden kann, ob sie körperlich und geistig fit sind. Candida Uderzo bestand ihren Test offenbar bravourös.
„Ich bin 100 Jahre alt und habe wirklich Glück, dass ich so gesund bin“, sagte die Italienerin dem Corriere della Sera. „Ein einziges Mal war ich im Krankenhaus wegen eines Bandscheibenvorfalls und basta.“Nicht einmal Tabletten nimmt Uderzo nach eigenen Angaben, abgesehen von dem Schlafmittel, das sie manchmal schluckt, bevor sie zu Bett geht. Uderzo fährt sogar ohne Sehhilfe. „Ich lese jeden Tag die Zeitung und das ohne Brille“, sagt sie. Ihr Gehör hat sie zuletzt ein wenig im Stich gelassen, das war für die Führerscheinbehörde aber kein Grund einzuschreiten. „Als sie meiner Mutter den Führerschein verlängert haben, konnte ich es kaum glauben“, sagt ihr Sohn Gianni. „Sie ist körperlich wirklich gut drauf, versteht alles. Aber manchmal entscheiden die Behörden gegen die Verlängerung, weil in diesem Alter eben alles Mögliche passieren kann.“
Für Uderzo ist es wichtig, ihre alten Gewohnheiten beibehalten zu können. Dazu gehört es, Freunde und Verwandte zu besuchen oder allein einkaufen zu gehen. Bei gutem Wetter nimmt sie dazu sogar das Fahrrad, wenn es regnet, das Auto. Die Hundertjährige sagt, sie sei gerne unabhängig und wolle ihren Sohn nicht unter Druck setzen, dass er sie herumfahren müsse. „Die Verlängerung macht mich glücklich, ich kann mich nun ein bisschen freier fühlen“, sagte sie. „Meine Mutter ist gewiss nicht jemand, der zu Hause herumsitzt“, erzählt Gianni. Vor allem Wandern ist Uderzos große Leidenschaft. „Jeden Sonntag um sechs Uhr morgens bin ich bereit“, berichtet Candida Uderzo. „Da findet mein Sonntagsspaziergang statt, allein oder mit Freunden. Ich liebe es zu wandern und denke nicht im Traum daran aufzuhören.“Seit sie in Rente ist, hat sie sich einer Wandergruppe in Breganze angeschlossen. „Seit 50 Jahren ist Candida eine Naturgewalt“, sagt Wilma Abriani, die Vorsitzende der Wandergruppe. „Soweit ich mich erinnere, hatte sie nie gesundheitliche Probleme.“
Mit 52 Jahren begann Uderzo zu wandern. Sie war gerade Witwe geworden, ihr Mann Vittorio war jung verstorben. Erst lief sie mit Freundinnen. „Das hat mir sehr geholfen“, sagt Uderzo. Später trat sie dann der Wandergruppe bei und hat keinen Sonntagsausflug mehr verpasst.
Wenn sie jetzt im Auto unterwegs ist, hat ihr Sohn sie gebeten, in der Umgebung zu bleiben. „Ein GPSNavigationsgerät habe ich ihr bisher nicht mitgegeben“, sagt Gianni. „Aber normalerweise sagt sie Bescheid, wo sie hinfährt.“Zwei Jahre lang hat Candida Uderzo nun Zeit. Dann steht die nächste Führerschein-verlängerung an.