Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Und plötzlich kostet der Test drei Euro
Die neue Testverordnung wurde erst am Mittwochabend offiziell bekanntgegeben. Der Weseler Apothekensprecher Nils Hagendorn spricht von Chaos.
(auf) Seit Donnerstag sind die kostenlosen Bürger-coronatests Geschichte. So wurde es am Mittwoch entschieden, nachdem es erst immer hieß, der Stichtag sei der 1. Juli. Allerdings gibt es Ausnahmen für bestimmte Gruppen. Darunter verstehen die Gesundheitspolitiker zum Beispiel Kinder bis fünf, Frauen zu Beginn der Schwangerschaft, Besucher von Kliniken und Pflegeheimen, Haushaltsangehörige von Infizierten, Bewohner von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sowie Menschen, die sich nicht impfen lassen können. Vorgesehen sein soll, jeweils Nachweise vorzulegen, dass man berechtigt ist – etwa per Ausweis oder Pass, mit Bescheinigungen, Vordrucken oder Attesten.
Für den Rest der Bevölkerung soll ein Test drei Euro kosten. Lohnen sich dann noch all die Teststellen, die in der Vergangenheit wie Pilze aus dem Boden geschossen sind?
Der Kreis Wesel pflegt eine Liste mit Teststellen im Kreisgebiet. Die umfasste – Stand Donnerstag, 30. Juni – 29 Seiten im Din-a-4-format. Wie es weitergeht, kann der Kreis nicht beantworten: „Einige Teststellenbetreiber haben sich bereits zurückgezogen als die Meldezahlen sehr niedrig waren. Inzwischen werden Öffnungszeiten aber wieder hochgefahren und mobile Teststellen wieder besetzt. Aktuell ist beides feststellbar: Anbieter, die aussteigen und neue Anfragen, um im Kreis Wesel mit der Bürgertestung zu beginnen“, sagt der Kreis.
Die neue Regelung sei für die praktische Umsetzung durch die Teststellen noch nicht ausreichend ausgestaltet. Es sei daher mit Problemen in der Umstellungsphase zu rechnen. „Eine Anpassung der Coronatest- und Quarantäneverordnung sowie der Coronateststrukturverordnung ist aus Sicht des Kreises Wesel notwendig, um die praktische Umsetzung zu verbessern“, teilt der Kreis Wesel mit.
Für den Weseler Apothekensprecher Nils Hagedorn ist das ein Unding. „Ich habe am Mittwoch drei Mal meine Aushänge aktualisiert, weil immer wieder was neues kam“, ärgert sich der Apotheker aus Büderich: „Das ist ein ganz schönes Chaos.“
Dazu kommt die Dokumentationspflicht, wenn Menschen einen kostenlosen Test möchten, weil sie zum Beispiel Verwandtschaft im Seniorenheim besuchen möchten oder eine Veranstaltung im Innenraum. „Definiere Veranstaltung“, sagt der Apotheker sarkastisch. Und wie soll er nachprüfen, ob der zu Testende tatsächlich in eine Senioreneinrichtung möchte? „Glaubhaft versichern“, nennen das Juristen. „Ganz, ganz schwierig“, sagt Hagedorn.
Und er weist auf ein weiteres Problem hin. Nämlich die Überlegung vieler Teststellen-betreiber, ob das Geschäft noch rentabel ist. Dokumentation, Personalkosten – das wollen sich einige seiner Berufskollegen nicht mehr antun. „Das ist ja fast wie ein zweiter Betrieb, den ich managen muss“, zeigt der Apotheker Verständnis für diejenigen, die sich das nicht mehr antun wollen.
In der Kreisliste aufgeführt ist auch die Praevencio Gmbh aus Siegburg mit zwei Teststationen in Wesel bei Komp und Stewes. Ruft man beim Unternehmen an, kommt eine automatische Bandansage, dass zurzeit nicht getestet wird, weil das Unternehmen noch keine Informationen von den Behörden zur Zukunft der Bürgertests hat, sondern die Informationen bisher nur der Presse entnehmen konnte: Wie es weitergeht, sei unklar.
Ingo Bross, Geschäftsführer des Hamminkelner Unternehmens Superol, und einer der ersten, der Teststellen zu Beginn der Pandemie errichtete, macht bei der erneuten Corona-wende der Politik nicht mit. Er bietet in seiner Teststelle an der Ringenberger Straße in Hamminkeln die Bürgertests weiterhin kostenlos an. „Wir hatten am Dienstag 20 Prozent positiv getestete Personen“, erzählt er. Das sei jetzt zwar keine wissenschaftlich belastbare Zahl, weil in diesen Fällen ja noch ein PCR-TEST erfolgen muss, doch der Trend ist für ihn eindeutig. Er berichtet auch von Coronafällen in seinem Team, die beileibe keinen milden Verlauf hatten: „Die haben richtig flach gelegen.“
„Es ist der falsche Weg, wenn wir jetzt drei Euro für die Tests verlangen. Dann lassen sich vielleicht einige nicht mehr testen“, befürchtet Bross und verweist auf die Preissteigerungen, die nicht mehr von allen Bürgern gestemmt werden können.
Dass er seine Teststelle am Weikensee in Hamminkeln schließt, hat nichts mit Geld zu tun, sondern ist der schlichten Tatsache geschuldet, dass viele seiner Mitarbeiter im Juli Urlaub machen. Im August soll es auch am Weikensee wieder weitergehen mit den Bürgertests. Ob sich das Testgeschäft für ihn noch rechnet? Nein, das tue es nicht. Aber es gehe auch nicht immer nur ums Geschäft, sondern auch um den Gesundheitsschutz.