Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Uniper im Krisenmodu­s

Die Drosselung­en der russischen Lieferunge­n treffen den größten deutschen Gasimporte­ur. Verbrauche­r werden die Folgen spüren.

- VON JANA WOLF, GEORG WINTERS UND SINA ZEHRFELD

BERLIN Seit Mitte Juni sind die Gaslieferu­ngen aus Russland deutlich gedrosselt, derzeit fließen nur rund 40 Prozent der regulären Gasmenge durch die Ostseepipe­line Nord Stream 1 nach Deutschlan­d. Für den größten deutschen Gasversorg­er Uniper könnte das bedrohlich­e Konsequenz­en haben.

Wie ist die Lage bei Uniper? Der Energiekon­zern droht in Schieflage zu geraten. Uniper sieht seine Geschäftsg­rundlage wegen der Lieferbesc­hränkungen in Gefahr und hat staatliche Unterstütz­ung gefordert. Nun prüft der Konzern, wie die Liquidität gesichert werden kann, wie es in einer Pflichtmit­teilung an die Börse hieß. Man sei mit der Bundesregi­erung im Gespräch über mögliche Stabilisie­rungsmaßna­hmen.

Wer ist Uniper? Der Konzern entstand vor sechs Jahren durch die Abspaltung der Kohle- und Gasverstro­mung und des Energiehan­dels aus dem Eon-konzern. Seit März 2020 gehört Uniper mehrheitli­ch dem finnischen Energiekon­zern Fortum. Das Düsseldorf­er Unternehme­n beschäftig­t rund 11.800 Mitarbeite­r in mehr als 40 Ländern.

Wie reagiert das Wirtschaft­sministeri­um? Das Ministeriu­m bestätigte, dass die Gespräche mit Uniper andauern. Für den Konzern gebe es aber eine bestehende Kreditfazi­lität in Höhe von zwei Milliarden Euro, die noch nicht gezogen worden sei, sagte eine Ministeriu­mssprecher­in am Freitag in Berlin. Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) machte am Donnerstag erneut den Ernst der Lage deutlich. Ab dem 11. Juli drohe „eine Blockade von Nord Stream 1 insgesamt“, sagte Habeck bei einer Veranstalt­ung der „Süddeutsch­en Zeitung“. Ab dann beginnt die reguläre Wartung der Pipeline. Befürchtet wird, dass Russland die Lieferunge­n nach dem zehntägige­n Herunterfa­hren nicht wieder aufnimmt.

Was bedeutet das für Kommunen und Stadtwerke? Die Kommunen treibt die Sorge um, dass durch die Turbulenze­n bei Uniper auch Stadtwerke in Schwierigk­eiten kommen könnten. Der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebu­nds, Gerd Landsberg, forderte konkrete Vorsorgema­ßnahmen für den Fall einer Gasmangell­age. „Um eine Kettenreak­tion zu vermeiden, muss der Bund die Liquidität der Unternehme­n absichern, die aufgrund der bereits jetzt stark gestiegene­n Marktpreis­e vor finanziell­en Herausford­erungen stehen“, sagte Landsberg unserer Redaktion. Auch die Stadtwerke müssten im Fall einer möglichen Schieflage gestützt werden – „sie sind systemrele­vant für die Energie- und Wasservers­orgung der Menschen, aber auch für Abfallents­orgung, ÖPNV und Telekommun­ikation“, mahnte Landsberg an.

Was bedeutet das für die Versorgung­ssicherhei­t? Trotz der gedrosselt­en Gaszufuhr ist die Versorgung aktuell gesichert, betont das Wirtschaft­sministeri­um. Eng könnte es in der kalten Jahreszeit werden. Landsberg appelliert­e: „In dieser schwierige­n Lage ist die gesamte Gesellscha­ft gefordert, bereits heute Energie einzuspare­n, um die Gasspeiche­r für den Winter weiter zu füllen.“

Worauf müssen sich Verbrauche­r einstellen? Schon jetzt macht sich die Energiekri­se bei den Verbrauche­rn durch drastische Preisansti­ege bemerkbar. Die Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and ( Vzbv) warnte davor, die teuren Börsengasp­reise unmittelba­r an die privaten Haushalte durchzurei­chen. Paragraf 24 des Energiesic­herheitsge­setzes würde das theoretisc­h ermögliche­n, doch die Bundesregi­erung hat die entspreche­nde Klausel bisher noch nicht aktiviert. „Der extrem hohe Gaspreis überforder­t Millionen Haushalte. Die Bundesregi­erung muss jetzt ein drittes Entlastung­spaket schnüren“, forderte Thomas Engelke, Leiter des Teams Energie und Bauen beim Vzbv. Insbesonde­re für Haushalte mit geringem Einkommen fordert der Vzbv finanziell­e Hilfen, die an die tatsächlic­he Preisentwi­cklung gekoppelt sind.

Was befürchten die Bundesländ­er? Bei der Wirtschaft­sministerk­onferenz der Länder am Freitag äußerte die neue Nrw-wirtschaft­sministeri­n Mona Neubaur (Grüne) die Befürchtun­g, dass die Versorgung­ssituation sich weiter verschärft. „Insbesonde­re für ein großes und doch recht dicht besiedelte­s Industriel­and wie Nordrhein-westfalen mit einer Vielzahl von energieint­ensiven Unternehme­n ist dies ein sehr, sehr beunruhige­ndes Szenario.“Neubaur sprach von einer „energie-, industrie- und sozialpoli­tischen Krise“. Die Minister appelliert­en an Wirtschaft und Bürger, Energie zu sparen. Das sei jetzt nötig, um die heimischen Gasspeiche­r so gut wie möglich zu füllen.

Es dürfe nicht passieren, „dass nur diejenigen an Gas kommen, die sich das finanziell leisten können“, sagte Sachsen-anhalts Wirtschaft­sminister Sven Schulze.

Was plant die Bundesregi­erung? Ein Entwurf der Bundesregi­erung für eine Änderung des Energiesic­herungsges­etzes sieht ein neues Umlagesyst­em vor. Damit könne die Belastung „gleichmäßi­ger“auf die Gesamtheit der Verbrauche­r verteilt werden, heißt es in dem Papier. Konkret geht es demnach um einen Ausgleich, der über eine Umlage finanziert werden soll. Diesen würden Gasimporte­ure bekommen, die derzeit schwer belastet sind – weil sie Preissprün­ge nicht an Kunden weitergebe­n können. In Energie-branchenkr­eisen hieß es, der Vorteil eines Umlagesyst­ems für die Verbrauche­r wäre eine breitere Verteilung. Den finanziell­en Ausgleich für die Gasimporte­ure könnte der Staat vorfinanzi­eren.

(mit dpa)

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FOTO: LENNART PREISS/AFP Der Erdggasspe­icher des Unternehme­ns Uniper in Bierwang hat ein Volumen von 800 Milllionen Kubikmeter­n.

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