Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Uniper im Krisenmodus
Die Drosselungen der russischen Lieferungen treffen den größten deutschen Gasimporteur. Verbraucher werden die Folgen spüren.
BERLIN Seit Mitte Juni sind die Gaslieferungen aus Russland deutlich gedrosselt, derzeit fließen nur rund 40 Prozent der regulären Gasmenge durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Deutschland. Für den größten deutschen Gasversorger Uniper könnte das bedrohliche Konsequenzen haben.
Wie ist die Lage bei Uniper? Der Energiekonzern droht in Schieflage zu geraten. Uniper sieht seine Geschäftsgrundlage wegen der Lieferbeschränkungen in Gefahr und hat staatliche Unterstützung gefordert. Nun prüft der Konzern, wie die Liquidität gesichert werden kann, wie es in einer Pflichtmitteilung an die Börse hieß. Man sei mit der Bundesregierung im Gespräch über mögliche Stabilisierungsmaßnahmen.
Wer ist Uniper? Der Konzern entstand vor sechs Jahren durch die Abspaltung der Kohle- und Gasverstromung und des Energiehandels aus dem Eon-konzern. Seit März 2020 gehört Uniper mehrheitlich dem finnischen Energiekonzern Fortum. Das Düsseldorfer Unternehmen beschäftigt rund 11.800 Mitarbeiter in mehr als 40 Ländern.
Wie reagiert das Wirtschaftsministerium? Das Ministerium bestätigte, dass die Gespräche mit Uniper andauern. Für den Konzern gebe es aber eine bestehende Kreditfazilität in Höhe von zwei Milliarden Euro, die noch nicht gezogen worden sei, sagte eine Ministeriumssprecherin am Freitag in Berlin. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) machte am Donnerstag erneut den Ernst der Lage deutlich. Ab dem 11. Juli drohe „eine Blockade von Nord Stream 1 insgesamt“, sagte Habeck bei einer Veranstaltung der „Süddeutschen Zeitung“. Ab dann beginnt die reguläre Wartung der Pipeline. Befürchtet wird, dass Russland die Lieferungen nach dem zehntägigen Herunterfahren nicht wieder aufnimmt.
Was bedeutet das für Kommunen und Stadtwerke? Die Kommunen treibt die Sorge um, dass durch die Turbulenzen bei Uniper auch Stadtwerke in Schwierigkeiten kommen könnten. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, forderte konkrete Vorsorgemaßnahmen für den Fall einer Gasmangellage. „Um eine Kettenreaktion zu vermeiden, muss der Bund die Liquidität der Unternehmen absichern, die aufgrund der bereits jetzt stark gestiegenen Marktpreise vor finanziellen Herausforderungen stehen“, sagte Landsberg unserer Redaktion. Auch die Stadtwerke müssten im Fall einer möglichen Schieflage gestützt werden – „sie sind systemrelevant für die Energie- und Wasserversorgung der Menschen, aber auch für Abfallentsorgung, ÖPNV und Telekommunikation“, mahnte Landsberg an.
Was bedeutet das für die Versorgungssicherheit? Trotz der gedrosselten Gaszufuhr ist die Versorgung aktuell gesichert, betont das Wirtschaftsministerium. Eng könnte es in der kalten Jahreszeit werden. Landsberg appellierte: „In dieser schwierigen Lage ist die gesamte Gesellschaft gefordert, bereits heute Energie einzusparen, um die Gasspeicher für den Winter weiter zu füllen.“
Worauf müssen sich Verbraucher einstellen? Schon jetzt macht sich die Energiekrise bei den Verbrauchern durch drastische Preisanstiege bemerkbar. Die Verbraucherzentrale Bundesverband ( Vzbv) warnte davor, die teuren Börsengaspreise unmittelbar an die privaten Haushalte durchzureichen. Paragraf 24 des Energiesicherheitsgesetzes würde das theoretisch ermöglichen, doch die Bundesregierung hat die entsprechende Klausel bisher noch nicht aktiviert. „Der extrem hohe Gaspreis überfordert Millionen Haushalte. Die Bundesregierung muss jetzt ein drittes Entlastungspaket schnüren“, forderte Thomas Engelke, Leiter des Teams Energie und Bauen beim Vzbv. Insbesondere für Haushalte mit geringem Einkommen fordert der Vzbv finanzielle Hilfen, die an die tatsächliche Preisentwicklung gekoppelt sind.
Was befürchten die Bundesländer? Bei der Wirtschaftsministerkonferenz der Länder am Freitag äußerte die neue Nrw-wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) die Befürchtung, dass die Versorgungssituation sich weiter verschärft. „Insbesondere für ein großes und doch recht dicht besiedeltes Industrieland wie Nordrhein-westfalen mit einer Vielzahl von energieintensiven Unternehmen ist dies ein sehr, sehr beunruhigendes Szenario.“Neubaur sprach von einer „energie-, industrie- und sozialpolitischen Krise“. Die Minister appellierten an Wirtschaft und Bürger, Energie zu sparen. Das sei jetzt nötig, um die heimischen Gasspeicher so gut wie möglich zu füllen.
Es dürfe nicht passieren, „dass nur diejenigen an Gas kommen, die sich das finanziell leisten können“, sagte Sachsen-anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze.
Was plant die Bundesregierung? Ein Entwurf der Bundesregierung für eine Änderung des Energiesicherungsgesetzes sieht ein neues Umlagesystem vor. Damit könne die Belastung „gleichmäßiger“auf die Gesamtheit der Verbraucher verteilt werden, heißt es in dem Papier. Konkret geht es demnach um einen Ausgleich, der über eine Umlage finanziert werden soll. Diesen würden Gasimporteure bekommen, die derzeit schwer belastet sind – weil sie Preissprünge nicht an Kunden weitergeben können. In Energie-branchenkreisen hieß es, der Vorteil eines Umlagesystems für die Verbraucher wäre eine breitere Verteilung. Den finanziellen Ausgleich für die Gasimporteure könnte der Staat vorfinanzieren.