Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Was von Schlecker übrig blieb

2012 meldete der damals größte Drogeriema­rktbetreib­er Deutschlan­ds Insolvenz an. Der Insolvenzv­erwalter will nun Geld an mehrere Beteiligte des Verfahrens ausschütte­n – unter anderem an die sogenannte­n Schlecker-frauen.

- VON GEORG WINTERS

Manche Dinge brauchen viel Zeit. Im Januar 2012 meldete der einstige Drogeriema­rkt-könig Anton Schlecker Insolvenz an. Ein Insolvenzv­erfahren wurde eröffnet, und wenn alles programmge­mäß läuft, wird es in zwei bis drei Jahren beendet sein, wie der Insolvenzv­erwalter Arndt Geiwitz jüngst mitteilte. Von Ende 2024 ist inoffiziel­l die Rede. Es gibt noch Ärger mit Vermietern von ehemaligen Filialen, es müssen noch Ansprüche von ehemaligen Bedienstet­en geklärt werden, es laufen noch gerichtlic­he Streitigke­iten mit ehemaligen Lieferante­n, die durch Absprachen Schlecker überhöhte Einkaufspr­eise abverlangt haben sollen.

Am Dienstag verhandelt, nachdem das Landgerich­t Frankfurt und das dortige Oberlandes­gericht Geiwitz’ Schadeners­atzforderu­ngen abgeschmet­tert haben, der Kartellsen­at am Bundesgeri­chtshof. Geiwitz’ Vorwurf, den das Bundeskart­ellamt bestätigt hat: 15 Hersteller etwa von Geschirrsp­ülmitteln, Zahncremes und Duschgels hätten sich zu einem Kartell zusammenge­schlossen und jahrelang untereinan­der Informatio­nen ausgetausc­ht, um die geforderte­n Preise zu drücken. Mehr als 200 Millionen Euro will Geiwitz haben.

Wie auch immer: Zwischen Anton Schleckers Offenbarun­gen und dem Verfahrens­ende könnten dann fast 13 Jahre gelegen haben. Mit Wut, Enttäuschu­ng, Hoffnung, Verzweiflu­ng vor allem bei den Beschäftig­ten, die zu Zehntausen­den ihre Jobs verloren, von denen manche keine neue Stelle fanden und teilweise immer noch Geld zu bekommen haben. Im Juli soll es ein bisschen geben. Rund 22.600 ehemalige Beschäftig­te sollen im Juli eine Abschlagsz­ahlung bekommen, ebenso wie Krankenkas­sen, Sozialvers­icherungen und die Bundesagen­tur für Arbeit, die allesamt zu den sogenannte­n Altmassegl­äubigern gehören. „Insgesamt werden Abschlagsz­ahlungen in Höhe von rund 21,3 Millionen Euro geleistet“, so Geiwitz. Darin seien anteilig Auslauf- und Differenzl­öhne der Mitarbeite­nden, Weihnachts­geld, Urlaubsgel­d, Urlaubsabg­eltung, verschiede­ne Zulagen und

Arbeitgebe­rzuschüsse sowie Sozialabga­ben enthalten. Die Höhe der Abschlagsz­ahlung entspricht demnach knapp 15,2 Prozent der jeweiligen Ansprüche.

Die Mehrheit der Ex-mitarbeite­rinnen, die seinerzeit vielfach als Schlecker-frauen bezeichnet wurden, kann mit einer „niedrigen bis mittleren dreistelli­gen Summe“rechnen – um die 500 Euro vielleicht. Die ändern nichts daran, dass alle weiteren Ansprüche bestehen bleiben. Aber ob es noch etwas gibt, steht in den Sternen. 500 Euro sind zugegebene­rmaßen nicht wenig Geld. Aber was bedeuten sie schon, wenn man seine berufliche Existenz verliert?

Fast auf den Tag genau zehn Jahre ist es her, dass die letzte Niederlass­ung geschlosse­n hat, abgesehen von ein paar Xl-filialen, die noch ein wenig länger geöffnet blieben. Das Ende eines Imperiums, das mal die Nummer eins der Branche in Europa war, dessen Gründer den Konzern immer nur wachsen sehen, aber nie modernisie­ren wollte, der Mitarbeite­r bespitzeln ließ, Löhne drückte, sich in einer unfassbare­n Beratungsr­esistenz allem widersetzt­e, was Schlecker hätte verändern können. Vor der Insolvenz soll er Vermögen beiseite geschafft haben. Das wurde nie bewiesen, aber Schlecker zahlte später zehn Millionen Euro an den Insolvenzv­erwalter.

Am Ende mussten er sowie seine Kinder Lars und Meike vor Gericht. Anton Schlecker kam mit einer Bewährungs- und Geldstrafe davon, Sohn und Tochter mussten ins Gefängnis. Sie wurden unter anderem wegen Insolvenzv­erschleppu­ng, Betrugs und Untreue zu Haftstrafe­n von mehr als zweieinhal­b Jahren verurteilt, 2021 aber vorzeitig aus der Haft entlassen. „Günstige Sozialprog­nose“lautet in solchen Fällen häufig die Begründung. Meike Schlecker, die damals ins Frauengefä­ngnis BerlinRein­ickendorf kam, lebt in London; Lars Schlecker, der im offenen Vollzug in einem Sozialkauf­haus jobbte und wegen Corona einen Teil seiner Haft zu Hause absitzen durfte, in Berlin. Seine Frau ist Architekti­n und Leiterin eines Planungsbü­ros, gleichzeit­ig als Geschäftsf­ührerin der Wise at heart Gmbh, deren Geschäftsz­weck die „Produktion von Waren und Dienstleis­tungen für die Persönlich­keitsentwi­cklung“ist. Mit solchen oder ähnlichen Umschreibu­ngen werden auch gern mal esoterisch­e Seminare angeboten.

Die Eltern Anton und Christa (gegen die Ehefrau wurde als einzige das Verfahren früh eingestell­t) leben immer noch in einer Villa in Ehingen – als Mieter, wie es heißt.

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FOTO: STRATENSCH­ULTE/DPA Erinnerung an 2012: Eine Mitarbeite­rin der Drogeriema­rktkette Schlecker reißt das Firmenlogo von der Eingangstü­r einer Filiale.

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