Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wichtige Tage am Tegernsee
Mit Trainer Daniel Farke geht es für Borussia im Trainingslager nicht nur um die fußballerischen Grundlagen.
Wäre es gewesen wie im vergangenen Sommer, wäre Daniel Farke bei seinem ersten Trainingslager als BundesligaTrainer in bekannte Gefilde gekommen. Denn in der Klosterpforte im ostwestfälischen Marienfeld, da ist er früher auch schon mal eingekehrt mit Norwich City, dem Klub, bei dem er sich auf der britischen Insel einen Namen gemacht hat. Die Arbeit des 45-Jährigen im Osten Englands hat ihm nicht nur die Anerkennung des Star-trainers Pep Guardiola eingebracht, mit dem Farke einen regen Austausch in Sachen Fußballideen pflegt, sondern hat auch Borussia Mönchengladbach überzeugt, ihn als Nachfolger von Adi Hütter zu verpflichten.
Während Hütter mit einer erfolgsbeladenen Vita aus Frankfurt kam vor einem Jahr, ist Farke, geboren im westfälischen Büren, Novize in der deutschen Eliteklasse. Aber eben einer, der den Fußball spielen lässt, den sich Gladbachs Manager Roland Virkus vorstellt für die Zukunft: mit viel Ballbesitz und zugleich athletisch. An beidem arbeitet Farke seit dem Trainingsauftakt am 26. Juni und wird das nun in der Trainingslager-woche intensivieren.
Nach zwei Jahren in der Klosterpforte steht für die Gladbacher jedoch ein Ortswechsel an, deswegen ist es mit Farke ein Neuanfang mit einer Rückkehr. Denn wie stets von 2012 bis 2019 zieht es die Gladbacher wieder ins Idyll der Tegernsee-region und dort ins mondäne Rottach-egern. Der Grund für den zweimaligen Aufeinthalt in Ostwestfalen war die Corona-situation, denn üblicherweise reisten viele, viele Fans mit ins „Lager“, und eben dies sollte es wegen der Vorschriften der letzten beiden Sommer nicht geben.
Nun hat sich die Situation aber gelockert und so gibt es am Tegernsee wieder das große Familientreffen der Borussen. Rund um den Platz am Birkenmoos, auf dem eigentlich der SV Rottach-egern beheimatet ist, werden sich wieder hunderte Gladbach-freunde tummeln, während Farke und die Seinen auf dem Rasen schuften, um fit und bereit zu sein für eine Saison, die besser laufen soll als die vergangenen zwei. Erst gab es Platz acht, dann Platz zehn, und auf dem Weg zu Letzterem sogar zeitweise Abstiegskampf und zwar begleitet von viel Unruhe – all das soll unter Farke wieder anders werden.
Borussia will wieder zu sich finden, fußballerisch, aber auch in Sachen Nähe. Die hat gefehlt wegen der Corona-situtation und das tut einem Klub wie Borussia nicht gut. Es braucht den Ansporn und das Feedback von den Rängen. Farke war in Norwich nah dran an den Seelen der Fans, nach den Spielen fand man ihn oft vor der Kurve wieder, und genau diese Nähe und Geborgenheit, die Vertrauen schafft, soll es wieder geben in Gladbach. Die Zeit am Tegernsee spielt dabei eine wichtige Rolle. Fans und Team können und wollen hier wieder richtig zueinanderfinden.
Gewöhnlicherweise gibt es einen Fanabend in der Woche in Rottach
Egern, fest geplant ist schon eine Bootstour, die Bosse des Klubs sind dabei. Da wird gefachsimpelt und geplaudert, die Fans können auch ihre Sorgen loswerden. Während der Trainingseinheiten können sie den Borussen ganz genau auf die Füße schauen, sie können ein Gefühl dafür entwickeln, wie das Team tickt.
Für Farke wird es aber auch darauf ankommen, die Defizite der vergangenen Saison aufzuarbeiten: Zu viele Gegentore und, das gab Kapitän Lars Stindl nun im Interview mit unserer Redaktion zu, zu wenig Fitness machten den Borussen Probleme und kosteten Punkte. „Es geht schon ganz schön zur Sache“, befand Stindl, und es ist zu vermuten, dass das Pensum in der anstehenden Woche noch mal erhöht wird.
Farke will aber auch taktische Strukturen schaffen, um Gladbach wieder Stabilität zu geben, auch das wird auf dem Lehrplan stehen während der Tage am Tegernsee. Mithin heißt es, in so einem Lager werde die Basis geschaffen für vieles mit Blick auf die Saison. So ist es sportlich und sozial eine enorm wichtige Woche für die Gladbacher.
Bestenfalls bekommt Farkes Team sogar noch Zuwachs. Der Japaner Ko Itakura (25) soll Borusse werden und als flexibler Defensivspezialist mithelfen, Gladbach stabiler zu machen. Je schneller der nach dem 18 Jahre alten Dänen Oscar Fraulo zweite Zugang dieses Sommers dabei ist, desto besser.
Am 10. Juli endet das Trainingslager mit dem Testspiel gegen 1860 München. Die bisherigen Jahre in Rottach-egern stehen für eine gute Zeit der Gladbacher, für ganz viel Europa und durchweg für einstellige Tabellenplätze. Und für guten, erfolgreichen Fußball. Borussia will zurück zu den bewährten Werten. Die Tage am Tegernsee gehören dazu.