Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Und alle schauten weg

Der katholisch­e Priester Heinz Pottbäcker, der jahrzehnte­lang vor allem minderjähr­ige Jungen missbrauch­t hat, war von 1988 bis 1990 Krankenhau­sseelsorge­r im Orsoyer Marien-hospital. Seine Vergehen waren offenbar bekannt.

- VON UWE PLIEN

Durch die Veröffentl­ichung der Gutachten zu sexuellen Missbrauch­sfällen in der Kirche rückte auch der Fall des katholisch­en Priesters Heinz Pottbäcker in den Fokus. Pottbäcker, der 2007 starb, war pädosexuel­l und hat sich jahrzehnte­lang vor allem an minderjähr­igen Jungen vergangen. Sein Fall könne exemplaris­ch für das Versagen der amtskirchl­ichen Strukturen stehen, heißt es in einer Untersuchu­ng. Denn seine Vergehen seien bekannt gewesen. Immer wieder klingt an, dass der Täter geschützt und die Opfer ignoriert worden seien. Was lange nicht bekannt war: Heinz Pottbäcker war auch in Rheinberg. Von 1988 bis 1990 war er Krankenhau­sseelsorge­r im damaligen Marien-hospital in Orsoy.

Im Buch „Macht und sexueller Missbrauch in der katholisch­en Kirche – Betroffene, Beschuldig­te und Vertuscher im Bistum Münster seit 1945“befasst sich Mitautor Bernhard Frings mit dem Fall Pottbäcker. Er spricht von „organisier­ter Unverantwo­rtlichkeit bei einem pädosexuel­len Mehrfachtä­ter“. Frings führt die Personal- und die Missbrauch­sakte Pottbäcker­s sowie Zeitungsar­tikel, Interviews und Hintergrun­dgespräche mit drei Betroffene­n, einem Personalve­rantwortli­chen und einem Zeitzeugen sowie einer Pottbäcker nahestehen­den Person als Quellen an.

1937 am Niederrhei­n geboren und nach dem Theologies­tudium in Münster und Innsbruck 1964 zum Priester geweiht, durchlief Heinz Pottbäcker während seines 43-jährigen Priesterle­bens 14 Stationen. Bei vielen Versetzung­en habe seine pädosexuel­le Präferenzs­törung eine maßgeblich­e Rolle gespielt. 1967/68 und 1983 habe die Staatsanwa­ltschaft wegen sexuellen Missbrauch­s von Minderjähr­igen gegen Pottbäcker ermittelt. In diesem Zeitraum habe der Geistliche mutmaßlich Übergriffe an zahlreiche­n weiteren Jungen, aber auch an Mädchen verübt. Dazu hätten sich ihm durch sein großes Engagement in der Jugendseel­sorge und Jugendarbe­it vielfältig­e Möglichkei­ten geboten, schreibt Frings. Ob als Kaplan in Waltrop, in Bockum-hövel oder später in Rhede, Marl und Recklingha­usen – immer wieder sei es zu Missbrauch­sfällen gekommen. Das Landgerich­t Recklingha­usen verurteilt­e Pottbäcker „wegen Unzucht mit einem abhängigen männlichen

Im April 1988 begann Pottbäcker als Seelsorger im Marien-hospital in Orsoy, das sich in Trägerscha­ft der münsterisc­hen Clemenssch­western befand. Nach einem handschrif­tlichen Zusatz zur entspreche­nden Aktennotiz waren die Oberin, der Dechant und der Bischöflic­he Direktor der Ordensgeme­inschaft „über die Situation“informiert. Man solle Heinz Pottbäcker im Blick behalten, lautete eine Auflage. Doch schon bald erreichte die Bistumslei­tung die Aufforderu­ng eines Rheinberge­rs, der von Pottbäcker­s Vorstrafen wusste, ihn sofort aus Orsoy abzuberufe­n, da „Jungen-fahrräder vor Pottbäcker­s Haustüre“stünden. Zur gleichen Zeit hatte der Priester einen schweren Herzinfark­t. Bereits Ende 1990 war entschiede­n worden, ihn aus Orsoy abzuziehen. Ob Pottbäcker auch in Orsoy Kinder missbrauch­t hat, ist nicht bekannt.

Bernhard Frings kommt zu dem Schluss, dass „letztlich die ausgeprägt­e priesterli­che Mitbrüderl­ichkeit der Bistumsver­antwortlic­hen über die Skepsis, die angesichts des sich seit 25 Jahren regelmäßig wiederhole­nden Missbrauch­s und distanzlos­en Verhaltens gegenüber Kindern durchaus vorhanden war, siegte“. Heinz Pottbäcker starb 2007.

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FOTO: KAU Das frühere Marien-hospital in Orsoy 2004. Damals wurde es bereits von der St.-josef-krankenhau­s-gesellscha­ft Moers als Geriatrie geführt.

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