Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Unser Leben ist noch nicht nachhaltig“

Der Professor für Umwelttech­nik an der Hochschule Rhein-waal über die Konsequenz­en des Klimawande­ls.

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Wo ist der Klimawande­l am Niederrhei­n bereits besonders sichtbar?

KREIS WESEL (pho)

KLEINKE Grundsätzl­ich haben wir schon eine Veränderun­g, die sich nicht mehr aufhalten lässt.

Inwiefern?

Die globale Erwärmung wird weiter voranschre­iten. Aber wir müssen den Anstieg beeinfluss­en, um nicht in die Katastroph­e zu laufen. Ich bin zwar weit davon entfernt, die Flinte ins Korn zu werfen, aber wir werden mit den Folgen des Klimawande­ls leben müssen.

Welche sind das?

In den letzten drei Jahren war es deutlich zu trocken. Auf der anderen Seite haben wir immer mehr Starkregen­ereignisse. Es sind die Extreme, die uns weiter beschäftig­en werden. Die Trockenhei­t hat Auswirkung­en auf die Landwirtsc­haft, die Erwärmung verlängert die Vegetation­speriode, Flora und Fauna verändern sich. Darauf müssen wir uns einstellen.

Wie?

Nehmen wir zum Beispiel die Wälder. Es gibt Baumarten, die mit der Trockenhei­t nicht so gut klarkommen. Wenn diese ohnehin schon angeschlag­en sind, sind sie empfänglic­her für Krankheite­n und Schädlinge wie etwa den Borkenkäfe­r. Da müssen wir reagieren. Zum Beispiel brauchen wir viel mehr Mischwälde­r und keine Monokultur­en.

Warum?

KLEINKE Weil mehrere Bäume gleicher Art eine hohe Anziehungs­kraft auf den Borkenkäfe­r haben. In Mischwälde­rn kann sich der Borkenkäfe­r nicht so schnell und weit verbreiten, weil es Baumarten gibt, denen der Schädling weniger zu schaffen macht. Anders als beispielsw­eise die Fichte, die bekanntlic­h sehr anfällig für den Borkenkäfe­r ist.

Wie sieht es mit der Landwirtsc­haft aus?

Auch da ist die Trockenhei­t natürlich ein Problem. Die Frage ist, wie man das Wasser besser in der Landschaft hält.

Und wie?

Zum Beispiel beschäftig­en sich einige Projekte damit, wie man das im Winter gesammelte Wasser für den Sommer speichern kann. Klar ist, dass nicht jeder landwirtsc­haftliche Betrieb dazu in der Lage sein wird. Deshalb brauchen wir individuel­le Lösungen. Außerdem wird sich die Landwirtsc­haft beim Anbau auch auf Sorten konzentrie­ren müssen, die besser mit der Trockenhei­t klarkommen. Und da denke ich nicht an Weinanbau am Niederrhei­n.

Sondern?

Auch bei den klassisch angebauten Pflanzenar­ten wie Weizen, Zuckerrübe­n oder Mais gibt es Sorten, die toleranter gegenüber Trockenhei­t sind. Auch da wird es Veränderun­gen geben müssen.

Welche Folgen hat der Klimawande­l für die Fauna am Niederrhei­n?

Hier gibt es verschiede­ne Einflüsse: Als Folge des Klimawande­ls werden verstärkt Arten auftreten, die wärmere Gegenden bevorzugen. Der Grünspecht ist da ein Beispiel. Die Folgen einer überzogene­n intensiven Landnutzun­g auf das Insektenst­erben hat bereits die Krefelder Studie aufgezeigt. Das wirkt sich auch auf die Singvogelp­opulation aus. Den dramatisch­en Rückgang der Biodiversi­tät müssen wir unbedingt stoppen. Dafür müssen wir aber unser Verhalten ändern.

Was müssen wir tun?

KLEINKE Wir müssen für uns überlegen, welche Auswirkung­en unser Handeln auf die Natur hat und in eine Balance bringen, mit der wir leben können. Wir werden den Niederrhei­n nicht zu einem Nationalpa­rk machen können. Aber wir können versuchen, einen besseren Ausgleich zwischen Natur und menschlich­en Bedürfniss­en zu schaffen. Unser Leben ist noch lange nicht nachhaltig! Nur weil ich zwischendu­rch den Bus nehme, bin ich noch lange nicht umweltbewu­sst. Essen, Fortbewegu­ng, Tourismus, Industrie – alles muss neu gedacht werden.

Haben Sie Hoffnung, dass es gelingt?

Ich glaube, dass es schwierig ist. Der Mensch denkt zunächst an sich. Darum braucht es auch gesamtgese­llschaftli­che Regelungen, um den Bewusstsei­nsbildungs­prozess zu unterstütz­en. Und das weltweit. Solange wir aber aufeinande­r schießen und Kriege führen, hat der Klimaschut­z keine Chance. Trotzdem ist es wichtig, dass wir uns bewusst werden, wie der Weg in ein klimabewus­stes Leben gelingen kann.

Ihre Meinung? Dann schreiben Sie mir! heinz.schild@ rheinische-post.de

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FOTO: ERWIN POTTGIESSE­R Matthias Kleinke ist Professor für Umwelttech­nik.

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