Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Imau Kopf nur ein wattiges Nichts

Ein Magdeburge­r „Polizeiruf “ist der letzte Fall vor der Sommerpaus­e. Ein gutes Psychodram­a.

- VON MARTINA STÖCKER

Als Hauptkommi­ssarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) am Tatort eintrifft, sagt ihr der Kollege direkt voraus: „Das dauert eine Woche.“Länger nicht. Alles scheint klar: Adam Dahl (Eloi Christ) ist mit Blut verschmier­t und hat mit einem Notfallham­mer Christof Oschmann erschlagen, nachdem der sich zu Adam und seinem Freund ins Abteil was gesetzt hat. In der Befragung gibt der junge Mann die Tat auch zu. „Aber Sie wissen nicht, warum?“, fragt Brasch. „Ich kann mich nicht erinnern. Irgendwas stimmt nicht“, antwortet Adam. „Da ist ein Loch in meinem Kopf.“Watte, Nichts. Er verschwind­e langsam, befürchtet er.

Brasch genügt es im „Polizeiruf“Fall „Black Box“nicht, den Verantwort­lichen für die Bluttat gefunden zu haben, sie will verstehen, was und warum es passiert ist. Erst recht, als Adams Eltern, ein Ex-lka-direktor und eine renommiert­e Psychologi­n, ihr Druck machen, weil Adam angeblich in Notwehr gehandelt habe. Das solle sie beweisen. Doch die Kommissari­n, die selbst nach einer Attacke auf sie unter psychische­n Problemen leidet, glaubt, dass Adam ein Trauma verdrängt hat und das in dem Zugabteil hervorgebr­ochen ist.

Es ist großartig zu sehen, wie Claudia Michelsen diese gemarterte Ermittleri­n spielt, wie sie wechselt zwischen tiefster Verzweiflu­ng und vermeintli­ch abgeklärte­r Profession­alität. Immer wieder baut Regisseuri­n Ute Wieland Szenen aus dem Fall„der Verurteilt­e“(2020) ein, in dem ein mörderisch­es Paar Brasch am Ende in seine Gewalt gebracht hat. Seitdem schläft diese auf dem Boden, kann geschlosse­ne Türen nicht ertragen und steht kurz vor dem Zusammenbr­uch. Zu Beginn des neuen Falls muss sie gegen ihre Peiniger vor Gericht aussagen. Und auch die stressresi­stente Kommissari­n muss einräumen, dass sie Erinnerung­slücken an die Tat hat, bei der sie das Opfer war. Vielleicht wegen dieser inneren Verbindung bauen Adam und sein Freund Tomi Vertrauen zu ihr auf.

Adam unterzieht sich sogar einer Hypnose. Tomi, der Zeuge der tödlichen Attacke wurde, schildert, dass Adam währenddes­sen „Kaspar“gerufen und Todesangst verspürt habe. Der Verdächtig­e malt Zäune, auf Hunderte von Papierblät­tern.

Was haben sie zu bedeuten? Die Ermittleri­n, der ihr Vorgesetzt­er Uwe Lemp (Felix Vörtler) im Nacken sitzt, taucht in die Vergangenh­eit der Familie ein. Adams Eltern torpediere­n alles, was die Polizistin vorhat. Diese stößt am früheren Wohnort der Dahls auf eine tote Prostituie­rte und eine Kinderleic­he, die vor Jahren gefunden wurde und immer noch nicht identifizi­ert ist. Sie spürt: Der Schlüssel zu diesem Fall liegt in der Geschichte der Familie.

„Black Box“ist ein doppeltes Psychodram­a, Michelsen und Eloi Christ als Adam-darsteller überzeugen, Drehbuch und Inszenieru­ng halten die Spannung bis zum Schluss. Mit diesem „Polizeiruf“verabschie­det sich der Sonntagskr­imi im Ersten in die Sommerpaus­e. Die Zeit ohne neue Krimis dauert dann etwa acht Wochen – bis Ende August. Durch die Fußball-wm in Katar Ende des Jahres wird es dann aber auch eine Art Winterpaus­e geben. Erst 2023 gibt es ein Wiedersehe­n mit den Teams aus Bremen, Kiel, Saarbrücke­n und Franken sowie mit den Ermittlern Falke und Grosz (NDR). Auch Dortmund ist mit dem ersten Fall nach dem Ausscheide­n der Schauspiel­erin Anna Schudt alias Martina Bönisch erst im kommenden Jahr zu sehen.

„Polizeiruf 110 – Black Box“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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FOTO: DPA Adam Dahl (Eloi Christ) und Doreen Brasch (Claudia Michelsen) müssen in der Vergangenh­eit wühlen, um zu erfahren, warum der junge Mann einen Menschen getötet hat.

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