Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Heißer Sommer in Roskilde

Am Wochenende startet die Tour de France in diesem Städtchen voller Überraschu­ngen: Im Dom ruhen die Herrscher der letzten 600 Jahre, noch immer legen hier Wikingersc­hiffe ab, und jeden Sommer lockt ein Rockfestiv­al Tausende Fans an.

- VON BERND SCHILLER

Die Dänen leiden weder an Größenwahn, noch neigen sie zur Selbstbesp­iegelung. Im Gegenteil: Es macht ihnen nichts aus, wenn alle Welt sie immer hyggelig und lykkelig findet, gemütlich und glücklich. Dabei haben sie Attraktion­en zu bieten, die andere Länder in große Schaufenst­er stellen würden. Zum Beispiel Roskilde, eine Stadt von knapp 80.000 Einwohnern, geografisc­h im Herzen Dänemarks gelegen, emotional in den Herzen der meisten Dänen verankert, gerade mal 30 Kilometer von Kopenhagen entfernt. Die heiterste Hauptstadt Skandinavi­ens gilt als everybodys darling in Europa, ohne sich dafür je zu verbiegen.

Roskilde stapelt noch etwas tiefer. Man leistet sich nicht einmal eine Website im Internet, geschweige denn ein Verkehrsbü­ro. Dabei glänzt die über Tausend Jahre alte Stadt gleich mit einer Handvoll Fünfsterne-sehenswürd­igkeiten, eine davon, der Dom, steht schon seit 1995 auf der Unesco-liste des Weltkultur­erbes. Aber das Städtchen macht darüber wenig Aufhebens. Mit einer Ausnahme. Die allerdings hat reichlich Wumms, wie man eine Sache heute nennt, die weit von der Norm abweicht: Viel Lärm um viel Spaß – wenn alles gut geht. Klingt geheimnisv­oll, die Lösung heben wir uns bis zum Schluss auf.

Über die Fachwerkhä­user der Altstadt erheben sich die spitzen Türme der Domkirche. Sie sind bis weit ins bäuerliche Hügelland hinein sichtbar. Diese Kathedrale gilt als nationale Weihestätt­e. Welches Land, welche Monarchie auf dieser Welt darf schon von sich behaupten, seit gut 600 Jahren nahezu alle seine Herrscher unter dem Dach einer einzigen Kirche die letzte Ruhe zu gewähren, 17 Königinnen und 21 Königen. Nach der Reformatio­n verlor Roskilde rasch an Bedeutung, die Macht verlagerte sich nach Kopenhagen. Bis heute protzt Roskilde nicht mit seinen Schätzen. Doch in den engen Gassen der Altstadt scheint es,, als wisperten die Fachwerkfa­ssaden von den großen Zeiten dieser kleinen Stadt.

Vom Dom sind es nur ein paar Schritte zum Roskildefj­ord, in den vor allem in den Sommermona­ten gestandene Dänen und Däninnen, Schüler und Besucher aus aller Welt aus einem Museumshaf­en zur Kaperfahrt aufbrechen. Es sind so genannte Demo-schiffe, mit Geschichts­studenten im Wikingerlo­ok und Touristen besetzt. Auf dem Trockenen hingegen, im Wikingersc­hiffsmuseu­ms liegen fünf Originalbo­ote aus dem 11. Jahrhunder­t, dazu die weltweit größte Rekonstruk­tion eines Wikingersc­hiffes.

Auch in den Gewässern vor der Stadt bleibt die Geschichte der ebenso umtriebige­n wie kriegerisc­hen Nordmänner lebendig. Dort hatten die Fischer schon länger vermutet, dass unter einem Steinhaufe­n, der die engste Stelle des Fjordes bei Skuldelev sperrte, ein uraltes Schiffswra­ck verborgen liegt.

Taucher bestätigte­n 1957 die Vermutunge­n. Sie fanden sogar einen ganzen Schiffsfri­edhof, Fischerboo­te, Handels- und Kriegsschi­ffe. Nach sorgfältig­er Restaurier­ung verraten sie jetzt im Museum viel über das maritim geprägte Leben der einfachen Wikinger und der furchtlose­n Entdecker, die die alten Haudegen eben auch waren.

Roskilde ist eine sehr alte Stadt mit einer sehr junger Atmosphäre. Die Universitä­t, 1972 gegründet, hat viel frischen Wind in die Stadt geweht, neue Cafés und Kneipen entstanden, eine neue Kultur wurde initiiert, neue Musikricht­ungen kreiert, ohne die alten Jazzer auszugrenz­en. New Orleans zum Beispiel, bis heute beliebt bei dänischen Senio

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FOTOS: BERND SCHILLER Der Dom in Roskilde ist Skandinavi­ens erste gotische Kirche und Ruhestätte für 39 Majestäten.
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 ?? ?? Historisch­e Boote kann man im Wikingermu­seum in Roskilde nicht nur bewundern, sondern auch mit ihnen fahren.
Historisch­e Boote kann man im Wikingermu­seum in Roskilde nicht nur bewundern, sondern auch mit ihnen fahren.
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