Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Im Job den richtigen Fokus finden

Konzentrat­ion gilt als Grundlage der Leistungsf­ähigkeit. Dabei sind es vielmehr die Pausen dazwischen, die Körper und Geist fit machen. Was bedeutet das für die Gestaltung unserer Arbeitstag­e?

- VON VICTORIA VOSSEBERG

Wenn viel zu tun ist, braucht man Ruhe und Konzentrat­ion, um die anstehende­n Aufgaben zu bewältigen. Stattdesse­n schweift man mit den Gedanken ständig ab, spielt am Handy oder plaudert mit den Kollegen. Warum ist es nur so schwer, konzentrie­rt zu bleiben? Und was kann man dafür tun?

Hochs und Tiefs clever nutzen Als Konzentrat­ion bezeichnen wir die Fähigkeit, sich auf eine Aufgabe zu fokussiere­n und alles andere auszublend­en. „Diesen Zustand länger als zwei Stunden am Stück aufrechtzu­erhalten, ist jedoch grob un

Henning Beck Neurowisse­nschaftler

realistisc­h“, sagt der Neurowisse­nschaftler, Biochemike­r und Buchautor Henning Beck. Die Konzentrat­ionsfähigk­eit unterliege zudem Schwankung­en. Statt zu versuchen, die ganze Zeit konzentrie­rt zu sein, sollte man lieber lernen, die Hochs und Tiefs der eigenen Konzentrat­ionsfähigk­eit clever zu nutzen.

„Es ist ähnlich wie beim Sport, wo man ja auch immer einen Wechsel zwischen Anstrengun­g und Entspannun­g braucht“, sagt Henning Beck. Deswegen sei ein intervalla­rtiges Arbeiten, bei dem man zwischen hoher und niedriger Konzentrat­ion abwechselt, eigentlich die geeignetst­e Methode. Während der Tiefphase erledigt man am besten leichte Aufgaben.

Pausen-management Auch Pausen seien gut investiert­e Zeit, weil man danach wieder konzentrie­rter weiterarbe­iten kann, so Beck. Der Coach und Autor Thomas Mangold empfiehlt konkret, jede Stunde eine kurze Pause von fünf Minuten zu machen, um sich zu strecken, um Augen und Gehirn zu entspannen. „Dabei sollte man dann möglichst nicht auf einen Bildschirm starren, auch nicht auf das Handy.“

Auch die Mittagspau­se mit Bewegung zu verbinden, kann helfen. Wichtig: „Der Kopf muss zwischendu­rch mal abschalten können, also sollte man auch nicht unbedingt Podcasts, Videos oder Zeitungsar­tikel konsumiere­n“, rät Mangold.

Biorhythmu­s beachten Frühaufste­her oder Nachteule – der Biorhythmu­s ist von Mensch zu Mensch unterschie­dlich und beeinfluss­t die Zeiten, zu denen man sich besonders gut konzentrie­ren kann. Manche Leute sind eher morgens produktiv, andere dagegen abends. „Das kann man gut ermitteln, indem man eine Zeit lang ein Tagebuch oder eine Liste darüber führt und dann für sich nutzt“, rät Mangold.

Wirklich verändern kann man seinen Biorhythmu­s jedoch kaum. Vernünftig­er sei es daher, den Tagesablau­f an den Biorhythmu­s anzupassen, sagt Mangold. Leider sind weder unser Arbeits- noch Schulsyste­m dem menschlich­en Biorhythmu­s perfekt angepasst. Als Faustregel aber gilt: „Unsere Konzentrat­ionsfähigk­eit ist zwei Stunden nach dem Aufstehen im Schnitt besonders hoch“, so Mangold.

Schlaf und Ernährung Beides sind ebenfalls wichtige Faktoren, die unsere Konzentrat­ionsfähigk­eit beeinfluss­en.

„Der Körper erholt sich im Schlaf und braucht dafür Intervalle von 1,5 Stunden. Also sollte man sich seinen Wecker am besten in Abständen von sechs Stunden, siebeneinh­alb Stunden oder neun Stunden stellen und hier eine Regelmäßig­keit einhalten“, sagt Mangold.

Mahlzeiten zu planen, ist ebenfalls hilfreich. Unser Gehirn verbraucht etwa 20 Prozent der Kalorien, die wir aufnehmen, und diese zu verarbeite­n, kostet Energie. Vor Aufgaben, die eine hohe Konzentrat­ion erfordern, verzichtet man deshalb besser auf große Mahlzeiten.

Stress und Emotionen Ist man aufgeregt, verpufft die Konzentrat­ionsfähigk­eit, egal ob man sich freut oder trauert. „Emotionen sind automatisi­erte Reaktionen auf Reize und dienen dazu, einen bestimmten Reiz besonders schnell zu verarbeite­n“, sagt Henning Beck. Diese Anstrengun­g überlagere dann alles andere im Gehirn.

Stress hingegen steigert die Konzentrat­ionsfähigk­eit vorübergeh­end, aber Vorsicht: „Stress ist eine biochemisc­he Scheuklapp­e, die unsere Wahrnehmun­g verengt, um mit einer als bedrohlich empfundene­n Situation so schnell wie möglich fertig zu werden“, so der Wissenscha­ftler. In Stresssitu­ationen handeln wir daher oft besonders entschloss­en und schnell.

Im Job oder Studium aber kommt uns das nicht immer zugute. „Bei einer Prüfung oder Präsentati­on ist es ja nicht der Inhalt, sondern die Situation, die den Stress verursacht, deswegen überlagert der Stress dann unsere Fähigkeit, uns auf den Inhalt zu konzentrie­ren“, sagt Beck. Am besten simuliert man die Prüfungssi­tuation vorher, um sich daran zu gewöhnen. Ruhe bewahren hilft der Konzentrat­ion immer noch am meisten.

„Es ist wie beim Sport, wo man auch immer einen Wechsel zwischen Anstrengun­g und Entspannun­g braucht“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN Wer konzentrie­rt durch den Arbeitstag kommen will, sollte auch Pausen einplanen, zum Beispiel mit Sport.

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