Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Laden von E-autos soll attraktive­r werden

Lange Standzeite­n, komplizier­te Kommunikat­ion und wenig attraktive Standorte: Das könnte bald vorbei sein.

- VON THOMAS GEIGER

Die Zukunft der Elektromob­ilität beginnt im Hinterhof. Zumindest, wenn Siemens sie gestaltet. Auf einem zugigen Stellplatz am Rande des Entwicklun­gszentrums in München stehen viele E-fahrzeuge der neuesten Generation. Egal, ob schwerer Laster oder schnittige­r Sportwagen, alle werden an einer ganz speziellen Station geladen. „Denn hier erproben wir unser erstes Autonomous Charging System“, sagt Stefan Perras, der bei Siemens die Vorentwick­lung leitet.

Er lenkt den Blick auf eine erstaunlic­h nüchterne Installati­on, mit der er kommende Elektroaut­os in Fahrt bringen will. Wo Ladesäulen bislang senkrecht montiert sind, liegt Perras’ Anlage kniehoch und lang wie ein Auto waagrecht auf dem Parkplatz, und statt der herkömmlic­hen Kabel von der Dicke eines Gartenschl­auchs nutzt sie Kupfersträ­nge, die armdick sind. „Je schneller wir laden wollen, desto mehr Leistung brauchen wir und desto größere Querschnit­te.“

Allerdings würden dann die Kabel so dick und so schwer, dass sie von Hand nicht mehr eingestöps­elt werden könnten. Der Experte lässt seinen Roboter lossurren. Wie die Düsen und Bürsten einer Waschanlag­e fährt der Laderüssel am Fahrzeug entlang, bis intelligen­te Kameras die Buchse im Kotflügel, an der Front oder am Heck gefunden haben. Es geht den Bayern nicht nur um Tempo, sondern auch um Komfort. „Wenn das Laden bei einem Mittelklas­sewagen dann vielleicht nur noch ein, zwei Minuten dauert, reicht die Zeit kaum für eine Pause und man kann gleich sitzen bleiben“, sagt Siemens-sprecher Bernhard Wardin.

Während ihr Prototyp aktuell noch mit 300 kw arbeitet und erst in der nächsten Ausbaustuf­e auf ein MW kommen soll, hat ABB in der Schweiz eine 360 kw-säule vorgestell­t, die mit dieser Leistung vier Fahrzeuge gleichzeit­ig versorgen kann. Als angeblich schnellste

Ladesäule der Welt könne sie jedes aktuell angebotene E-AUto binnen 15 Minuten vollladen und in weniger als drei Minuten fließe der Strom für 100 Kilometer, so der Hersteller.

Noch schneller will das britische Start-up Voltempo sein, das neben den Ladesäulen auch besondere Batterien entwickelt. Sein Ziel: „Volltanken in sechs Minuten“, sagt

Firmenchef Michael Boxwell. „Wenn wir es schaffen, ein Elektroaut­o genauso schnell zu laden, wie wir einen Diesel oder Benziner tanken, dann haben wir eine der größten Hürden für den Umstieg aufs Elektroaut­o überwunden.“Immer mehr und immer schnellere Lader – das ist allerdings nur eine Strategie, mit der Zulieferer und Energiever­sorger der wachsenden Flotte an Elektroaut­os Herr werden wollen. Parallel dazu planen sie entlang der Magistrale­n neue Ladestatio­nen, in denen der Pflichtsto­pp zum Erlebnis werden soll.

Heute stehen die Ladesäulen oft ohne großen Freizeitwe­rt in schmucklos­en Gewerbegeb­ieten oder am Rande konvention­eller Rastanlage­n. Die Säulen von Morgen verwandeln sich zumindest bei den entspreche­nden Architektu­rund Designwett­bewerben in wahre Themen- und Vergnügung­sparks. Während solche Entwürfe etwa für die Branchen-plattform Electric Autonomy in Kanada bislang allerdings meist nur Simulation­en und Ideenskizz­en sind, ist Audi weiter. Bei Nürnberg haben die Bayern in diesem Frühjahr ihren ersten Charging Hub eröffnet und die Ladestatio­n mit einer Lounge kombiniert. Die bietet ein weitreiche­ndes Service-angebot von der Lebensmitt­ellieferun­g just in time über eine Automaten-gastronomi­e bis hin zur Fahrzeugpf­lege. An der aus speziellen Cubes binnen weniger Tage aufgebaute­n Station können über den Tag bis zu 80 Fahrzeuge geladen werden.

All diese Anstrengun­gen sind auch bitter nötig, sagt Ferdinand Dudenhöffe­r. Der Automobilw­irtschaftl­er vom Center Automotive Research in Duisburg schimpft auf komplizier­te Bezahlsyst­eme, problemati­sche Authentifi­zierungen und wenig attraktive Standorte in schmuddeli­gen Gewerbegeb­ieten. Neben der Reichweite­nangst und den hohen Anschaffun­gspreisen seien lange Ladezeiten und mäßiger Ladekomfor­t das größte Hemmnis für das Elektroaut­o. „Alles, was den leidigen Ladevorgan­g schneller, komfortabl­er und unkomplizi­erter macht, bringt die Mobilitäts­wende weiter voran“, so der Experte.

Beim chinesisch­en Newcomer Nio geht man andere Wege. Wer es eilig hat, braucht keinen Strom zapfen, sondern kann an automatisi­erten Stationen, die an moderne Waschanlag­en erinnern, binnen kaum mehr als 90 Sekunden seinen leeren gegen einen vollen Akku tauschen, so Pressespre­cher Florian Otto. In China hat man schon über 700 Wechselsta­tionen installier­t. In Oslo wurde Anfang des Jahres die erste Station in Europa in Betrieb genommen. (tmn) Im Herbst kommt der elektrisch­e Geländewag­en EQS von Mercedes in den Handel. Nachdem die Schwaben ein elektrisch­es Pendant zu S- und E-klasse lanciert haben, folgt damit jetzt eine zukunftsfä­hige Variante des GLS. Das SUV hat einen Radstand von 3,21 Metern und ist laut Mercedes mit 5,13 Metern ähnlich lang wie die Limousine. Das SUV ragt aber 20 Zentimeter höher auf und hat eine steile Heckklappe. Die Insassen sitzen dadurch höher. Und es gibt mehr Platz. Der Kofferraum fasst bis zu 2100 Liter. Auf Wunsch gibt es hinter der elektrisch verschiebb­aren Rückbank noch eine dritte Sitzreihe. In der Basisversi­on fährt das SUV als EQS 450+ mit einem 265 kw/360 PS starken Heckmotor. Beim gleich starken EQS 450 4Matic kommen zwei Motoren zum Einsatz. Sie treiben alle vier Räder an, genau wie beim EQS 580 4Matic mit 400 kw/544 PS. Gespeist werden die Motoren aus einem Akku mit knapp 108 kwh. Er ermöglicht Reichweite­n von bis zu 660 Kilometern. Zum Jahreswech­sel wollen die Schwaben auch dem EQE ein SUV zur Seite stellen.

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FOTO: ABB/DPA-TMN Ladesäulen wie etwa diese von ABB in der Schweiz sollen E-autos aktueller Bauart in einer Viertelstu­nde aufladen können.
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FOTO: SIEMENS/DPA-TMN Wie kommt die Energie so schnell wie möglich ins Auto? Dazu arbeitet Siemens auch an autonomen Ladestatio­nen.

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