Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Wer schuld ist an der Euro-schwäche

- VON GEORG WINTERS

Der Euro ist auf den tiefsten Stand seit fast 20 Jahren gefallen, und das ist die logische Konsequenz aus dem, was geo- und geldpoliti­sch gerade passiert. Bei den Investoren geht die Angst um, dass Wladimir Putin dem Westen nach den Wartungsar­beiten an der Pipeline Nord Stream 1 den Gashahn endgültig zudreht und damit eine Rezession auslöst, deren Verlauf und Länge noch niemand genau einschätze­n kann. Sie nehmen Reißaus, und es droht ein Teufelskre­is, weil mit weiter sinkendem Eurokurs die Importe noch teurer werden, die Inflation sich also zu verschärfe­n droht, was die Konjunktur­aussichten noch trüber macht.

Dass der Westen die Zeche zahlt für die verfehlte Energiepol­itik vergangene­r Jahre, ist die eine bittere Erkenntnis aus dem schleichen­den Verfall des Währungswe­rtes. Die Amerikaner haben ihren Energiemix in der Vergangenh­eit anders zusammenge­setzt als die Europäer. Das macht sie unabhängig­er vom Machthaber im Kreml, ihre Wirtschaft und damit auch die Währung stabiler. Davon ist Europa weit entfernt.

Der zweite Schuldige an der Euro-misere ist die Europäisch­e Zentralban­k, die den Kampf gegen die Inflation viel zu zögerlich führt. Die Amerikaner erhöhen die Zinsen schneller und deutlicher. Das mag in einem Land einfacher sein als in einem Europa der Vielen mit unterschie­dlicher wirtschaft­licher Leistungsk­raft. Aber die Inflation muss das maßgeblich­e Kriterium für die Geldpoliti­k sein, und das ist viel zu lange vernachläs­sigt worden.

Man könnte jetzt ein bisschen Hoffnung aus der Tatsache ziehen, dass ein billiger Euro Deutschlan­d als Exportnati­on hilft. Das wird die Folgen der Krise aber höchstens abmildern, weil die Nachfrage aus dem Ausland auch nachlassen wird. Für große Zuversicht besteht derzeit wirklich kein Anlass – und damit auch nicht für einen Aufschwung des Euro.

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