Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Front gegen Rishi Sunak
Der ehemalige britische Finanzminister hat eigentlich die besten Karten, nächster Premierminister zu werden. Doch die Zahl der innerparteilichen Gegner ist groß, und der Kampf in den Reihen der Konservativen schon jetzt schmutzig.
Noch gut zwei Monate wird Boris Johnson im Amt des britischen Premierministers verbleiben, bis ein Nachfolger gefunden ist. Das zuständige Hinterbänklerkomitee der Konservativen Partei legte jetzt die Regeln und den Fahrplan für den Kampf um den Vorsitz fest. Danach soll ein neuer Chef oder eine neue Vorsitzende bis 5. September, wenn das Parlament aus der Sommerpause zurückkehrt, ermittelt worden sein. Ein erster Wahlgang wird an diesem Mittwoch stattfinden.
Man hat die Latte bewusst hoch gelegt. Mindestens 20 Nominierungen von Fraktionskollegen mussten die Bewerber mitbringen. Im Rennen um die Johnson-nachfolge befinden sich an diesem Mittwoch noch acht Kandidaten. Nur die verbliebenen Bewerber hätten genügend Nominierungen erhalten, um an der geplanten Abstimmung teilzunehmen, teilte der Parteiausschuss am Dienstagabend mit. Zu den Kandidierenden zählten unter anderen Außenministerin Liz Truss und der amtierende Schatzkanzler Nadhim Zahawi. Der ehemalige Gesundheits- und Finanzminister Sajid Javid habe indes seine Kandidatur zurückgezogen. Truss gilt als Favoritin der konservativen Basis.
Nach der Rücktrittsankündigung von Premierminister Boris Johnson vergangene Woche hatte sich jedoch schnell ein anderer Favorit herauskristallisiert: Es ist der Ex-finanzminister Rishi Sunak, der mit Abstand die meisten, nämlich 41 Nominierungen im Rücken hat. „Alle gegen Rishi“lautete der Schlachtruf, und der innerparteiliche Kampf wurde schnell schmutzig. Johnson-alliierte wie der Brexit-minister Jacob ReesMogg ließen verlauten, dass Sunak kein guter Finanzminister gewesen sei, und der Erziehungsstaatsminister James Cleverly griff Sunak am Dienstag in der „Times“offen an: Er habe das vergangene Jahr damit verbracht, eine Verschwörung für Johnsons Abgang zu planen. Und außerdem sei seine Wirtschaftspolitik sozialistisch.
Sunak ist der einzige Kandidat, der keine sofortigen Steuersenkungen versprechen will. Alle anderen scheinen sich gegenseitig darin zu ralstaatsanwältin Suella Braverman, war die allererste, die ihre Kandidatur bekannt gab, und gilt als starke Befürworterin des Brexit. Priti Patel, die Innenministerin, spielte ebenfalls eine prominente Rolle während des Brexit-referendums, während die Außenministerin Liz Truss zuerst für den Verbleib in der EU stimmte, bevor sie später zur Hardlinerin mutierte. Sollte sich das Brexit-lager der Konservativen nicht auf eine Bannerträgerin einigen, droht eine Zersplitterung der Stimmen, und eine weitere Frau könnte das Rennen machen: die Handels-staatsministerin Penny Mordaunt, die recht schnell 25 Nominierungen sammeln konnte.
Am Dienstag gab es Spekulationen, dass Boris Johnson ein Comeback plant. Die „Times“zitierte Freunde des Noch-premiers, die sagten, dass „ein Drittel der Fraktion ihm gegenüber loyal ist“und er im Falle eines Scheiterns seines Nachfolgers erneut zur Verfügung stünde. Die Opposition dagegen ist entsetzt, dass Johnson noch weitere acht Wochen im Amt bleiben könnte, und will seinen Abgang beschleunigen. Die Labour-partei kündigte am Dienstag an, einen Misstrauensantrag gegen die Regierung einzubringen. Konservative Abgeordnete wurden aufgefordert, mit Labour zu stimmen – eine geschickte Taktik, die konservative Fraktion dazu zu zwingen, sich um den diskreditierten Premier scharen zu müssen. Im nächsten Wahlkampf können sie dies dann ausschlachten.