Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Synagoge soll Parkplätzen weichen
Ein von der rechten Szene frequentierter Strafverteidiger will eine der ältesten Synagogen Norddeutschlands abreißen lassen. Die Stadt versucht vergeblich, ihm das Gebäude abzukaufen. Nun erreicht der Fall die Landesregierung.
Ein altes, vom Verfall bedrohtes Fachwerkhaus im Herzen Detmolds erregt derzeit die Gemüter der Stadtgesellschaft – und nun auch der Landespolitik. Das seit Ende der 80er-jahre leer stehende Gebäude steht unter Denkmalschutz. Sein Eigentümer, Hendrik Schnelle, ein Strafverteidiger, der in der Vergangenheit bekannte Rechtsextreme – darunter eine Kontaktperson zur Nsu-terroristin Beate Zschäpe – verteidigt hatte, will das Gebäude abreißen und an dessen Stelle Parkplätze errichten lassen. Pikant daran: Im Jahr 2011 kam ein Bauforschungsgutachten zu dem Ergebnis, dass das Gebäude im Jahr 1633 errichtet wurde und über mehr als 100 Jahre als Betsaal/ Synagoge der jüdischen Gemeinde Detmolds diente. Damit handelt es sich um eine der ältesten Synagogen Norddeutschlands.
Die Stadt Detmold hat bislang vergeblich versucht, dem Anwalt das Gebäude abzukaufen. Der wiederum hat in mehreren Gerichtsverfahren bislang vergeblich versucht, den Denkmalschutzstatus des zunehmend verfallenden Gebäudes aufzuheben. Derzeit läuft noch nach Angaben der Stadt ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster.
Schnelle erklärte gegenüber unserer Redaktion, er halte weiter an den Plänen fest, das Haus abzureißen und dort Parkplätze zu errichten. Gespräche mit der Stadt über deren Kaufinteresse gebe es nicht. Auf die Frage, wie er einen möglichen Imageschaden bewerte, den ein Abriss vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und der damit einhergehenden Verantwortung hervorrufen könnte, schrieb er lediglich: „Alberne Fragen beantworte ich nicht.“Die Zuschreibung, er tummle sich seit mindestens 20 Jahren in der rechten Szene, bezeichnete er als objektiv falsch.
Schnelle verwies darauf, er stünde Plänen der Jüdischen Gemeinde Herford-detmold, das Haus in ein kleines Museum umzuwandeln, positiv gegenüber und erklärte sich bereit, das Gebäude zu vermieten, macht allerdings zur Voraussetzung, dass die Jüdische Gemeinde die Sanierungskosten von mindestens 400.000 Euro übernehmen müsse. Zudem verwies er auf eine im Mai bei einer Sitzung des Verwaltungsgerichts Minden geäußerten Vorschlag des Gerichts, das Gebäude zu translozieren – also das Gebäude zu versetzen. „Falls es Ihnen gelingt, die Stadt Detmold für die Versetzung des Denkmals an einen anderen Standort zu gewinnen, können Sie das Gebäude hier gerne abholen lassen“, schreibt Schnelle an den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde.
Inzwischen hat der Fall auf Druck von Interessenorganisationen die Staatskanzlei in Düsseldorf erreicht. So hat sich das Tikvah-institut, eine Forschungseinrichtung, die sich thematisch insbesondere mit dem Thema Antisemitismus auseinandersetzt, mit dringlichen Schreiben an die Bezirksregierung Detmold und an Nrw-ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gewandt. Darin fordert der TikvahGeschäftsführer und langjährige Grünen-bundestagsabgeordnete Volker Beck unter anderem die Prüfung einer Enteignung des Rechtsanwalts.
„Der Eigentümer will allem Anschein nach wegen seiner Sympathien für rechte Ideologien dieses Zeugnis jüdischen Lebens auslöschen“, schreibt Beck in dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt: „Das darf man nicht zulassen. Bitte weisen Sie die oberste Denkmalbehörde an, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um einen Abriss zu verhindern und die Enteignung des Gebäudes des Herrn Schnelle einzuleiten.“Beck verweist darauf, dass es bereits Beispiele für Enteignungen aus Gründen des Denkmalschutzes gebe: „Das Alter des Baues und seine historische Bedeutung sollten hinreichen, um mithilfe des Denkmalschutzes das Gebäude zu erhalten und für eine angemessene Nutzung zu sichern.“
Ein Sprecher erklärte: „Der Landesregierung ist der Sachverhalt grundsätzlich bekannt, in der Staatskanzlei ist ein entsprechendes Schreiben eingegangen.“Dessen Bearbeitung und die Prüfung des Sachverhalts erfolge durch die zuständigen Stellen.
Der Vorsitzende des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-lippe, Zwi Rappoport, sieht allerdings nicht nur das Land am Zug: „Meines Erachtens muss sich die Detmolder Stadtgesellschaft fragen, wie sie weiterhin mit der jüdischen Geschichte ihrer Stadt umgehen will. Wenn es sich bei dem zerfallenden Fachwerkhaus in der Bruchmauerstraße um eine der ältesten Synagogen in Norddeutschland handelt und dies seit Langem bekannt ist, spricht der jetzige marode Zustand des Gebäudes für ein jahrzehntelanges Desinteresse an den Spuren jüdischer Kultur in Detmold.“Da das Gebäude denkmalgeschützt sei, müsste die Stadt bei entsprechendem politischen Willen gemeinsam mit einer engagierten Bürgerschaft den Erhalt des Gebäudes durchsetzen können.