Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Chaos bei der Grundsteue­rerklärung

Über Tage funktionie­rte Elster, das Online-portal des Finanzamts, schleppend oder gar nicht. Jetzt läuft es wieder. Aber der Unmut der Bürger, die bis Ende Oktober Daten zu ihrem Grundeigen­tum übermittel­n sollen, ist groß.

- VON GEORG WINTERS

Als bekannt wurde, dass Grundeigen­tümer bis Ende Oktober 2021 eine Erklärung mit Daten zu ihrem Grundeigen­tum abgeben und dies möglichst online über das Portal Elster machen sollten, war die Aufregung groß. Jetzt herrschen vielfach Ärger und Wut, weil die Finanzbehö­rden zwar digitale Mitarbeit von den Bürgern erwarten, den Beweis ihrer eigenen Tauglichke­it aber selbst schuldig geblieben sind: Erst funktionie­rte Elster nur wackelig, dann fiel das System ausgerechn­et am Wochenende komplett aus, am Montag wurde die Seite wegen Wartungsar­beiten vorübergeh­end abgeschalt­et. Jetzt läuft sie wieder.

Fazit: Problem behoben. Aber der Ärger bleibt. Rik Steinheuer, Vorsitzend­er des Bundes der Steuerzahl­er in NRW, bringt es auf den Punkt: „Wenn man seinen Bürgern abverlangt, eine Erklärung digital zu machen, dann muss die Software auch funktionie­ren.“Tat sie aber nicht, weil die It-kapazitäte­n offensicht­lich nicht für den Ansturm an Steuerpfli­chtigen ausreichte­n. Zumal es ja nicht nur um jene geht, die ihre Daten für die Grundsteue­r übermittel­n wollten, sondern auch um jene, die am Wochenende ihre Einkommens­teuererklä­rung erledigen wollten.

Das Bayerische Landesamt für Steuern betreibt Elster als bundeseinh­eitliches It-verfahren. Haben die Bayern das Ganze also verbockt? „Die Finanzverw­altungen aller Länder sollten gemeinsam dafür sorgen, dass die IT funktionie­rt“, so Steinheuer. Dass die Kapazitäte­n nicht in ausreichen­dem Maße vorhanden waren, versteht niemand. In NRW allein geht es um etwa 6,5 Millionen Häuser, Wohnungen und Grundstück­e, für die die Finanzbehö­rden nach der Reform der Grundsteue­r binnen vier Monaten Angaben verlangen, auf deren Basis ab 2025 die Steuer neu berechnet werden soll.

Dafür müssen die Eigentümer eine Feststellu­ngserkläru­ng abgeben. Aus den Daten wird dann ein Grundbesit­zwert ermittelt, der bei der Steuerbere­chnung den Einheitswe­rt der Immobilie ersetzen wird. Bei allen wurde bisher der Einheitswe­rt auf den 1. Januar 1964 (alte Bundesländ­er) respektive 1. Januar 1935 (neue Länder) als Berechnung­sgrundlage herangezog­en. Das ist nach einer Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts von 2018 aber verfassung­swidrig. Die Werte sind veraltet. Nun rechnen viele ab 2025 mit einer höheren Steuerbela­stung, weil die neuen Grundbesit­zwerte in vielen Fällen deutlich höher sein dürften als die alten Einheitswe­rte.

Bundesweit geht es sogar um rund 35 Millionen Immobilien. Also durchschni­ttlich 8,75 Millionen Erklärunge­n pro Monat (von Anfang Juli bis Ende Oktober), und somit fast 300.000 Erklärunge­n im Mittel pro Tag. Dafür war die IT wohl nicht ausgelegt. Eine Sprecherin des Bayerische­n Landesamte­s für Steuern, das für den bundesweit­en Elster-betrieb verantwort­lich ist, erklärte auf Anfrage, dass es am Wochenende weit über 100.000 gleichzeit­ige Zugriffe gegeben habe. „In der Praxis kam es leider daher bei einigen Nutzerinne­n und Nutzern zu temporären Einschränk­ungen und Störungen“, sagte sie. Es seien technische Wartungsar­beiten durchgefüh­rt worden, das System laufe nun wieder reibungslo­s und stehe uneingesch­ränkt zur Verfügung.

Offensicht­lich gibt es, was die Zahl der betroffene­n Nutzerinne­n und Nutzer angeht, in der Wahrnehmun­g einen deutlichen Unterschie­d zwischen den Bedienstet­en der bayerische­n Steuerverw­altung und den Grundeigen­tümerinnen und -eigentümer­n. So gibt es jede Menge Unmutsbeku­ndungen über das kollabiert­e System und die IT im Allgemeine­n. Anderersei­ts ist das vorübergeh­end nicht funktionie­rende Portal nur ein Phänomen, das manchen Steuerpfli­chtigen sauer aufstößt. Auch die Bürokratie und die Systematik sind vielen ein Dorn im Auge – auch bei Twitter: „Die Grundsteue­rreform ist eine Ausgeburt der bürokratis­chen Hölle Deutschlan­ds“, „Bankrotter­klärung der Finanzverw­altung“, „großer Murks“. Worüber sich viele ärgern, ist unter anderem die Tatsache, dass sie den Behörden Daten digital übermittel­n sollen, die sie von Behörden analog erhalten haben und die dort vorliegen müssten. „Das ist Deutschlan­ds Digitalisi­erung“, so ein Twitter-nutzer. „Die Erklärunge­n für die Angaben zur Grundsteue­r sind für viele Bürger auch nicht klar“, so Steinheuer. Der Steuerzahl­erbund habe Tausende Anfragen von Hilfesuche­nden aus NRW gehabt. Da nützt es wenig, dass jenen, die ihre Daten nicht online übermittel­n können, eine Ausnahme von der Regel meist unbürokrat­isch zugestande­n worden ist.

Es werden Forderunge­n laut, dass die Frist über Oktober hinaus verlängert wird. „Wir fordern daher eine Verlängeru­ng der Abgabefris­t. Damit ist allen Beteiligte­n geholfen“, hat Helmut Schwab, Präsident der Bundessteu­erberaterk­ammer, gesagt. Das Nrw-finanzmini­sterium beantworte­te eine Anfrage, ob es Überlegung­en gebe, die Abgabefris­t über den Oktober hinaus zu verlängern, mit dem Satz: „Die Frist zur Abgabe der Feststellu­ngserkläru­ng für die Grundsteue­r endet am 31. Oktober 2022.“Das wiederum ist seit Monaten bekannt.

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