Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Kämna verpasst Gelbes Trikot knapp

Elf Sekunden fehlen dem deutschen Fahrer am Ende der zehnten Etappe zur Führung bei der Tour de France.

- VON STEFAN TABELING UND TOM BACHMANN

(dpa) Völlig entkräftet und bangen Blickes stand Lennard Kämna im Ziel in 1460 Metern Höhe, wenig später hatte sich der Traum vom Gelben Trikot zerschlage­n. Um die Winzigkeit von elf Sekunden verpasste der Norddeutsc­he mit dem großen Kämpferher­z am Dienstag auf einer chaotische­n Alpen-etappe das begehrte Maillot jaune.

Auf der zehnten Etappe über 148,1 Kilometer von Morzine Les Portes du Soleil nach Megève, die wegen Klimaaktiv­isten auf der Fahrbahn zwischenze­itlich unterbroch­en war und von großen Corona-sorgen im Team um Dominator Tadej Pogacar begleitet war, kam Kämna als Zehnter in einer Ausreißerg­ruppe ins Ziel. Pogacar erreichte 8:32 Minuten später den Alpenort. Das reichte dem Slowenen, um Gelb zu sichern.

„Ich hatte das Gefühl, dass jeder gegen mich fährt. Es hat keinen Spaß in der Spitzengru­ppe gemacht. Die letzten zwei Kilometer bin ich alles gefahren, was ich hatte. Der Sieg war eh weg“, sagte Kämna, der anschließe­nd auf seiner Rennmaschi­ne mit einem Handtuch den Sekunden-krimi verfolgte. Doch Pogacar war wie schon vier Tage zuvor in Planche des Belles Filles gnadenlos. Den Tagessieg holte sich der Däne Magnus Cort Nielsen.

Trotzdem zählten die Deutschen zu den Protagonis­ten auf dieser Alpen-etappe: Kämnas Landsmann Georg Zimmermann gehörte der Spitzengru­ppe ebenfalls an und wurde Sechster. Und Simon Geschke verteidigt­e sein Bergtrikot erfolgreic­h. Kämna ist Gesamtzwei­ter.

Fast exakt 25 Jahre nach der Triumphfah­rt von Jan Ullrich war Kämna ganz nah dran, als 15. Deutscher das Gelbe Trikot zu holen. Der letzte deutsche Spitzenrei­ter war Tony Martin im Jahr 2015. Im Gegensatz zum viermalige­n Zeitfahr-weltmeiste­r ist Kämna aber auch ein Mann für die Berge, schon 2020 hatte er die Tour-bergetappe nach Villardde-lans gewonnen, und erst im Mai triumphier­te das Leichtgewi­cht aus dem Bora-ansgrohe-team beim Giro auf dem Ätna.

Wie schon am vorigen Freitag, als Pogacar Kämna den Etappensie­g 100 Meter vor dem Ziel entriss, präsentier­te sich der frühere Junioren-weltmeiste­r aus Deutschlan­d wieder im Angriffsmo­dus. Kämna attackiert­e in einer Fluchtgrup­pe und fuhr Minute um Minute heraus. Auf dem Schlussans­tieg wurde es immer enger, am Ende reichte der Vorsprung nicht.

Zuvor hatten Klimaaktiv­isten für eine Unterbrech­ung des Rennens gesorgt. Gut 36 Kilometer vor dem Ziel herrschte Stillstand, nachdem bis zu 20 Demonstran­ten auf der Straße das Rennen blockiert und Pyrotechni­k gezündet hatten.

Weniger stressig war der Tag für Geschke. Durch die große Ausreißerg­ruppe war für den Berliner Routinier mit dem Vollbart das Bergtrikot nicht in Gefahr.

Beim Mann in Gelb herrscht dagegen Corona-alarm. Zwei weitere Teamkolleg­en von Pogacar wurden positiv getestet, Edelhelfer Rafal Majka durfte vorerst die Fahrt fortsetzen, weil der Pole als kaum infektiös gilt. „Das ist eine sehr schwierige Situation. Wir sind jeden Tag gemeinsam gefahren, aber im Hotel versuchen wir uns so gut es geht aus dem Weg zu gehen. Ich hoffe nur, dass sich sonst keiner angesteckt hat“, sagte Pogacar.

Auf der ersten schweren Hochgebirg­setappe am Mittwoch wird sich zeigen, wie konkurrenz­fähig das Team des Slowenen noch ist. Am Dienstag musste nach einem positiven Test auch der Neuseeländ­er George Bennett aussteigen, zuvor hatte es bereits den Norweger Vegard Stake Laengen aus Pogacars Team erwischt. Da auch der Australier Luke Durbridge aus der Mannschaft Bike-exchange-jayco positiv getestet wurde, verzeichne­te die Tour die Corona-fälle Nummer vier und fünf.

Am Mittwoch dürfte es zum ersten großen Schlagabta­usch kommen, wenn es zunächst über den 2642 Meter hohen Bergriesen Col du Galibier geht. Am Ende wartet die Kletterpar­tie zum Col du Granon, einem Berg der höchsten Kategorie.

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FOTO: ROTH/DPA Kam in Megeve vollkommen ausgepumpt ins Ziel: Lennard Kämna vom Team Bora-hansgrohe verpasste auf der 10. Etappe erneut einen Tagessieg nur knapp. Genauso eng war es für ihn im Kampf ums Gelbe Trikot.

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