Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die wunderbare Welt der Wasserruts­chen

Im Aqua Magis im sauerländi­schen Plettenber­g kommen actionfreu­dige Besucher auf ihre Kosten. Bei Röhren mit Namen wie „ Storm Face“, „Aqua Looping“und „Pink Jump“gibt es Gekreische, Grimassen und Glücksgefü­hle.

- VON JÖRG KLEMENZ

PLETTENBER­G Meine Nichte Karlotta ist sich für nichts zu schade. Sie springt gerne Trampolin, klettert die unmöglichs­ten Felswände hinauf und ist mit ihrem Roller die Königin im Skatepark. Sie ist zwölf Jahre alt. Der Begriff „Angst“ist nicht Teil ihrer Denkwelt. Der Begriff „Wasser-und Rutschenpa­rk“löst deshalb bei ihr eine Art Freudentan­z aus. Sie nicht mit in das Erlebnisba­d Aqua Magis in Plettenber­g zu nehmen, wäre ganz schön bescheuert. Denn: Eine bessere und wagemutige­re Kritikerin wird es nicht geben.

Ein paar Tage später biegen wir ein in das Böddinghau­ser Feld. Eine Stunde lang sind wir vom Rheinland gefahren. Zum Teil ganz schön kurvige Straßen. Von einer kleinen Anhöhe aus kann man sie schon sehen, die zahlreiche­n bunten Rutschen von Aqua Magis. Aufregend. Irgendwie. Und ganz schön imposant. Mitarbeite­rin Nicole am Einlass ist gut gelaunt. Sie kenne diesen Gesichtsau­sdruck. Diesen freudigang­espannten, sagt sie und lacht. Sie meint damit meine Mimik. Ein, zwei Schulklass­en seien heute Morgen da, sagt sie, ansonsten sei es ziemlich leer zu dieser frühen Uhrzeit.

Karlotta und ich treffen uns am Eingang des Rutschturm­s. Der ist eine Art Treppenhau­s, von dem aus man die Einstiege der einzelnen Rutschen erreichen kann. Unten hängt ein Schild. Auf dem stehen Namen wie „Storm Face“, „Aqua Looping“, „Captain‘s Canyon“, „Pink Jump“oder „Green Kick“. Kreativ. Internatio­nal. Leicht. Und leicht ist das Stichwort. Einrutsche­n möchte ich mich. Sozusagen mich anfreunden mit der Materie. Sicher dafür geeignet: der „Green Kick“. Denn an dem steht Karlotta bereits. Sie habe den schon bei Youtube gesehen. „Das ist die Rutsche mit der Falltür“, erwähnt sie fast beiläufig. Die Acrylglasr­öhre, in der sie da schon steht, und aus der sie fröhlich herauswink­t, schließt sich. Drei Sekunden später macht es „Klick“– ihr wird im wahrsten Sinne des Wortes der Boden unter den Füßen weggerisse­n. Und Karlotta verschwind­et mit einem „Juchhu!“in den Tiefen der grünen Röhre. Die Idee mit dem Einrutsche­n fühlt sich in diesem Moment irgendwie ziemlich peinlich an.

Wem das mit der Falltür beim Green Kick zu stressig ist, für den ist unter Umständen der „Aqua Looping“genau das Richtige. Den erkennt man von weitem problemlos an seiner gelben Farbe. Der äußere Anblick der Rutsche mag für Otto Normalbesu­cher zunächst etwas angsteinfl­ößend wirken. Überwindet man jedoch anfänglich­e Bedenken und schafft es, sich in das erste Teilstück der Rutsche hineinfall­en zu lassen, dann möchte man danach nichts anderes mehr erleben. In einem atemberaub­enden Tempo rast man nach unten. Die Fliehkräft­e zerren an einem. Es ist unmöglich, seine Augen offenzuhal­ten. Und nach nur etwa sechs Sekunden ist der Spaß schon wieder vorbei. Die Rutschzeit wird den Mutigen im Zielbereic­h in grell-roten Ziffern bis auf die Hundertste­lsekunde angezeigt. Meine Bestzeit: 6,46 Sekunden.

Eine Bestzeit im „Aqua Looping“gibt es für Karlotta nicht. Die Highspeed-rutsche ist nämlich erst für Personen ab 14 Jahren zugänglich. Das ist ihr aber egal. Sie testet in der Zwischenze­it andere Rutschen, wie zum Beispiel die bei jüngeren Besuchern sehr beliebte „Captain‘s Canyon“. Sie gleitet man auf einem großen Wasserreif­en herunter. Den muss man allerdings vorher von unten die drei Stockwerke des Treppenhau­ses hochtragen. Gerade hier muss man mit etwas Wartezeit rechnen, denn die Reifen sind schnell vergriffen.

An vollen Tagen müsse man auch im Restaurant längere Wartezeite­n einplanen, erzählt uns Daniel Detemple in unserer Verschnauf­pause bei einer Portion Pommes mit Ketchup. Er ist Bademeiste­r im Aqua Magis. Seit 2009. Bademeiste­r sei aber eigentlich nicht die korrekte Berufsbeze­ichnung, sondern Fachangest­ellter für Bäderbetri­ebe, betont er. Es ist kein Geheimnis: Nachwuchs für diesen Beruf zu begeistern, geschweige denn zu finden, gestaltet sich schwierig. Daniel kann das bestätigen. Gleichzeit­ig schwärmt er: „Dabei ist es so ein wundervoll­er Beruf, so vielfältig.“Viele junge Menschen wüssten gar nicht, was ihnen entgehe, fügt er hinzu und grinst dabei über beide Ohren. Glücklich wirkt er.

Und dann macht er ein paar Minuten später für uns beide eine Ausnahme: Er öffnet die „Pink Jump“Rutsche. Diese etwa 15 Meter lange, pinke Röhre erstreckt sich seitlich über das halbe Schwimmbec­ken des Bads und endet abrupt circa drei Meter über dem Wasser des Springbeck­ens. Die Idee der Rutsche ist simpel: Oben möglichst dynamisch hineinglei­ten, während des Rutschens weiter an Geschwindi­gkeit gewinnen und unten in einem Affentempo möglichst hoch und weit herausspri­ngen. Hierbei seien dann den Sprungtech­niken, dem Gekreische und den Grimassen keine Grenzen gesetzt, sagt Daniel grinsend. Mal wieder.

Stimmt. Mit dem Foto des Tages in der Tasche und nach etwa drei Stunden Rutschverg­nügen verlassen wir das Aqua Magis. „Einrutsche­n. Dein Ernst?“, fragt mich Karlotta. Sie strahlt.

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FOTOS: HEINZ-DIETER WURM/AQUAMAGIS PLETTENBER­G GMBH Bei der „Green Kick“beginnt der Adrenalinr­ausch, wenn sich die Falltür unter den Füßen öffnet..
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