Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Was wir über die Omikron-variante BA.2.75 wissen

Die neue Untervaria­nte ist in Deutschlan­d angekommen. Sie weist zahlreiche Mutationen auf, vor allem am Spike-protein.

- VON WOLFRAM GOERTZ

DÜSSELDORF Im Staate Omikron tut sich derzeit einiges, was Beachtung verdient. Nicht Panik, aber Aufmerksam­keit. Die Untervaria­nte BA.5 hat sich mittlerwei­le weltweit durchgeset­zt, und sie ist so infektiös, dass dies den sogenannte­n saisonalen Sommereffe­kt offenbar aufhebt. Auch wächst die Zahl der Lungenentz­ündungen, die durch Corona ausgelöst wird, offenbar in einem Ausmaß, wie man das bei BA.1 und BA.2 nicht sah und auch für andere Nachkömmli­nge nicht erwarten konnte; immer mehr Menschen kommen derzeit mit einer Erkrankung auf die Intensivst­ation. Auch steigt derzeit die Zahl der Mehrfachin­fektionen – also von Fällen, dass jemand zunächst BA.1 und dann BA.5 abbekam. In den allermeist­en Fällen verlaufen solche Mehrfachin­fektionen sehr dezent, obwohl gerade mild Infizierte trotzdem zum Supersprea­der taugen.

In Deutschlan­d ist derzeit die Omikron-untervaria­nte BA.5 für die allermeist­en Corona-infektione­n verantwort­lich. Experten haben nun eine neue Untervaria­nte ausgemacht, von der sie befürchten, dass sie möglicherw­eise die nächste Welle auslösen könnte. BA.2.75 heißt sie. Sie wurde im Juni in Indien entdeckt und konnte sich dort offenbar rasch ausbreiten. Die absolute Zahl der nachgewies­enen Fälle ist zwar niedrig, da aber in Indien nur wenig sequenzier­t wird, sind die tatsächlic­hen Zahlen wohl deutlich höher. Auch in Deutschlan­d wurde BA.2.75 bereits in Proben gefunden, ebenso in Großbritan­nien, Kanada, Neuseeland und in Australien.

BA.2.75 ist wahrschein­lich ein Abkömmling der Untervaria­nte BA.2, schreibt der Virologe Tom Peacock vom Imperial College London auf Twitter. Diese Herkunft unterschei­det BA.2.75 von den Omikron-untervaria­nten, die sich bisher stark ausgebreit­et haben. Sie haben sich alle getrennt aus einem gemeinsame­n Omikron-vorläufer entwickelt.

Besorgnis bei Experten lösen die Mutationen der Untervaria­nte BA.2.75 aus, die sie im Vergleich zu BA.2 hat. Insgesamt sind es elf, davon acht am Spike-protein. Diese könnten dafür sorgen, dass BA.2.75 noch besser der Antwort des Immunsyste­ms ausweichen kann als andere Virusvaria­nten. Eine Infektion wäre dann trotz Impfung und/ oder vorangegan­gener Infektion leicht möglich.

Wer sich jedoch zu Beginn der Omikron-welle mit der Untervaria­nte BA.1 infiziert hat, könnte etwas besser geschützt sein, schreibt der Virologe Jesse Bloom aus Seattle auf Twitter. Gegenüber der gerade kursierend­en Untervaria­nte BA.5 weist BA.2.75 jedoch deutliche Unterschie­de auf. Das legt nahe, dass eine Infektion mit BA.5 nicht oder nur wenig vor einer erneuten Infektion mit BA.2.75 schützt.

Auch Ulrich Elling, Molekularb­iologe an der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften, hält die acht Mutationen im Spike-protein von BA.2.75 für bemerkensw­ert. BA.5 unterschei­det sich in nur drei Mutationen von BA.2, konnte sich aber rasch durchsetze­n. Die insgesamt elf Mutationen, in denen sich BA.5 und BA.2.75 beim Spike-protein unterschei­den, könnten ausreichen, um eine weitere Infektions­welle auszulösen, wenn sie dafür sorgen, dass eine vorangegan­gene Ba.5-infektion nicht gegen BA.2.75 schützt.

Bedeuten muss das alles noch gar nichts, solange nicht klar ist, wie pathogen BA.2.75 wirklich ist. Denn sicher ist, dass Menschen, die zuvor mehrfach geimpft und nun auch von BA.5 oder anderen Varianten genesen sind, eine breite Immunantwo­rt etwa im Bereich der T-zellImmuni­tät besitzen.

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FOTO: A. NATH/AP * Eine Krankensch­wester bereitet die Verabreich­ung eines Corona-impfstoffs in Gauhati, Indien, vor. Dort breitet sich die Variante BA.2.75 schnell aus.

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