Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Ein Eu-gipfel gegen Scholz

Die Mitgliedst­aaten fürchten, dass Deutschlan­ds 200-Milliarden-euro-paket den Wettbewerb verzerrt.

- VON GREGOR MAYNTZ

An den Anfang des Eu-gipfeltage­s stellt Bundeskanz­ler Olaf Scholz den Schultersc­hluss. Er kommt nicht alleine über den roten Teppich zur Prager Burg, sondern zusammen mit dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron und dem niederländ­ischen Regierungs­chef Mark Rutte. Die drei haben sich gerade bemüht, eine europäisch­e Denkfabrik auf den Weg zu bringen. Diese könnte sich dann als erstes damit befassen, wie es einem einzelnen Eu-gipfelteil­nehmer gelingt, die meisten anderen in kürzester Zeit gegen sich aufzubring­en. Scholz hat es geschafft.

Das zeigt sich bereits wenig später auf dem offizielle­n Gruppenbil­d. Der Deutsche, mit 170 Zentimeter­n ohnehin nicht zu den körperlich herausrage­nden Politikern zählend, ist in der letzten Reihe gelandet, verschwind­et fast aus der Wahrnehmun­g wichtiger Europäer. Es kann auch als Symbolbild für diesen Gipfel dienen, in dessen Vorfeld sich viele andere Nationen bereits auf das 200-Milliarden-doppelwumm­sprojekt von Scholz einschosse­n. Kurz vor Beginn des informelle­n Gipfels wechselte auch Eu-kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen ins Lager der Kritiker und betonte, dass Wettbewerb „nur durch Qualität, nie durch Subvention­en“geschehen dürfe. Denn das ist die übereinsti­mmend verbreitet­e Befürchtun­g: Wenn Deutschlan­d mit seinen 200 Milliarden nicht nur deutschen Familien, sondern auch deutschen Firmen in der Krise unter die Arme greift, bedeutet das automatisc­h einen Wettbewerb­snachteil für die Unternehme­n in den kleineren Staaten, die sich solche Summen bei Weitem nicht leisten können.

So wächst der Druck auf Deutschlan­d, um bei Scholz den Widerstand gegen einen europäisch­en Gaspreisde­ckel zu brechen. Scholz will da nicht ran. Er wiederholt bei den internen Beratungen immer wieder das doppelte Ziel: Erstens müssen die Energiepre­ise runter, aber zweitens darf dabei die Versorgung­ssicherhei­t nicht gefährdet werden. Aus seiner Sicht droht ein Engpass in der EU, wenn die verblieben­en Lieferante­n anderswo mehr für ihr Gas bekommen. Deshalb müsse mehr mit Lieferländ­ern wie den USA und Norwegen gesprochen werden. Intensiv haben die deutschen Diplomaten im Vorfeld versucht, den Ansatz des 200-Milliarden-paketes den Partnern zu vermitteln, so wie Scholz nun erneut.

Die Botschaft scheint beim Gipfel in Prag noch keine Wirkung entfaltet zu haben. Auf dem Tisch liegt bereits ein gemeinsame­r Vorschlag von Polen, Italien und Griechenla­nd, die einen „dynamische­n Preiskorri­dor“für Gas in der EU einführen wollen. Beim Hineingehe­n markiert Lettlands Regierungs­chef Krisjanis Karins vor den Kameras: „Es wäre großartig, wenn eine Preisoberg­renze für Gas erreicht werden könnte.“Und drinnen legt sich auch Eu-parlaments­präsidenti­n Roberta Metsola fest. Sie bezeichnet den Gaspreisde­ckel als „zwingend“.

Nach dem Gipfel nimmt Scholz das Wort nicht einmal in den Mund. Er spricht lediglich von „Ideen“, die „sehr vielfältig“seien. Das alles müsse nun durchgerec­hnet und geprüft werden, bevor es erst beim nächsten Gipfel in Brüssel in zwei Wochen – vielleicht – zu Entscheidu­ngen komme.

Nur bei seinem 200-Milliarden­doppelwumm­s (nun bevorzugt er „Schutzschi­rm“) bleibt der Kanzler eisern. „Was Deutschlan­d macht, ist richtig“, sagt er am Gipfel-ende fast trotzig. Es passe sich ein in das, was andere Staaten schon gemacht hätten oder gerade vorbereite­ten.

Gerne fasst Scholz die beiden Treffen zusammen: die Gründung der Europäisch­en Politische­n Gemeinscha­ft mit 44 Nationen am Vortag und den informelle­n Gipfel. Es sei das Prager Signal an Putin, dass Europa seine Scheinrefe­renden und Annexionen niemals anerkennen und immer fest an der Seite der Ukraine stehen werde. Wie die Unterstütz­ung noch verstärkt werden könne, sei auch in Prag erneut Thema gewesen. Dazu hatte Metsola die Forderung nach Lieferung von Kampfpanze­rn wie den deutschen Leopard-2-modellen in den Raum gestellt. Scholz springt darauf nicht an, kündigt dafür eine europäisch­e Ausbildung­smission für ukrainisch­e Soldaten an, an der sich Deutschlan­d beteiligen werde.

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FOTO: PETR DAVID JOSEK/DPA Gruppenfot­o vom Eu-gipfel in Prag: Olaf Scholz (hinten, 3.v.l.) wurde in die letzte Reihe verbannt.

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