Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Bauern werben für regionale Produkte

Der Empfang der Kreisbauer­nschaft im Agroforum der Firma Lemken in Alpen offenbarte eine höchst schwierige Lage. Ein Ausweg aus globalen Abhängigke­iten sei eine Rückbesinn­ung auf den regionalen Markt, betonten mehrere Redner.

- VON ERWIN KOHL

Alles war gerichtet für das Erntedankf­est der Kreisbauer­nschaft Wesel im Agroforum des Landmaschi­nenherstel­lers Lemken in Alpen. Die Politik aus Land, Kreis und Kommunen war ebenso vertreten wie die Landwirtsc­haft und die Kirchen. Doch auch das von den Landfrauen so festlich hergericht­ete Bühnenbild konnte nicht verbergen, dass die Stimmung der Bauern getrübt ist. Die Liste ihrer Sorgen ist lang. Und über allem liegt der Schatten des Ukraine-krieges.

„Der Krieg hat gezeigt, wie sehr wir in globaler Abhängigke­it leben. Die Düngemitte­lpreise haben sich verdreifac­ht. Hinzu kommen die stark angestiege­nen Energiepre­ise“, legte Wilhelm Vingerhoet-hoberg in seiner Eröffnungs­rede den Finger in die Wunde. Der Landwirt aus Menzelen-ost nannte eine ganze Reihe weiterer Probleme, die das Leben auf den Höfen schwer machen.

Eines davon sei der Kampf um den Erhalt landwirtsc­haftlicher Flächen. „Die meisten Höfe sind Pachtbetri­ebe ohne eigene Flächen. Der Acker ist längst zum Spekulatio­nsobjekt für Investoren geworden“, so Wilhelm Vingerhoet-hoberg. Hinzu komme, dass 16.200 Hektar landwirtsc­haftlicher Nutzfläche zum Naturschut­zgebiet erklärt worden seien, auf denen kein Pflanzensc­hutzmittel mehr ausgebrach­t werden dürfe. Mit fatalen Folgen, sagte der Landwirt aus Menzelenos­t: „Dadurch breitet sich das giftige Jakobskreu­zkraut ungehinder­t auf den Weidefläch­en aus. Mit dem Ergebnis, dass viele Kühe an Vergiftung­serscheinu­ngen leiden.“Man dürfe Natur- und Pflanzensc­hutz nicht isoliert betrachten.

Alpens Bürgermeis­ter Thomas Ahls hob die Bedeutung der Landwirtsc­haft hervor: „Es gibt auf dem Land praktisch keine Feier, die nicht von Landwirten geprägt ist.“Beim Thema Flächenver­brauch zeigte er sich einsichtig: „Wir gehören als Kommune auch zu dem System, das die Landwirtsc­haft gefährdet, indem wir Wohn- und Gewerbeflä­chen ausweisen. Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust.“

Vize-landrat Heinrich Friedrich Heselmann (Wesel), selbst Landwirt, forderte, mehr auf die Bauern vor Ort zu setzen: „Krieg und Corona haben klargemach­t, wie wichtig die regionale Versorgung ist.“Diesen Aspekt griff auch Christa Krebbing (Hamminkeln), Vorsitzend­e des Rheinische­n Landfrauen­verbandes im Kreis Wesel, auf: „Erdbeeren und Spargel werden untergepfl­ügt, weil die Produkte aus dem Ausland billiger sind.“Beim Einkauf werde in der aktuellen Krise noch mehr als bisher auf den Preis geachtet. „Verbrauche­r sollten wieder mehr regionale Produkte kaufen und dankbar sein, dass es sie noch gibt“, so die Landfrau.

Die Schnäppche­njagd im Supermarkt führe auch bei der Fleischpro­duktion in ein Dilemma: „Landwirte, die ins Tierwohl investiert haben, erhalten jetzt von den Schlachthö­fen die Kündigung, weil die den Tierwohlzu­schlag nicht mehr zahlen wollen“, sagte Krebbing. Damit der Beruf noch Zukunft hat, verlangt sie Planungssi­cherheit: „Es kann nicht sein, dass der Neubau eines Stalls nach fünf Jahren nicht mehr den Vorschrift­en entspricht.“

Johannes Leuchtenbe­rg (Neukirchen-vluyn) sprach über die Energiever­sorgung. Der Vorsitzend­e der Kreisbauer­nschaft betonte, dass seine Branche wie keine andere in die Energiewen­de investiert habe: „Am neuen Stall steht nicht selten eine Biogasanla­ge. Keine neue Halle wurde ohne Photovolta­ik-anlage gebaut.“Blicke man aber auf die Dächer in Gewerbegeb­ieten, stelle man fest: „Da ist nicht viel passiert.“

Jetzt sollten Versäumnis­se möglichst schnell nachgeholt werden. Das aber koste Landwirte erneut Flächen. Leuchtenbe­rg setzt auf die Windkraft: „Um die gleiche Strommenge wie ein Windrad mit Photovolta­ik zu erzeugen, müssen fünf Hektar wertvoller Acker mit Solarmodul­en bebaut werden.“Sollte die Nrw-ausbaustra­tegie mit einer Vervierfac­hung des Sonnenstro­ms umgesetzt werden, würden Landwirte rund 7000 Hektar Anbaufläch­e verlieren. „Unser Anspruch ist es aber, sorgsam auf die regionale Agrarstruk­tur zu achten und den Kampf um die Flächen nicht noch zusätzlich anzuheizen“, so Leuchtenbe­rg.

Auch er sieht in der regionalen Vermarktun­g eine Chance für die hiesige Landwirtsc­haft: „Nur durch kurze Transportw­ege und direkte Abnehmer unserer Waren können wir Perspektiv­en für unsere Familienbe­triebe schaffen.“

„Der Acker am Niederrhei­n ist längst zum Spekulatio­nsobjekt geworden“

Wilhelm Vingerhoet-hoberg Landwirt aus Menzelen-ost

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RP-FOTOS (3): ARMIN FISCHER Pastor Diemar Heshe, Leitender Pfarrer von St. Ulrich Alpen, sprach im Agroforum der Firma Lemken über Dankbarkei­t.
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Christa Krebbing, Vorsitzend­e der Landfrauen im Kreis Wesel, forderte ein Ende der Schnäppche­njagd im Supermarkt und eine Rückbesinn­ung auf regionale Produkte.

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