Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Die Selbstbehauptung der Anna Ermakova
In der Show „Let’s Dance“hat Boris Beckers Tochter als Tänzerin überzeugt – und damit die Macht über ihr Bild in der Öffentlichkeit erobert. Die ermutigende Geschichte einer jungen Frau, die von Geburt an zum Objekt gemacht wurde.
Am Ende war sie Alice im Wunderland, stieß die weiße Tür auf in ein fantastisches Reich und zeigte, was sie als Tänzerin kann. Und so gewann Anna Ermakova im Finale der RTL-SHOW „Let’s Dance“mit ihrem Profi-tanzpartner Valentin Lusin die meisten Zuschauerstimmen. Und knackte zugleich einen Rekord bei den Jury-noten: Sie übertraf die Serie der zehn Bestbewertungen, die Ella Endlich vor Jahren erreicht hatte. Also ein Sieg nach Sympathiewerten und Fachurteil – das ist die Königsmischung im Show-geschäft.
4,3 Millionen Zuschauer haben das gesehen. Auch zuvor haben Millionen eine junge Frau erlebt, die sich Folge um Folge selbst behauptet. Die aus dem Bild hervortritt, das man sich in der Öffentlichkeit von ihr gemacht hat – von ihrer Geburt an. Diesmal war Ermakova aus London nach Deutschland gekommen, um freiwillig in die Öffentlichkeit zu treten und endlich als eigenständige Person in Erscheinung zu treten. Und sie hat genau das getan. Sie hat durch ihre tänzerische Leistung und ihre gewinnende Art als Kandidatin in einer Talentshow überzeugt.
Nicht als „Tochter von...“. Vielmehr trotz ihrer Herkunft, denn die hat sie all die Jahre zum Objekt gemacht. Zum Gegenstand von Interesse, das abgelichtet und auf Ähnlichkeiten untersucht wurde. Wer da heranwuchs, was Boris Beckers Tochter konnte und wollte, kam nicht zur Sprache. Die heranwachsende Frau hatte keine Chance, hinter dem Skandalösen, Kuriosen hervorzutreten. Und ihr Vater verbat sich die Fragen nach den Umständen seiner Vaterschaft nicht, sprach über pikante Details, nahm ihre Kompromittierung in Kauf.
Bisher hat Anna Ermakova Deutschland daher gemieden. Erst eine Talentshow bot ihr die Chance, hinter dem grellen Bild hervorzutanzen und etwas von sich selbst zu zeigen. Das war Selbstermächtigung live auf einer Fernseh-bühne. „Ich bin von England nach Deutschland gekommen, um zu tanzen. Ich hätte nie gedacht, dass ich hier mit so offenen Armen aufgenommen werde“, sagte Ermakova sichtlich gerührt in einem Sprachmix aus Deutsch und Englisch. Die größte Herausforderung sei für sie gewesen, sich auf dem Tanzparkett „emotional zu öffnen“. Sie hat also eine Kunstform genutzt, um sich gegenüber einem Publikum auszudrücken, das ihr gegenüber etwas gutzumachen hatte. Das den kalten Blick der Voyeure austauschen musste gegen den teilnehmenden eines Publikums. Das ist in einer kommerziellen Talentshow geglückt, auch weil Ermakova sich nicht als „Tochter von...“vermarkten lassen wollte. Keine rührenden Interviews mit dem reuigen Vater Boris Becker, keine schmalzigen Familienzusammenführungen. Stattdessen soll Ermakova in ihrem Vertrag mit RTL festgeschrieben haben, dass der Name Boris Becker während der Live-shows nicht fällt. Ermakova kann nicht leugnen, woher sie kommt. Und natürlich hat es ihr erhöhte Aufmerksamkeit verschafft auch gegenüber den Tanzkonkurrenten. Und Aufmerksamkeit ist im Showgeschäft per se ein Vorteil. Laut Medienberichten soll sie dafür auch eine hohe Gage herausverhandelt haben. Aber dann hat sie sich aufs Tanzen konzentriert. Und nur darum konnte sie die Siegerin Anna Ermakova werden, eine junge Frau, deren Namen man jetzt auch ohne Zusatz kennt.
Boris Becker hat indes viel versucht, um am Erfolg seiner Tochter teilzuhaben. Während Annas Mutter Angela Ermakova im Zuschauerraum mitfiebern konnte, blieben ihm nur Video-botschaften: „Die Herzen der Deutschen hast du schon erobert – und zwar im Sturm. Dein Talent, deine Disziplin, deine Leistung und – noch mehr – deine Persönlichkeit sind hervorragend. Und ich könnte stolzer nicht sein“, verkündete er bei Instagram. Er freue sich schon, sie „abseits des Scheinwerferlichts bald wiederzusehen“. Auch spärliche Privataufnahmen mit Anna postete er im Vorfeld des Tanzfinales.
Doch zeigt das nur, dass Ermakova eben kein Paparazzi-objekt mehr, sondern zu einer Persönlichkeit geworden ist, die nun von ihrem Vater umworben wird. Sie wird von jetzt an ihren eigenen Weg finden müssen im Umgang mit ihrer prominenten Familie. Aber sie kann es selbstbestimmt tun. Deutsch hat sie begonnen zu lernen, das deutet darauf hin, dass sie in der Becker-heimat nicht nur tanzen will. Vielleicht wird sie jedoch auch schnell genug haben von Auftritten in Deutschland. Denn im öffentlichen Geschäft schlägt den Außenseitern stets viel Wohlwollen entgegen, die schwierige Zeit beginnt nach dem Sieg. Wenn die Aufstiegsgeschichten erzählt sind. Wenn Anna Ermakova mehr sein muss als die junge Frau, die sich befreite.
Dieser Schritt aber ist ihr gelungen. Scheinbar spielend im Lindyhop-, Tango- und Foxtrott-takt. Spannend, wie es mit ihr weitergeht.
(dpa) Borussia Dortmund hat den dicken Patzer des FC Bayern genutzt und geht als Tabellenführer mit zwei Punkten Vorsprung auf die Münchner in den letzten Spieltag der Fußball-bundesliga. Einen Tag nach dem 1:3 des deutschen Fußball-rekordmeisters gegen Leipzig gewann der BVB am Sonntag nach gut 50 Minuten in Überzahl beim abstiegsbedrohten FC Augsburg 3:0 (0:0) und darf nach zehnjähriger Bayern-dominanz auf den ersten Meistertitel seit 2012 hoffen. Sébastien Haller (58. und 84. Minute) und Julian Brandt (90.+3) erzielten die erlösenden Treffer für den BVB.
Mit einem Heimsieg am Samstag gegen Mainz können die Borussen die neunte deutsche Meisterschaft der Vereinshistorie perfekt machen. Die Münchner spielen dann in Köln. Augsburg muss weiter um den Klassenerhalt zittern. Der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt zwei Punkte.
Stimmungsmäßig hatten die mitgereisten BVB-FANS die mit 30.660 Menschen ausverkaufte Augsburger Arena fest in schwarz-gelber Hand. „Deutscher Meister wird nur der BVB“, hallte es in den Anfangsminuten und auch kurz vor Schluss unüberhörbar aus dem Gästeblock. Die Gänsehaut-atmosphäre zeigte Wirkung bei den Dortmundern, die auch ohne ihren am Knie verletzten Mittelfeld-antreiber Jude Bellingham den FCA weit in die eigene Hälfte drückten.
Sehenswert kombinierten sich die Borussen immer wieder über Karim Adeyemi durch das löchrige Mittelfeld der Hausherren. Einzig beim Abschluss agierte die Mannschaft von Edin Terzic zunächst zu unpräzise. Haller (20.) und Julian Brandt (28./33.) scheiterten jeweils am wieder einmal stark aufgelegten Fcakeeper Tomas Koubek. Der Tscheche empfahl sich erneut für einen Stammplatz für die Zeit nach Rafal Gikiewicz, dessen Vertrag nicht verlängert wird.
Gerade, als sich die Augsburger allmählich aus dem Dauerdruck der Dortmunder lösten, bestrafte sich Enrico Maaßens Team selbst. Felix Uduokhai (38.) sah nach einer Notbremse gegen Donyell Malen die Rote Karte. Eine harte, aber durchaus vertretbare Entscheidung. Den anschließenden Freistoß köpfte Nationalspieler Niklas Süle an den Pfosten.
Die Torschuss-statistik sprach mit 16:1 in der ersten Hälfte klar für Dortmund. Doch die Gäste konnten den Abwehrriegel der leidenschaftlich verteidigenden Augsburger zunächst nicht knacken. Die Hoffnung des FC Bayern auf die elfte Meisterschaft in Serie wurde zu diesem Zeitpunkt wieder größer.
Nach der Pause belagerte der BVB den Augsburger Strafraum im Minutentakt. Die Hausherren spielten zunächst auf Unentschieden und ließen sich weit in die eigene Hälfte zurückfallen. Raphael Guerreiro (52.), der für Bellingham in die Startelf gerückt war, setzte einen Distanzschuss knapp daneben. Emre Can traf nur den Innenpfosten.
Bvb-keeper Gregor Kobel erlebte einen über weite Strecken ruhigen Abend in Augsburg. Als Haller nach einem eklatanten Abwehrfehler von Maximilian Bauer zur erlösenden Führung traf, platzten die Emotionen auch aus dem Schweizer heraus. Die schwarz-gelbe Party im Gästeblock startete jetzt so richtig.
Maaßen reagierte und brachte in Mergim Berisha und Irvin Cardona zwei Stürmer. Beide belebten das Offensivspiel maßgeblich. Cardona hatte in der 63. die bis dahin beste Chance für die Fuggerstädter, scheiterte aber an Kobel. Plötzlich verteidigte Dortmund und der FCA lief immer wieder an. Zu spät. Der BVB brachte das Ergebnis nicht nur über die Zeit, sondern machte es am Ende noch deutlich – und hat eine Hand an der Meisterschale.