Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die Selbstbeha­uptung der Anna Ermakova

In der Show „Let’s Dance“hat Boris Beckers Tochter als Tänzerin überzeugt – und damit die Macht über ihr Bild in der Öffentlich­keit erobert. Die ermutigend­e Geschichte einer jungen Frau, die von Geburt an zum Objekt gemacht wurde.

- VON DOROTHEE KRINGS

Am Ende war sie Alice im Wunderland, stieß die weiße Tür auf in ein fantastisc­hes Reich und zeigte, was sie als Tänzerin kann. Und so gewann Anna Ermakova im Finale der RTL-SHOW „Let’s Dance“mit ihrem Profi-tanzpartne­r Valentin Lusin die meisten Zuschauers­timmen. Und knackte zugleich einen Rekord bei den Jury-noten: Sie übertraf die Serie der zehn Bestbewert­ungen, die Ella Endlich vor Jahren erreicht hatte. Also ein Sieg nach Sympathiew­erten und Fachurteil – das ist die Königsmisc­hung im Show-geschäft.

4,3 Millionen Zuschauer haben das gesehen. Auch zuvor haben Millionen eine junge Frau erlebt, die sich Folge um Folge selbst behauptet. Die aus dem Bild hervortrit­t, das man sich in der Öffentlich­keit von ihr gemacht hat – von ihrer Geburt an. Diesmal war Ermakova aus London nach Deutschlan­d gekommen, um freiwillig in die Öffentlich­keit zu treten und endlich als eigenständ­ige Person in Erscheinun­g zu treten. Und sie hat genau das getan. Sie hat durch ihre tänzerisch­e Leistung und ihre gewinnende Art als Kandidatin in einer Talentshow überzeugt.

Nicht als „Tochter von...“. Vielmehr trotz ihrer Herkunft, denn die hat sie all die Jahre zum Objekt gemacht. Zum Gegenstand von Interesse, das abgelichte­t und auf Ähnlichkei­ten untersucht wurde. Wer da heranwuchs, was Boris Beckers Tochter konnte und wollte, kam nicht zur Sprache. Die heranwachs­ende Frau hatte keine Chance, hinter dem Skandalöse­n, Kuriosen hervorzutr­eten. Und ihr Vater verbat sich die Fragen nach den Umständen seiner Vaterschaf­t nicht, sprach über pikante Details, nahm ihre Kompromitt­ierung in Kauf.

Bisher hat Anna Ermakova Deutschlan­d daher gemieden. Erst eine Talentshow bot ihr die Chance, hinter dem grellen Bild hervorzuta­nzen und etwas von sich selbst zu zeigen. Das war Selbstermä­chtigung live auf einer Fernseh-bühne. „Ich bin von England nach Deutschlan­d gekommen, um zu tanzen. Ich hätte nie gedacht, dass ich hier mit so offenen Armen aufgenomme­n werde“, sagte Ermakova sichtlich gerührt in einem Sprachmix aus Deutsch und Englisch. Die größte Herausford­erung sei für sie gewesen, sich auf dem Tanzparket­t „emotional zu öffnen“. Sie hat also eine Kunstform genutzt, um sich gegenüber einem Publikum auszudrück­en, das ihr gegenüber etwas gutzumache­n hatte. Das den kalten Blick der Voyeure austausche­n musste gegen den teilnehmen­den eines Publikums. Das ist in einer kommerziel­len Talentshow geglückt, auch weil Ermakova sich nicht als „Tochter von...“vermarkten lassen wollte. Keine rührenden Interviews mit dem reuigen Vater Boris Becker, keine schmalzige­n Familienzu­sammenführ­ungen. Stattdesse­n soll Ermakova in ihrem Vertrag mit RTL festgeschr­ieben haben, dass der Name Boris Becker während der Live-shows nicht fällt. Ermakova kann nicht leugnen, woher sie kommt. Und natürlich hat es ihr erhöhte Aufmerksam­keit verschafft auch gegenüber den Tanzkonkur­renten. Und Aufmerksam­keit ist im Showgeschä­ft per se ein Vorteil. Laut Medienberi­chten soll sie dafür auch eine hohe Gage herausverh­andelt haben. Aber dann hat sie sich aufs Tanzen konzentrie­rt. Und nur darum konnte sie die Siegerin Anna Ermakova werden, eine junge Frau, deren Namen man jetzt auch ohne Zusatz kennt.

Boris Becker hat indes viel versucht, um am Erfolg seiner Tochter teilzuhabe­n. Während Annas Mutter Angela Ermakova im Zuschauerr­aum mitfiebern konnte, blieben ihm nur Video-botschafte­n: „Die Herzen der Deutschen hast du schon erobert – und zwar im Sturm. Dein Talent, deine Disziplin, deine Leistung und – noch mehr – deine Persönlich­keit sind hervorrage­nd. Und ich könnte stolzer nicht sein“, verkündete er bei Instagram. Er freue sich schon, sie „abseits des Scheinwerf­erlichts bald wiederzuse­hen“. Auch spärliche Privataufn­ahmen mit Anna postete er im Vorfeld des Tanzfinale­s.

Doch zeigt das nur, dass Ermakova eben kein Paparazzi-objekt mehr, sondern zu einer Persönlich­keit geworden ist, die nun von ihrem Vater umworben wird. Sie wird von jetzt an ihren eigenen Weg finden müssen im Umgang mit ihrer prominente­n Familie. Aber sie kann es selbstbest­immt tun. Deutsch hat sie begonnen zu lernen, das deutet darauf hin, dass sie in der Becker-heimat nicht nur tanzen will. Vielleicht wird sie jedoch auch schnell genug haben von Auftritten in Deutschlan­d. Denn im öffentlich­en Geschäft schlägt den Außenseite­rn stets viel Wohlwollen entgegen, die schwierige Zeit beginnt nach dem Sieg. Wenn die Aufstiegsg­eschichten erzählt sind. Wenn Anna Ermakova mehr sein muss als die junge Frau, die sich befreite.

Dieser Schritt aber ist ihr gelungen. Scheinbar spielend im Lindyhop-, Tango- und Foxtrott-takt. Spannend, wie es mit ihr weitergeht.

(dpa) Borussia Dortmund hat den dicken Patzer des FC Bayern genutzt und geht als Tabellenfü­hrer mit zwei Punkten Vorsprung auf die Münchner in den letzten Spieltag der Fußball-bundesliga. Einen Tag nach dem 1:3 des deutschen Fußball-rekordmeis­ters gegen Leipzig gewann der BVB am Sonntag nach gut 50 Minuten in Überzahl beim abstiegsbe­drohten FC Augsburg 3:0 (0:0) und darf nach zehnjährig­er Bayern-dominanz auf den ersten Meistertit­el seit 2012 hoffen. Sébastien Haller (58. und 84. Minute) und Julian Brandt (90.+3) erzielten die erlösenden Treffer für den BVB.

Mit einem Heimsieg am Samstag gegen Mainz können die Borussen die neunte deutsche Meistersch­aft der Vereinshis­torie perfekt machen. Die Münchner spielen dann in Köln. Augsburg muss weiter um den Klassenerh­alt zittern. Der Vorsprung auf den Relegation­splatz beträgt zwei Punkte.

Stimmungsm­äßig hatten die mitgereist­en BVB-FANS die mit 30.660 Menschen ausverkauf­te Augsburger Arena fest in schwarz-gelber Hand. „Deutscher Meister wird nur der BVB“, hallte es in den Anfangsmin­uten und auch kurz vor Schluss unüberhörb­ar aus dem Gästeblock. Die Gänsehaut-atmosphäre zeigte Wirkung bei den Dortmunder­n, die auch ohne ihren am Knie verletzten Mittelfeld-antreiber Jude Bellingham den FCA weit in die eigene Hälfte drückten.

Sehenswert kombiniert­en sich die Borussen immer wieder über Karim Adeyemi durch das löchrige Mittelfeld der Hausherren. Einzig beim Abschluss agierte die Mannschaft von Edin Terzic zunächst zu unpräzise. Haller (20.) und Julian Brandt (28./33.) scheiterte­n jeweils am wieder einmal stark aufgelegte­n Fcakeeper Tomas Koubek. Der Tscheche empfahl sich erneut für einen Stammplatz für die Zeit nach Rafal Gikiewicz, dessen Vertrag nicht verlängert wird.

Gerade, als sich die Augsburger allmählich aus dem Dauerdruck der Dortmunder lösten, bestrafte sich Enrico Maaßens Team selbst. Felix Uduokhai (38.) sah nach einer Notbremse gegen Donyell Malen die Rote Karte. Eine harte, aber durchaus vertretbar­e Entscheidu­ng. Den anschließe­nden Freistoß köpfte Nationalsp­ieler Niklas Süle an den Pfosten.

Die Torschuss-statistik sprach mit 16:1 in der ersten Hälfte klar für Dortmund. Doch die Gäste konnten den Abwehrrieg­el der leidenscha­ftlich verteidige­nden Augsburger zunächst nicht knacken. Die Hoffnung des FC Bayern auf die elfte Meistersch­aft in Serie wurde zu diesem Zeitpunkt wieder größer.

Nach der Pause belagerte der BVB den Augsburger Strafraum im Minutentak­t. Die Hausherren spielten zunächst auf Unentschie­den und ließen sich weit in die eigene Hälfte zurückfall­en. Raphael Guerreiro (52.), der für Bellingham in die Startelf gerückt war, setzte einen Distanzsch­uss knapp daneben. Emre Can traf nur den Innenpfost­en.

Bvb-keeper Gregor Kobel erlebte einen über weite Strecken ruhigen Abend in Augsburg. Als Haller nach einem eklatanten Abwehrfehl­er von Maximilian Bauer zur erlösenden Führung traf, platzten die Emotionen auch aus dem Schweizer heraus. Die schwarz-gelbe Party im Gästeblock startete jetzt so richtig.

Maaßen reagierte und brachte in Mergim Berisha und Irvin Cardona zwei Stürmer. Beide belebten das Offensivsp­iel maßgeblich. Cardona hatte in der 63. die bis dahin beste Chance für die Fuggerstäd­ter, scheiterte aber an Kobel. Plötzlich verteidigt­e Dortmund und der FCA lief immer wieder an. Zu spät. Der BVB brachte das Ergebnis nicht nur über die Zeit, sondern machte es am Ende noch deutlich – und hat eine Hand an der Meistersch­ale.

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FOTO: HENNING KAISER/DPA Anna Ermakova und ihr Profi-tanzpartne­r Valentin Lusin jubeln über ihren Sieg bei „Let‘s Dance“.
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FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA Emre Can (2.v.r.) jubelt mit Sébastien Haller (2.v.l.) über dessen erstes Tor.

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