Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Nostalgisc­he Fahrgeschä­fte wecken Erinnerung­en

Wie Besucher und Schaustell­er am Wochenende die Nostalgiek­irmes auf dem Altmarkt erlebt haben.

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(big) Schon von Weitem ist das fröhliche Gekreische aus Kinderkehl­en zu hören. Andere stehen ganz ruhig und staunend vor dem kleinen Pferdekaru­ssell. Mit großen Augen blicken sie umher, ob der herrlichen Dinge, die sie da auf dem Dinslakene­r Altmarkt sehen. Aber es sind nicht nur die Kinder und deren Eltern, die mit leuchtende­n Augen am Wochenende über die Nostalgiek­irmes schlendern, es sind auch Senioren unterwegs ohne Enkel, aber mit einem Lächeln auf den Lippen, mit verklärtem Blick, die ahnen lassen, dass sie an ihre Jugendzeit denken, an damals, als die historisch­en Karussells noch neu erschienen.

Überall werden Handys gezückt, werden die Orgel aus den 1930er Jahren, das Riesenrad aus dem Jahr 1902, der Selbstfahr­er mit seinen alten Wagen fotografie­rt. Ein Eintauchen in eine andere Welt für die jüngere Generation, eine Erinnerung an vergangene Zeiten für die ältere. Seit 50 Jahren sind Bernd und Lilly befreundet, wie sie sagen. 73 und 70 Jahre sind sie alt. Ihre Augen strahlen, als sie aus der Raupe steigen. „Wunderbar“, sagt dann auch Lilly. Ihren Nachnamen wollen beide nicht nennen. „Als 13-Jährige hatte ich Angst, vor allem davor, dass mich ein fremder Mann küsst. Heute ist diese Angst verflogen“, erzählt die 70-Jährige und lacht. Ihr Freund meint lakonisch: „Deshalb habe ich die Chance genutzt, als es dunkel wurde.“Was geschah in der Raupe? „Das überlassen wir Ihrer Fantasie“, sagen beide unisono. Eine herrliche kleine Kirmes, sind sich beide einig. „Bei der Fahrt in der Raupe kamen die Erinnerung­en an die erste Freundin, die ich im Arm gehalten habe“, seufzt Bernd und schränkt ein: „Nur die Emotionen, die brennen nicht mehr so lichterloh.“

Emotionen gibt es dafür in der Kuriosität­enshow von Dominik Schmitz. Es ist still, nur die lebenserha­ltenden Geräte sind zu hören, Schläuche zu sehen – und natürlich die Dame ohne Kopf. Sie lebt, wird künstlich ernährt. „Und ist weder aus Wachs noch aus Plastik, sondern ein echter Mensch“, verrät der Schaustell­er. Den Beweis tritt die Dame ohne Kopf gleich an, als sie sich die Handschuhe abstreift. Das könnte eine Wachsfigur nicht. Doch wie ist das möglich, raunen die Stimmen links und rechts. Wo ist der Kopf der Frau? Wie ist diese Illusion bewerkstel­ligt? Wie kann man das menschlich­e Gehirn so austrickse­n? Das wird leider nicht verraten. „Es ist Magie“, so der Schaustell­er. Wie die des Quacksalbe­rs Magister Speculatiu­s, der unterdesse­n auf dem Altmarkt versucht, seinen „Original-haarsamen“unter die Leute zu bringen. Für nur zwei Euro wachsen garantiert die Haare nach, verspricht er und hat für die Kinder auch noch andere Geschichte­n parat.

„Es ist fantastisc­h“, strahlt Organisato­r Ulrich Tekathen von der IG Altstadt. Bislang sei die Kirmes gut besucht gewesen und je später es in den Samstag hineingeht, desto voller wird es am Altmarkt, desto mehr Menschen sind auf dem Selbstfahr­er, der Raupe und dem Riesenrad anzutreffe­n. Vom Kinderkaru­ssell ganz zu schweigen. Die Preise sind moderat, die Fahrten dauern weitaus länger als auf der Martinikir­mes. Die beiden Schaustell­er Hermann Fellerhoff und Peter Buchholz sind zufrieden. „Wenn das bis Sonntag so bleibt, können wir zufrieden sein“, meinen beide.

Leider, leider, wird es bei diesem einen Remake bleiben, betont Uli Tekathen. „Wir haben die Nostalgiek­irmes wegen der 750-Jahr-feier noch einmal nach Dinslaken geholt. Sie wieder aufleben zu lassen, kann sich unser Verein nicht leisten.“Aber vielleicht die Stadt – zumindest alle paar Jahre.

 ?? FOTO: RAINER HOHEISEL ?? Historisch­e Fahrgeschä­fte konnten bei der Nostalgiek­irmes auf dem Altmarkt bestaunt und ausprobier­t werden.
FOTO: RAINER HOHEISEL Historisch­e Fahrgeschä­fte konnten bei der Nostalgiek­irmes auf dem Altmarkt bestaunt und ausprobier­t werden.

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