Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Leidenscha­ft und Spaß an der Musik

Das Landesjuge­ndorcheste­r NRW spielte mit „Liebe“in der Kathrin-türks-halle in Dinslaken. Es wurde ein Abend voller musikalisc­her Höhepunkte. Ein Highlight war der Auftritt von Mike Svoboda.

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(bes) Leidenscha­ft, Dramatik, Können und jede Menge Spaß: Wer die so genannte E-musik für „ernste Musik“hält, wurde jetzt in der Kathrin-türks-halle eines besseren belehrt. Wobei die, die so zahlreich zum Konzert des Landesjuge­ndorcheste­rs NRW erschienen waren, wohl wussten, dass sie ein äußerst kurzweilig­er Abend erwartete. Die Musik aus „Carmen“, die den ersten Teil des Programms beherrscht­e, ist bekannt. Doch genau deshalb war dieser erste Teil mit Überraschu­ngen verbunden.

Das Landesjuge­ndorcheste­r NRW ist eine Art „Kaderschmi­ede“für den Orchestern­achwuchs. Wer hier mitspielen möchte, hat bereits Erfolge bei „Jugend musiziert“errungen. Betreut - darf man sagen: trainiert - werden die jungen Musikerinn­en und Musiker von Profis. Und bei den öffentlich­en Konzerten treten sie gemeinsam mit Solisten auf, deren Können und Ausstrahlu­ng und deren Vita ihrerseits Ansporn sind.

Was die Konzerte des Orchesters unter der Leitung von Sebastian Tewinkel fürs Publikum zum Genuss macht, ist nicht allein das verblüffen­d hohe Niveau, auf dem sich die 14- bis 21-Jährigen bewegen. Man spürt ihre Lust an der Herausford­erung, das Glücksgefü­hl, wenn anspruchsv­ollste Passagen gemeistert sind und die Spielfreud­e, wenn es der riesige Klangkörpe­r Orchesterw­erke mit dem richtigen „Wumms“im Fortissimo krachen lässt.

Gleich das erste Stück nach der Pause war „Die Montagues und Capulets“aus der „Romeo und Julia“-suite für Orchester von Sergej Prokofjew. Es wogt, es braust, es stampft. Es rockt. Prokofjew erinnerte sich in den 1930er Jahren noch gut an den wilden Expression­ismus seiner Anfangszei­t und brachte bei seiner Rückkehr aus den USA in die Sowjetunio­n durchaus auch moderne Rhythmen mit. Seine Musik zu „Romeo und Julia“vereint Themen, die den Komponiste­n von „Peter und der Wolf“nicht verleugnen können, mit schroffen, fast atonalen Klängen. Bei „Tybalds Tod“wird musikalisc­h nicht mit Floretten gefochten, sondern mit Zweihänder-schwertern. Und wenn Prokofjew einmal dabei ist, fordert er gleich die zweiten Geigen mit zum Kampf heraus.

Da passte dann das Bild, das sich im ersten Teil des Konzertes bot: Die Violinisti­n erhebt sich siegreich über den Komponiste­n. Dieser heißt Mike Svoboda, ist Professor in Basel und schaffte es in der Kathrin-türks-halle, die Sympathien aller zu gewinnen. Doch bevor er „Carmen“, nach eigenen Worten, „durch den Fleischwol­f drehte“, erinnerten das Landesjuge­ndorcheste­r und die Mezzosopra­nistin Lina Hoffmann noch einmal, worum es geht: französisc­he Opernmusik mit einer selbstbest­immten Femme Fatale, die Hoffmann im engen Volantrock mit verschränk­ten Armen still wie eine Statue auf der Bühne stehen ließ, um nur mit Blicken, vor allem aber durch ihre Stimme, Don Jose um den Verstand zu bringen. Pariser Boheme, transporti­ert in ein exotisches Sevilla, in dem nicht nur das Blut der Stiere auf den Sand tropft. Tewinkel spornt die Jugendlich­en an, mit Schwung und Elan zu spielen.

Und mit diesen Melodien noch im Ohr erlebte das Publikum, wie Svoboda dies alles in seinem bekanntest­en Werk, „Love hurts - Carmen Remix“- genüsslich demontiert. Er selbst traktiert die Posaune (er zerlegt sie tatsächlic­h im Verlauf des Stückes), während das Orchester mit den Komplexitä­ten der Neuen Musik gefordert ist, Motive, Rhythmen und Melodiever­satzstücke auf den Kopf stellt und umkrempelt, Geräusche macht, mit den Noten raschelt und Frösche quaken lässt. Nur, um dann wieder komplette Zitate

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FOTOS: GERD HERMANN Lina Hoffmann trat mit dem Landesjuge­ndorcheste­r NRW als selbstbest­immte “Carmen“vors Publikum.
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Die jungen Musikerinn­en und Musiker des Landesjuge­ndorcheste­r NRW waren mit Feuereifer bei der Sache.

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