Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Die positive Energie von Freundschaft
Einen Abend voller Emotion und Wahrhaftigkeit bescherte der Klarinettist Giora Feidman mit einem Konzert im Rahmen seiner Friendship-tour. Das Publikum in der Kathrin-türks-halle war ergriffen.
(bes) Giora Feidmans Konzerte sind mehr als eine Reihung musikalischer Perlen. Sie sind in Worten und in Instrumentalmusik ausgesprochene Botschaften für eine bessere Welt, die so leicht zu erkennen und doch so schwer zu erreichen ist. Am Donnerstag gab der legendäre Klarinettist im Rahmen seiner Friendship-tour zum 75. Bühnenjubiläum ein Konzert in der Kathrin-türks-halle. Ein leises, kammermusikalisches Konzert in Quartettbesetzung und zugleich die Lektion eines großen, unermüdlichen Versöhners über die Werte im Leben, die wirklich zählen.
87 Jahre ist Giora Feidman nun alt, sein Gang ist vorsichtig, die Bandscheibe macht ihm zu schaffen. Doch wenn er redet und Klarinette spielt, dann ist da ein Feuer, das einen ganzen Saal zu wärmen vermag. Und bisweilen heftig auflodert. „Noten haben keine Religion“wiederholt er mit Nachdruck, als säßen die, die kritisiert haben, dass er, der gläubige Jude, Majid Montazers Komposition über den muslimischen Gebetsruf Azan spielt, im Publikum. Dann setzt er die Klarinette an und spielt die Melodie mit einer Tiefe und Wahrhaftigkeit, die mit dem „Spielen“von Musik nichts mehr zu tun hat. Es ist der Ausdruck, der die Zuhörenden weit über die Möglichkeiten des gesprochenen Worts hinaus erreicht. Aber nicht der Höhepunkt der Intensität.
Der Azan endet, Feidman hebt – nun begleitet von seinen Mitmusikern Vytis Šakūras (Flügel), Piotr Niewiadomski (Violine) und German Prentki – zu einer schlichten, sich wiederholenden und dann Schritt für Schritt aufsteigenden Melodie an. 1000 Mal gehört in Hunderten von Coverversionen, die für das Stück meistens nur eines bedeuteten: Sie haben ihm die Magie
geraubt. Doch jetzt ist es Giora Feidman, der Leonard Cohens „Hallelujah“den Azan beantworten lässt mit einer Aura, die sonst nur Leonard Cohen in dessen Konzerten umgab. Und das Publikum ist ergriffen, gerührt und stimmt ein. Leise und dann immer lauter erklingt sein „Hallelujah.“Es ist, als würde in diesem Moment dem Cohen-song eine weitere Strophe geschenkt.
„Ihr singt wunderschön“, kommentiert Giora Feidman und lächelt. Sein Thema an diesem Abend ist Energie. Die positive Energie von Freundschaft, Liebe, in sich ruhendem Glück. Nostalgie als Erinnerung an Schönes, das man erleben durfte. Respekt. Majid Montazer hat einen Zyklus über diese Energien geschrieben, die Stücke ziehen
Ausdrucksstarke Vertonungen Die Werke, die Feidman mit seinem hervorragenden Quartett spielte, sind ruhige, fast zarte, aber immer ausdrucksstarke Vertonungen von Gefühlen und Werten der Menschlichkeit. Die kammermusikalischen in unterschiedlichen Besetzungen Miniaturen bildeten im Konzert die Klammer und den ruhenden Gegenpol zum traditionellen Klezmer.
„Aber alles ist Klezmer“, protestierte Feidman 2020 in einem Interview. Also anders: Es ist Feidmans Klarinettenspiel, wenn er mit der jüdischen Musik voller Seele und Lebensfreude eine Energie freisetzt, die mitreißt. Dann spricht die Klarinette nicht zu den Menschen: Sie lacht.
Lässt Piotr Niewiadomski ätherisch auf den Saiten der Violine die Seele der Musik schwingen, so hat der Ton von Feidman eine Körperlichkeit, die greifbar ist wie dessen Hände, mit denen er sich nach einem gelungenen Stück auf die Schenkel schlägt. Das Lachen von Feidmans Klarinette beim Klezmer ist ein kraftvolles, herzliches, weil aus dem Herzen kommendes und ansteckendes, weil berührendes Lachen. Es sagt mehr als alle Worte. Es ist, um bei dem Konzept des Programms zu bleiben, Energie.
Stehende Ovationen, eine Zugabe, dann nahm sich Feidman die Zeit, im Foyer CDS, Bücher und Noten zu signieren.