Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Bärbel Bas: „Am Ziel sind wir noch lange nicht“
Beim Frauenempfang im Rathaus machte die Bundestagspräsidentin den Zuhörerinnen Mut. Sie forderte „echte Gleichstellung“.
(geg) Bürgermeisterin Ulrike Westkamp und die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Wesel, Regina Lenneps, hatten am Samstag zum 21. Frauenempfang ins Rathaus eingeladen. Als Ehrengast war Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eingeladen, die einen Impulsvortrag hielt. Ihre Botschaft darin: „Lassen wir uns nicht von stereotypen Frauenbildern klein halten! Wir brauchen die Mutigen und die Sorgfältigen, die Wissbegierigen und die Kreativen, die Frechen und die Nachdenklichen, die Sensiblen und die Hartnäckigen. Junge Frauen und Mädchen wissen es heute besser. Sie können alles erreichen, was sie wollen. Zusammen sollten wir sie in diesem Wissen immer wieder bestärken.“
Doch bevor sie zum Vortrag schritt, stand sie den Damen im Saal auf deren Wunsch 20 Minuten lang für Selfies zur Verfügung. Ihren Kaffee trank sie dabei zwischendurch. Für ihre beiden Personenschützer aus dem Bundeskriminalamt war das ein eher entspannter Termin, wie diese auf Nachfrage sagten.
„Hier sind eigentlich keine Störungen zu erwarten.“Punkt 11 Uhr war dann aber Schluss mit Selfies. Nach der Begrüßung durch die Gleichstellungsbeauftragte erinnerte Bürgermeisterin Westkamp an den beschwerlichen Weg der Frauen bis zur Gleichberechtigung. Und doch: „Die Lebenswirklichkeit heute ist nicht von Fortschritt geprägt.“
In ihrem Vortrag würdigte Bärbel Bas, nachdem sie sich in das Goldene Buch der Stadt eingetragen hatte, die Tatsache, dass Bürgermeistern Westkamp dieses Amt bereits seit 20 Jahren bekleidet. Bas erinnerte daran, dass viele Vorgängerinnen die heutigen Chancen der Frauen mühsam erkämpft hätten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wären es die Trümmerfrauen gewesen, die das Land wieder aufgebaut hätten. Und auch am Aufbau der Demokratie hätten Frauen einen prägenden Anteil gehabt. Frauen wie Grete Thiele, Aenne Brauksiepe, Jeanette Wolf oder Helene Werber kämpften beispielsweise leidenschaftlich, um im männerdominierten Bonner Plenum gehört und ernst genommen zu werden. Bärbel Bas berichtete: „Sie haben Politik und Geschichte gestaltet.“
Heute gebe es die Frauenquote bei Aufsichtsräten oder ein Entgelttransparenzgesetz. Aber: „Am Ziel der echten Gleichstellung sind wir noch lange nicht.“Das Weltwirtschaftsforum habe im Jahr 2023 gemessen, dass die Gleichstellung erst im Jahr 2145 erreicht werde, wenn es in diesem Tempo weitergeht. Dieser Prozess müsse beschleunigt werden. Aber woran hapere es in Deutschland? Im Laufe eines Frauenlebens würden sich verschiedene Hindernisse auftun, so Bas. Die Bundestagspräsidentin findet, dass die größte Hürde zu echter Gleichstellung in den Köpfen stecke - männlichen wie weiblichen. Echte Gleichstellung bedeute aber auch gleiche Teilhabe an der Macht - in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und allen anderen Bereichen. Doch noch immer würden Frauen zu selten in Spitzenpositionen durchdringen.
Bärbel Bas sagte: „Der Fortschritt ist leider kein Selbstläufer.“Und: „Wir erreichen die Parität nicht durch Abwarten. Wir müssen uns dafür einsetzen. Weg von freiwilligen Quoten, hin zum verbindlichen Fifty-fifty.“Die Bundestagspräsidentin möchte jungen Frauen und Mädchen Mut machen. Mut, sich einzubringen, dem eigenen Urteil und der eigenen Stärke zu vertrauen, aber auch den Mut sich treu zu bleiben. Für den musikalischen Rahmen sorgte der Chor „Collegium Vocale“der St.-nikolaus-gemeinde, für vielfaches Staunen die Sandkünstlerin Elena Handel, die mit Musik, Licht und Sand künstlerische Geschichten erzählte.