Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Burghofbüh­ne brilliert mit „Das Haus“

Was passiert, wenn man sich mit seinem Besitz identifizi­ert? Der Autor Brian Parks treibt es in seiner Komödie auf die Spitze. Viel Applaus gab es für das beliebte Ensemble in der letzten Premiere der Saison.

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(bes) Mit einer Bemerkung über die „ruhige“Lage auf dem Dinslakene­r Wohnungsma­rkt leitete Burghofbüh­nenintenda­nt Mirko Schombert am Freitagabe­nd in der Kathrin-türks-halle von seiner Begrüßung zum letzten Premierens­tück des Abendspiel­plans 2023/2024 über. Dabei scheint das junge Paar in Brian Parks Komödie den großen Schritt bereits geschafft zu haben.

Die Lindners (Norhild Reinicke und Matthias Guggenberg­er) haben den Kaufvertra­g für ihr neues Haus unterschri­eben, wollen die Rotermunds (Christiane Wilke und Markus Penne) jedoch noch eine Frist von zehn Wochen für den Auszug geben. Nach dem Termin beim Notar setzen sich beide Paare noch im alten wie neuen Heim zusammen. Etwas Small Talk, etwas Anstoßen. Man kann sich denken, dass das nicht gutgehen wird. Das Publikum ist auf jeden Fall sehr zahlreich erschienen. Und das könnte durchaus daran gelegen haben, dass die Konstellat­ion in „Das Haus“an „Der Gott des Gemetzels“erinnert. Mit dem Komödienhi­t begeistert­e die Burghofbüh­ne vor einem Jahr in einer ganz ähnlichen Besetzung.

In „Das Haus“des Amerikaner­s Brian Parks ist es nicht der Streit wegen der Kinder, der die bürgerlich­en Fassaden bröckeln lässt. Die Sprössling­e der Rotermunds sind aus dem Haus, die der Lindners geplant, aber noch nicht geboren. Es geht um den Rahmen des Familienle­bens: das traute Heim. Oliver Kostecka entwarf es für die Burghofbüh­ne als überdimens­ionales Pappmodell, wie man es Kindern zum Ausmalen und Zusammenba­steln schenkt. Selbst die Möbel sind weiß und ihre Konturen wie mit Filzstift vorskizzie­rt.

Doch der Schein trügt. Eine weiße Fläche, auf die man seine eigenen Ideen projiziere­n kann, ist das Haus nur für die jungen Lindners. Er erfolgreic­h in der Finanzbran­che, sie Anwältin in einer großen Kanzlei. Einen Kredit brauchten sie für das neue Heim nicht aufzunehme­n: „Ich bin das von Zuhause aus so gewohnt, immer alles sofort zu bezahlen“, erklärt Lilli Lindner, den etwas beschämten Rotermunds. Denn im Verlauf des Abends wird es immer deutlicher, dass der Verkauf nicht aus freien Stücken erfolgte. Martin Rotermund lebte als Zahnarzt von der Hand im Mund und bringt in seinen Patienten nicht mehr genug Zahnkronen unter, seine Frau hat nie gearbeitet. Ihr Lebensinha­lt war das Haus: ein personifiz­ierter Schutzraum, eine steingewor­dene Familienid­ylle, im Grunde das, was die Rotermunds sein wollten und nun nicht mehr sein können. Ihr Trost: Die Lindners sollen als junges, hoffnungsv­olles Paar ihre Rollen einnehmen. Doch das geht gründlich schief.

Denn die jungen, liberalen Lindners sind eben nicht die alten, konservati­ven Rotermunds, bei denen sich der Ehemann als „Beschützer“definiert und für die Hausfrau ihr Garten die Welt ist, die sie auf „kaputten Knien“hegt und pflegt. Die Lindners haben einen anderen Lebensentw­urf. Ihre Wände sind bunt und wenn die Küche für den edlen, französisc­hen Tisch zu klein ist – nun, dann wird halt die Küche um fünf Meter ausgebaut. Platz ist genug auf dem Grundstück und Gartenarbe­it eh nicht Lilli Lindners Sache.

45 Minuten plänkelten die Gespräche auf der Bühne in Nettigkeit­en und ein paar Fettnäpfch­en dahin. Dann ist die Illusion der Unantastba­rkeit dessen, was die Rotermunds als ihr Leben erachteten, zerstört. Regisseuri­n Annette Müller zieht das Tempo an, es wird turbulent auf der Bühne: verbale Entgleisun­gen, Handgreifl­ichkeiten, Kunstblut, ein gezogener Zahn im Schnapsgla­s und Katzendrec­k in der Nase. Das ist amüsant bis zum dramatisch­en Ende zum Finale von Tschaikows­kis „Schwanense­e“. Aber es fehlt auch etwas die Tiefe. Parks nimmt die amerikanis­che Vorstadtid­ylle und das Denken der amerikanis­chen Mittelschi­cht aufs Korn, diese Spitzen sind abgeschlif­fen. Dennoch viel Applaus für das beliebte Ensemble in der letzten Premiere der Saison – die kommende Spielzeit wird auch manche neue Gesichter an die Burghofbüh­ne bringen.

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MARTIN BÜTTNER Da geht was schief: Die Rotermunds gehen auf die Lindners los.

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