Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ein Jubilar ohne Plan
Die Geburtstagseloge zum 75. der Nato an diesem Donnerstag geht scheinbar einfach: Vor fünf Jahren noch für „hirntot“und „obsolet“erklärt, ist die Nato so stark und so attraktiv wie nie zuvor. Von zehn auf 32 Staaten gewachsen, kann sie stolz darauf sein, dass keines ihrer Mitglieder – abgesehen vom 11. September 2001 – je angegriffen wurde. Doch das ist nur der oberflächliche Befund. Tatsächlich besteht Grund zur Sorge.
Das wird schon beim Blick auf den ursprünglichen Zweck deutlich, der darin bestand, die Amerikaner drinnen, die Sowjets draußen und die Deutschen unten zu halten. Aktuell fürchtet das Bündnis, die USA könnten sich aus ihrer Rolle im Nordatlantik verabschieden, hat Moskau das Heft des kriegerischen Handelns in Europa übernommen und werden von den weit oben angesiedelten Deutschen zusätzliche Führungsaufgaben erwartet.
Alle Appelle, Warnungen und Drohungen der Nato haben Russland nicht davon abhalten können, die Ukraine zu überfallen und als freien Staat auslöschen zu wollen. Statt dem Aggressor rote Linien aufzuzeigen, zieht das Bündnis rote Linien für sich selbst. Damit gibt die Nato Putin die Herrschaft über die Eskalation und nimmt sich selbst als Faktor vom Feld.
Die Beschimpfung der Nato als kriegslüsterne Angriffsallianz existiert eben nur in den Kreml-narrativen, die ganz rechts und ganz links kultiviert werden. In Wahrheit ist die Nato auch hier das Gegenteil: Der eigene Frieden geht vor. Auch vor der Sicherheit in Europa. Es gibt bei der Nato kein Konzept, keinen Plan, Putin zum Aufgeben zu bewegen. Die Bedrohung des Weltfriedens durch Moskau und Peking würde die Gründung eines einigen und entschlossenen westlichen Bündnisses erfordern. Doch es gibt halt schon die Nato, und die kann an ihrem Geburtstag vor Kraft nicht laufen.