Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Ein krankes Schulsyste­m

- VON SINA ZEHRFELD

Die Zahlen zum Unterricht­sausfall in NRW sind das nächste Symptom eines kranken Schulsyste­ms. Noch schlimmer als die komplett gestrichen­en Unterricht­szeiten ist dabei der Anstieg bei der Zahl der Vertretung­sstunden. Für die Schüler sind sie häufig verschenkt­e Zeit. Wenn eine Lehrkraft sich durch geöffnete Türen und über den Flur hinweg in der Aufsicht über zwei Klassen zerreißt oder jemand statt Mathe spontan in einer fremden Lerngruppe Biologie gibt, kommt dabei wenig für sie herum. Dafür ist es für die Lehrer umso stressiger. Darum haben solche Verhältnis­se leider langfristi­ge Auswirkung­en: Ein Krankheits­fall treibt das Arbeitspen­sum für die ohnehin schon überarbeit­eten Kollegen noch weiter in die Höhe, und das trägt zu all den Dingen bei, die den Job insgesamt unattrakti­v machen. Dabei braucht NRW mehr Lehrkräfte, mehr Lehrkräfte und noch mal mehr Lehrkräfte.

Für den herrschend­en Mangel darf man der aktuellen Landesregi­erung nicht stumpf die Schuld geben: Die Pädagogen, die den Schulen heute fehlen, wurden in früheren Jahren nicht ausgebilde­t. Allerdings dürften höhere Krankenstä­nde oder Kündigunge­n heute zumindest zu einem Teil auf den zusätzlich­en Druck zurückzufü­hren sein, den neue Änderungen am System auslösen. Schulminis­terin Dorothee Feller (CDU) wird sich von Maßnahmen verabschie­den müssen, die die Situation eigentlich entspannen sollten, es aber nicht tun – beispielsw­eise die Einschränk­ung von Teilzeit. Auf keinen Fall darf sie hingegen auf Investitio­nen in die Zukunft verzichten. Lehrer-fortbildun­gen etwa kosten Unterricht­szeit, sind aber unbedingt notwendig. Völlig unbegreifl­ich wiederum ist es, wie gelassen das Land bislang darauf reagiert, dass die Zahl der neu ausgebilde­ten Lehrkräfte in den vergangene­n Jahren immer weiter zurückgega­ngen ist. Das begründet den Mangel von morgen.

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