Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Polizei beendet Protest in Notunterkunft
Mehrere Wohnungslose wehren sich gegen die Regelung, im Frühjahr und Sommer das Gebäude am Herzogenring von 8 bis 16 Uhr verlassen zu müssen. Trotz Kompromiss mit dem Sozialamt wollen die Obdachlosen nun die Politik einschalten.
Laien mögen verwundert sein über eine seit Jahren von der Stadt praktizierte Regelung, dass Wohnungslose in den Frühlingsund Sommermonaten die Obdachlosenunterkunft am Herzogenring werktags von 8 bis 16 Uhr verlassen müssen, während es solche Schließzeiten für Menschen in den Weseler Asylbewerberunterkünften nicht gibt. Doch mittlerweile begehren viele Bewohner der innerstädtischen Notunterkunft gegen diese Regelung auf.
„Wir könnten mit dem Kompromiss leben, die Unterkunft von 8 bis 12 oder 13 Uhr zu verlassen, um beispielsweise Behördengänge zu machen“, sagt Renate Hoppe, eine der Betroffenen. Aber danach, so die 53-Jährige, müsse es doch möglich sein, in das Gebäude zurückzukehren. „Zumal ich beispielsweise als Reinigungskraft arbeite und mein Dienst um 16.30 Uhr beginnt. Da würde ich mich gerne vor Arbeitsbeginn noch einmal frisch machen. Und das geht so nicht.“Theoretisch könnte sie auch in die Notunterkunft an der nahen Fluthgrafstraße wechseln. „Doch müsste ich dort 80 Stufen hochlaufen. Das schaffe ich nicht. Und kranke oder frisch operierte Obdachlose auch nicht.“
Um ihrer Forderung nach kürzeren Schließzeiten Nachdruck zu verleihen, haben sich zahlreiche Bewohner der Notunterkunft am Herzogenring am Montagmorgen um 8 Uhr geweigert, das Gebäude zu verlassen. Dass die Leute der Sicherheitsfirma die Polizei verständigt und um Amtshilfe gebeten haben, damit hatten Renate Hoppe und ihre Mitstreiter gerechnet.
Ohne Widerstand zu leisten, folgten alle den Anweisungen der Beamten, verließen die Notunterkunft, um dann ins benachbarte Sozialamt zu gehen, um sich dort zu beschweren. Nach einem kurzen Dialog mit Sozialamtsleiterin Heike Kemper bat diese darum, aus der Gruppe drei Sprecher zu benennen, um über die Sache zu diskutieren. Natürlich war Renate Hoppe Teil des Sprechertrios.
Auf Anfrage erklärte sie, dass mit dem Sozialamt ein Kompromiss vereinbart worden sei. „Allerdings ein fauler. Wir dürfen ab sofort um 14 Uhr in die Notunterkunft zurückkehren. Ab Anfang Juni aber, wenn es heiß wird, will man zu der bekannten Regelung 8 bis 16 Uhr zurückkehren.“Was Renate Hoppe und ihre Mitstreiter nicht verstehen können, sollen Aussagen des Sozialamtes sein, dass Asylbewerber ja in den Unterkünften wohnen müssten, die Wohnungslosen aber freiwillig in den Notunterkünften leben würden. „Wir sind auch nicht freiwillig hier. Wer den Wohnungsmarkt in Wesel kennt, weiß, dass es kaum möglich ist, eine bezahlbare Wohnung zu bekommen“, sagt sie.
Wie gesagt: Mit dem nun vorübergehend gefundenen Kompromiss wollen sich die Bewohner der Notunterkunft am Herzogenring nicht zufrieden geben. Aus diesem Grund möchte Renate Hoppe kurzfristig Kontakt zur Politik aufnehmen. Genauer gesagt zu Jürgen Linz, dem Chef der Cdu-fraktion. Denn schließlich verfügt die CDU als stärkste Fraktion zusammen mit den Grünen und der FDP über die Mehrheit im Weseler Rat.
Jürgen Linz sind die Probleme in der Obdachlosenunterkunft nicht fremd. Hatte er doch im vergangenen Jahr zusammen mit unserer Redaktion ein Gespräch mit vier Wohnungslosen geführt und dafür gesorgt, dass die Probleme in der Notunterkunft im Fachausschuss öffentlich diskutiert wurden. Das alles hatte zur Folge, dass es Veränderungen in puncto Sicherheitsdienst gegeben hat.
Und was sagt das Sozialamt zu der ganzen Problematik? Heike Kemper erklärte am Nachmittag auf Anfrage, dass man den Eindruck gehabt habe, dass die Wohnungslosen mit dem Kompromiss durchaus leben könnten. Es sei tatsächlich so, dass es in Wesel sehr schwierig sei, kleine und bezahlbare Wohnungen zu finden. Dass die Bewohner der Notunterkunft von 8 bis 14 Uhr beziehungsweise ab Sommer wieder bis 16 Uhr die Einrichtung verlassen müssen, sei durchaus sinnvoll. „Wir wollen damit die Selbstständigkeit der Menschen fördern“, so Kemper. „Ich weiß natürlich, dass das ein ganz schwieriges Thema ist.“