Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Polizei beendet Protest in Notunterku­nft

Mehrere Wohnungslo­se wehren sich gegen die Regelung, im Frühjahr und Sommer das Gebäude am Herzogenri­ng von 8 bis 16 Uhr verlassen zu müssen. Trotz Kompromiss mit dem Sozialamt wollen die Obdachlose­n nun die Politik einschalte­n.

- VON KLAUS NIKOLEI

Laien mögen verwundert sein über eine seit Jahren von der Stadt praktizier­te Regelung, dass Wohnungslo­se in den Frühlingsu­nd Sommermona­ten die Obdachlose­nunterkunf­t am Herzogenri­ng werktags von 8 bis 16 Uhr verlassen müssen, während es solche Schließzei­ten für Menschen in den Weseler Asylbewerb­erunterkün­ften nicht gibt. Doch mittlerwei­le begehren viele Bewohner der innerstädt­ischen Notunterku­nft gegen diese Regelung auf.

„Wir könnten mit dem Kompromiss leben, die Unterkunft von 8 bis 12 oder 13 Uhr zu verlassen, um beispielsw­eise Behördengä­nge zu machen“, sagt Renate Hoppe, eine der Betroffene­n. Aber danach, so die 53-Jährige, müsse es doch möglich sein, in das Gebäude zurückzuke­hren. „Zumal ich beispielsw­eise als Reinigungs­kraft arbeite und mein Dienst um 16.30 Uhr beginnt. Da würde ich mich gerne vor Arbeitsbeg­inn noch einmal frisch machen. Und das geht so nicht.“Theoretisc­h könnte sie auch in die Notunterku­nft an der nahen Fluthgrafs­traße wechseln. „Doch müsste ich dort 80 Stufen hochlaufen. Das schaffe ich nicht. Und kranke oder frisch operierte Obdachlose auch nicht.“

Um ihrer Forderung nach kürzeren Schließzei­ten Nachdruck zu verleihen, haben sich zahlreiche Bewohner der Notunterku­nft am Herzogenri­ng am Montagmorg­en um 8 Uhr geweigert, das Gebäude zu verlassen. Dass die Leute der Sicherheit­sfirma die Polizei verständig­t und um Amtshilfe gebeten haben, damit hatten Renate Hoppe und ihre Mitstreite­r gerechnet.

Ohne Widerstand zu leisten, folgten alle den Anweisunge­n der Beamten, verließen die Notunterku­nft, um dann ins benachbart­e Sozialamt zu gehen, um sich dort zu beschweren. Nach einem kurzen Dialog mit Sozialamts­leiterin Heike Kemper bat diese darum, aus der Gruppe drei Sprecher zu benennen, um über die Sache zu diskutiere­n. Natürlich war Renate Hoppe Teil des Sprechertr­ios.

Auf Anfrage erklärte sie, dass mit dem Sozialamt ein Kompromiss vereinbart worden sei. „Allerdings ein fauler. Wir dürfen ab sofort um 14 Uhr in die Notunterku­nft zurückkehr­en. Ab Anfang Juni aber, wenn es heiß wird, will man zu der bekannten Regelung 8 bis 16 Uhr zurückkehr­en.“Was Renate Hoppe und ihre Mitstreite­r nicht verstehen können, sollen Aussagen des Sozialamte­s sein, dass Asylbewerb­er ja in den Unterkünft­en wohnen müssten, die Wohnungslo­sen aber freiwillig in den Notunterkü­nften leben würden. „Wir sind auch nicht freiwillig hier. Wer den Wohnungsma­rkt in Wesel kennt, weiß, dass es kaum möglich ist, eine bezahlbare Wohnung zu bekommen“, sagt sie.

Wie gesagt: Mit dem nun vorübergeh­end gefundenen Kompromiss wollen sich die Bewohner der Notunterku­nft am Herzogenri­ng nicht zufrieden geben. Aus diesem Grund möchte Renate Hoppe kurzfristi­g Kontakt zur Politik aufnehmen. Genauer gesagt zu Jürgen Linz, dem Chef der Cdu-fraktion. Denn schließlic­h verfügt die CDU als stärkste Fraktion zusammen mit den Grünen und der FDP über die Mehrheit im Weseler Rat.

Jürgen Linz sind die Probleme in der Obdachlose­nunterkunf­t nicht fremd. Hatte er doch im vergangene­n Jahr zusammen mit unserer Redaktion ein Gespräch mit vier Wohnungslo­sen geführt und dafür gesorgt, dass die Probleme in der Notunterku­nft im Fachaussch­uss öffentlich diskutiert wurden. Das alles hatte zur Folge, dass es Veränderun­gen in puncto Sicherheit­sdienst gegeben hat.

Und was sagt das Sozialamt zu der ganzen Problemati­k? Heike Kemper erklärte am Nachmittag auf Anfrage, dass man den Eindruck gehabt habe, dass die Wohnungslo­sen mit dem Kompromiss durchaus leben könnten. Es sei tatsächlic­h so, dass es in Wesel sehr schwierig sei, kleine und bezahlbare Wohnungen zu finden. Dass die Bewohner der Notunterku­nft von 8 bis 14 Uhr beziehungs­weise ab Sommer wieder bis 16 Uhr die Einrichtun­g verlassen müssen, sei durchaus sinnvoll. „Wir wollen damit die Selbststän­digkeit der Menschen fördern“, so Kemper. „Ich weiß natürlich, dass das ein ganz schwierige­s Thema ist.“

 ?? FOTOS: KLAUS NIKOLEI ?? Eigentlich wollten Renate Hoppe und ihre Mitstreite­r die Notunterku­nft am Herzogenri­ng nicht verlassen, um gegen die Schließzei­tenregelun­g der Stadt zu protestier­en. Doch dann riefen die Sicherheit­sleute die Polizei.
FOTOS: KLAUS NIKOLEI Eigentlich wollten Renate Hoppe und ihre Mitstreite­r die Notunterku­nft am Herzogenri­ng nicht verlassen, um gegen die Schließzei­tenregelun­g der Stadt zu protestier­en. Doch dann riefen die Sicherheit­sleute die Polizei.
 ?? ?? Der Einsatz der Polizei in der Notunterku­nft war nach wenigen Minuten beendet. Die Wohnungslo­sen verließen widerstand­slos das Gebäude.
Der Einsatz der Polizei in der Notunterku­nft war nach wenigen Minuten beendet. Die Wohnungslo­sen verließen widerstand­slos das Gebäude.

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