Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Die Sammlung blüht
Diese Meisterwerke kann man nur wenige Tage lang bestaunen: Bis 21. April stellen Floristen beim „Palastblühen“prachtvolle Blumenarrangements in Düsseldorf aus – im Dialog mit Gemälden, Skulpturen und Räumen.
Wenn man es geschickt anstellt und die Umstände günstig sind, kann so ein Kunstwerk mehrere Zehntausend Jahre halten. Das älteste bekannte Gemälde der Welt soll nicht weniger als 45.000 Jahre alt sein. Sicher verwahrt und wohltemperiert, eignet sich Kunst bisweilen sogar als Wertanlage.
Ganz anders sieht es bei den neuen Ausstellungsstücken aus, die der Düsseldorfer Kunstpalast seit Freitag in seiner Sammlung präsentiert. Diese Kunstwerke sind nämlich dermaßen vergänglich, dass sie nur knapp zehn Tage lang bewundert werden können – dann ist der Zauber schon wieder vorbei. Kaum drapiert, tickt schon die Uhr: Mit jedem Tag verblühen sie ein bisschen mehr.
Für die Ausstellung „Palastblühen“hat sich der Kunstpalast auf die Suche nach Düsseldorfer Floristinnen und Floristen gemacht, die Lust hatten, sich die Sammlung des Museums genau anzuschauen und Werke floral zu interpretieren, die sie persönlich besonders interessieren. Das Ergebnis sind 27 außergewöhnliche Blumenarrangements, die sich auf unterschiedliche Arten in die Anmutung der Gemälde, Skulpturen und Ausstellungsräume fügen. Mal nehmen die Blumen markante Farben eines Ölgemäldes auf, mal kommentieren sie durch ihre Anordnung die besondere Form einer Skulptur. Und manchmal korrespondieren sie gleich mit dem ganzen Raum: Die Wendeltreppe im zweiten Stock etwa ist jetzt in ein Meer aus weißen Callas gehüllt.
Der Zusammenhang zwischen blühendem Meisterwerk und dazugehörigem Kunstobjekt ist für den Betrachter meist schnell hergestellt, ganz intuitiv. Die temporär angebrachten lila Tafeln, die die Blumenkunst und ihre Erschaffer ausweisen, liefern einen zusätzlichen Überblick darüber, welches Bouquet zu welchem Werk gehört. In der letzten Zeile ist auch hier das verwendete Material vermerkt, wie es sich für ein Kunstwerk gehört. Aber statt des altbekannten „Öl auf Leinwand“finden sich hier olfaktorisch anmutende Begriffe wie „Gloriosen“, „Butterfly-ranunkeln“und „Weiße Vandablüten“.
Letztere gehören zum Floristenteam um Tino Hoogterp vom Blumenhaus am Hofgarten, das die kostbare Orchideen-unterart in opulenter Zahl neben der ebenso schneeweißen Marmorskulptur „Die Steinklopferin“von Karl Janssen aufgebaut hat, darüber ein zartes Tuch gespannt. Hilfsmittel wie Vasen und dekorative Elemente seien beim „Palastblühen“erlaubt, die Blüten sollen aber im Mittelpunkt stehen, so Projektleiterin Lena Spoo. Meist seien diese auch der kostbarste Teil der Installation.
„Mit der Ausstellung wollen wir auch ein neues Bewusstsein für das
Floristenhandwerk schaffen“, sagt sie: „Blumen sind sehr teuer, wenn man sie nicht bei Aldi oder Lidl an der Kasse kauft.“Die Branche befinde sich gerade im Umbruch, viele kleinere Betriebe sterben aus. „Während der Pandemie wurden viele Blumen gekauft, weil die Menschen oft zu Hause waren. Aber danach gab es einen Einbruch“, bedauert Spoo die Entwicklung.
Die Idee, Kunstwerke aus Blumen ins Museum zu holen, hatten auch schon Kuratoren in den Vereinigten Staaten. Vergleichbare Ausstellungen finden dort jährlich in mehreren Museen statt, darunter das Saint Louis Art Museum oder das Museum of Fine Arts, Boston. Die Häuser hoffen, so auch Menschen ins Museum zu locken, die bislang nicht zum klassischen Publikum zählen.
In Düsseldorf scheint der Plan aufzugehen: „Bis jetzt hat sich noch niemand über die Blumen beschwert. Ganz im Gegenteil: Viele zücken die Kamera oder das Handy“, sagt Pressesprecherin Christina Bolius. „Unglaublich“, entfährt es einer Besucherin beim Anblick der Blumenkomposition von Victor Breuer vor dem Bild „Amor, einen Pfeil in ein Herz stechend“der Malerin Sally von Kügelgen. Schwer zu sagen, ob sie die Blumen, das Gemälde oder die Kombination aus beidem meint. Die Bouquets liefern neue Interpretationsmöglichkeiten, auch für Kunstliebhaber, die die Werke aus der Sammlung bereits kennen.
Und sie sprechen einen zusätzlichen Sinn an. Ganz besonders sinnlich duftet das von Nina Gehrke aus Lunaria Silberblatt konstruierte Bäumchen, das unter dem Titel „Licht“dem aus Aluminium und Glas gebautem Werk „Kleiner Urwald“von Heinz Mack Gesellschaft leistet. Manche Floristen wählten aber auch mit Absicht Blumen, die wenig duften, um dem Auge genug Raum zu lassen.
Die Blumen im Arrangement „Kopiekopie“von Nina Gehrke riechen nach überhaupt nichts, denn sie sind aus Seide. Bis ins kleinste Detail hat Gehrke die Blüten dem Gemälde „Blumenstrauß in einer Vase“nachempfunden, einer Kopie nach Rachel Ryusch. „Die künstlichen Blumen sind sozusagen die Kopie der Kopie“, sagt Bolius.
Bei der Wahl der Werke und der Gestaltung ihrer Arrangements hatten die Floristen freie Hand. Alla Mandic von Nymph-blumen reflektiert mit „Eine andere Präsentation“ihre eigene Arbeit als Floristin. Eine riesige Anzahl verschiedener Blumenarten steht in Mayonnaise-eimern drapiert auf einem Metalltischchen. Die Eimer nutzt sie auch in ihrem Laden oft, auch aus Nachhaltigkeitsgründen. Der Schönheit der Bouquets tut das keinen Abbruch. Als Wertanlagen taugen sie nicht. Aber das ist eben auch die schönste Eigenschaft der Blumen: ihre Vergänglichkeit.