Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Krisendiplomatie unter Hochdruck
Es ist ihre siebte Reise nach Israel, die achte in die Region, seit dem Angriff der Hamas auf Israel. Durch ihren Dauereinsatz hat sich Annalena Baerbock bei der israelischen Regierung Respekt erarbeitet. So trifft die deutsche Außenministerin am Mittwoch in Tel Aviv sowohl Staatspräsident Izchak Herzog als auch den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu. Nach dem Gespräch sagt sie, es gehe bei dem Einwirken auf Israel nicht „um klein beigeben“. Sondern es gehe um eine kluge Zurückhaltung, die Ausdruck von Stärke sei. Sie warnt erneut vor einem drohenden Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten. Mit einer Eskalationsspirale wäre niemandem gedient, betonte die Grünen-politikerin vor einem Treffen der Gruppe sieben großer Industrienationen (G7) auf der italienischen Insel Capri.
Israel habe mit seinem „Defensivsieg“vergangene Woche schon Stärke gezeigt, fügt sie noch hinzu. Und doch kann man am Gesicht der Außenministerin auch ablesen, dass ihren Worten vor allem die Hoffnung innewohnt, dass Israel nicht zurückschlägt. Vielmehr geht es mittlerweile eher darum, welche Art und Weise Israel wählen wird. Es geht mehr um das Wie als um das Ob. Auch Kanzler Olaf Scholz wollte sich in China nicht näher zu möglichen Reaktionen Israels einlassen. Dass keine sofortige unüberlegte Antwort erfolgte, wertet man unter den Verbündeten schon als Erfolg. Netanjahu gilt auch unter den Freunden Israels mittlerweile als völlig unberechenbar und – so ist es hinter vorgehaltener Hand von Diplomaten zu hören – vor allem auch damit beschäftigt, sich selbst an der Macht zu halten. Immerhin: Baerbock hat als erste deutsche Politikerin nach dem Angriff Irans auf Israel mit dem israelischen Regierungschef persönlich gesprochen. Zumindest gibt es noch einen Gesprächsdraht. Aber ob der wirklich belastbar ist, das werden die nächsten Tage zeigen.