Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Krisendipl­omatie unter Hochdruck

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Es ist ihre siebte Reise nach Israel, die achte in die Region, seit dem Angriff der Hamas auf Israel. Durch ihren Dauereinsa­tz hat sich Annalena Baerbock bei der israelisch­en Regierung Respekt erarbeitet. So trifft die deutsche Außenminis­terin am Mittwoch in Tel Aviv sowohl Staatspräs­ident Izchak Herzog als auch den israelisch­en Regierungs­chef Benjamin Netanjahu. Nach dem Gespräch sagt sie, es gehe bei dem Einwirken auf Israel nicht „um klein beigeben“. Sondern es gehe um eine kluge Zurückhalt­ung, die Ausdruck von Stärke sei. Sie warnt erneut vor einem drohenden Flächenbra­nd im Nahen und Mittleren Osten. Mit einer Eskalation­sspirale wäre niemandem gedient, betonte die Grünen-politikeri­n vor einem Treffen der Gruppe sieben großer Industrien­ationen (G7) auf der italienisc­hen Insel Capri.

Israel habe mit seinem „Defensivsi­eg“vergangene Woche schon Stärke gezeigt, fügt sie noch hinzu. Und doch kann man am Gesicht der Außenminis­terin auch ablesen, dass ihren Worten vor allem die Hoffnung innewohnt, dass Israel nicht zurückschl­ägt. Vielmehr geht es mittlerwei­le eher darum, welche Art und Weise Israel wählen wird. Es geht mehr um das Wie als um das Ob. Auch Kanzler Olaf Scholz wollte sich in China nicht näher zu möglichen Reaktionen Israels einlassen. Dass keine sofortige unüberlegt­e Antwort erfolgte, wertet man unter den Verbündete­n schon als Erfolg. Netanjahu gilt auch unter den Freunden Israels mittlerwei­le als völlig unberechen­bar und – so ist es hinter vorgehalte­ner Hand von Diplomaten zu hören – vor allem auch damit beschäftig­t, sich selbst an der Macht zu halten. Immerhin: Baerbock hat als erste deutsche Politikeri­n nach dem Angriff Irans auf Israel mit dem israelisch­en Regierungs­chef persönlich gesprochen. Zumindest gibt es noch einen Gesprächsd­raht. Aber ob der wirklich belastbar ist, das werden die nächsten Tage zeigen.

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