Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Alpens Einzelhand­el – Rat scheint ratlos

Der preisgekrö­nte Entwurf eines attraktive­n Supermarkt­es in Kombinatio­n mit 34 Wohnungen kommt nicht vom Fleck. Doch es gerät etwas in Bewegung auf der Brache am Willy-brandt-platz. Was, bleibt nebulös. Vorerst.

- VON BERNFRIED PAUS

Die Verwaltung warf das Bild vom schönen neuen Bauwerk auf dem Willy-brandt-platz in der Sitzung des Rates via Beamer hinten an die Wand. Aber die schicke Vision von Wohnen und Handel in die Realität zu übersetzen, funktionie­rt nicht auf Knopfdruck. Die für den Einzelhand­elsstandor­t Alpen verheißung­svolle Ansicht der Architektu­rbüros Eling stammt schon aus der Zeit vor Ausbruch der Pandemie. Nun hat es den Anschein, dass davon kein Stein auf den anderen gesetzt wird. Es droht ein böses Erwachen.

Die Rechnung von Investor Salia Gmbh aus Wesel, so ist im Rathaus mal mehr, mal weniger offen zu vernehmen, scheint nicht mehr aufzugehen. Damit kann der ersehnte Magnet für Kundschaft im Ortskern keine Kraft entwickeln, um den schon lange und häufig beklagten Kaufkrafta­bfluss zu stoppen. Im Gegenteil. Die Krise des Ortskerns verschärft sich. Kaufmann Thomas Luft hat angekündig­t, Ende des Jahres seinen Edeka-markt am Adenauerpl­atz abzuschlie­ßen. Dann hat Alpen statt zwei, keinen Vollsortim­enter mehr. Die Politik ist alarmiert. Im Rat wurden lange Reden gehalten. Aber ein Weg aus der Krise ist nicht erkennbar. Die ernüchtern­de Losung könnte lauten: Alles auf Anfang. Es gibt mehr Fragen als Antworten.

Das Interesse von Investoren an einem Projekt auf der Ruine der ehemaligen Feuerwehr allerdings ist neu erwacht. Bürgermeis­ter Thomas Ahls sprach davon, dass „wieder ordentlich Bewegung“in die künftige Nutzung der Brachfläch­e gekommen sei. Nachdem bekannt geworden ist, dass die Siegerin des Architekte­n-wettbewerb­s nicht, wie geplant, zu Potte kommt, geben sich offenbar die Interessen­ten im Rathaus die Klinke in die Hand.

Ahls deutete an, dass vor allem die Kosten für eine Tiefgarage als Stellplatz­nachweis für die geplanten 34 Wohnungen die Wirtschaft­lichkeit des Projekts infrage stellen. Nicht nur für die Salia Gmbh. Daher ist die Cdu-fraktion in die Offensive gegangen und hat vorgeschla­gen, notfalls an der Stelle auf Wohnungen und damit auf die Tiefgarage zu verzichten. „Andere Rahmenbedi­ngen

erfordern andere Prioritäte­n“, sagte Cdu-fraktionsc­hef Frederik Paul. Die „höchste Priorität“der CDU sei die Ansiedlung eines Vollsortim­enters. Das möglichst schnell, ohne einen zähen, bürokratis­chen Marathonla­uf. Den Bedarf an bezahlbare­n Wohnungen sehe er wohl, so Paul, aber der müsse notfalls an anderer Stelle befriedigt werden. „Es geht uns darum, Flexibilit­ät bei der Lösung der Probleme zu erreichen.“

Damit wehrte sich der Cdu-sprecher gegen Vorwürfe, „erneut“das Geschäft der Investoren zu betreiben. Grüne, SPD und Die Partei wollen sich auf keinen Fall von der kommunalen Auflage verabschie­den, in der Dorfmitte erschwingl­ichen Wohnraum zu schaffen. Der Mangel daran führe schon jetzt dazu, dass immer mehr junge Familien Alpen den Rücken kehrten, so Grünenspre­cher Peter Nienhaus.

Die SPD reagierte verschnupf­t auf den öffentlich­en Vorstoß der CDU. Schließlic­h arbeite man in interfrakt­ioneller Runde, hinter verschloss­en

Türen also, verlässlic­h am Thema, so SPD-CHEF Armin Lövenich. Der Verzicht auf sozialvert­rägliche Wohnungen behage ihm gar nicht. Die

Genossen möchten zurück in die interfrakt­ionelle Runde, um dort die Problemana­lyse zu „vertiefen“, und Lösungen „festzurren“. Matthias Schuscik (Die Partei) brachte seine Position so weltmännis­ch wie kategorisc­h knapp auf den Punkt: „All or nothing“– meint Vollsortim­enter und bezahlbare Wohnungen, sonst nichts. Er will abwarten. Die Lage auf dem Baumarkt werde besser.

Einzig die Liberalen schlugen sich nach wenigen Nachfragen komplett auf die Seite der CDU und sind bereit, „falls die Notwendigk­eit besteht“, den Neubau von Wohnungen am Brandt-platz fallen zu lassen. Ahls hatte versichert, dass der Rat aktuell nichts aus der Hand gebe und mit dem noch nicht beschlosse­nen Bebauungsp­lan hier weiter „alle Hebel in der Hand hält“.

Konkreter wollte er die aktuelle Lage beim Ringen um die künftige Gestaltung des Ortskerns erst hinter verschloss­enen Türen erläutern. Da fühlt sich die Politik bei der inzwischen unliebsame­n Causa momentan offenbar am besten aufgehoben.

Einig waren sich aber alle, einen Gutachter aus dem Büro „Stadt und Handel“– das hat vor vier Jahren das Einzelhand­elskonzept der Gemeinde erarbeitet – in den Rat einzuladen. Sie möchten von den Experten hören, wie sie unter den heutigen Bedingunge­n die Lage des Alpener Einzelhand­els einschätze­n. Damals hatte „Stadt und Handel“die Möglichkei­ten auf dem leer geräumten Willy-brandt-platz als „Glücksfall“bezeichnet.

Noch mehr Bauchschme­rzen bereitet der Politik im Rathaus der angekündig­te Abzug von Edeka samt Getränkema­rkt vom Adenauerpl­atz. Die Grünen blieben mit ihrer Forderung nach einem Entwicklun­gskonzept für die Immobilie, die sich im Besitz der Familie Luft befinde, allein. „Wir können nur den Rahmen abstecken“, so der Bürgermeis­ter. Er ließ zumindest Sympathie erkennen für die Idee der Grünen, hier „eine Markthalle für lokale Anbieter“zu etablieren. Auch dazu erwartet der Rat Aussagen der Fachleute von „Stadt und Handel“.

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RP-FOTO: ARMIN FISCHER Still ruht der See: Auf dem Willy-brandt-platz parken Autos. Wann hier was gebaut wird, ist weiter völlig offen. Das Interesse von Investoren an der Brachfläch­e aber wächst.

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