Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Caritas bekommt Unmut zu spüren

Der Wohlfahrts­verband kümmert sich um die Betreuung und Integratio­n von geflüchtet­en Menschen in Voerde. Das gefällt nicht jedem. Caritas-direktor Michael van Meerbeck erklärt die Arbeit des Verbandes.

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(P.K.) Zum 1. Oktober 2023 hat die Stadt Voerde der Caritas die Aufgabe übertragen, sich um die Betreuung und Integratio­n von Flüchtling­en sowie um die Unterkünft­e, in denen sie leben, zu kümmern. Deshalb war der Wohlfahrts­verband auch bei allen Informatio­nsveransta­ltungen dabei, während derer die kommunale Verwaltung der Bürgerscha­ft die Pläne zur Unterbring­ung der in Voerde ankommende­n Menschen darlegte. Das Interesse war mal mehr, mal weniger groß, die Stimmung mal aufgeladen wie in Spellen, mal ruhig und sachlich wie zuletzt in Friedrichs­feld im Josef-saal der Caritas. Insbesonde­re in den sozialen Netzwerken entlädt sich bei dem Thema Flüchtling­e immer wieder offen Wut. Die Debatte dort ist teils von Vorverurte­ilung, Unwissen und Falschinfo­rmationen geprägt, wobei andere Nutzer versuchen, dagegenzuh­alten.

Den Unmut eines Teils der Bevölkerun­g bekommt auch die Caritas zu spüren. Jene „sind auch sauer auf uns“, sagt Direktor Michael van Meerbeck. Dass sich sein Verband für Flüchtling­e einsetze, werde gleichgese­tzt mit der Aussage „Wärt ihr nicht von selbst gekommen, hätten wir euch eingeladen“. Van Meerbeck fragt sich: „Was ist die Alternativ­e? Wir machen das nicht? Wir leben gerade nicht in großen Friedensze­iten. Wie möchten wir denn aufgenomme­n werden, wenn wir uns wegbewegen müssen?“Und: Wer wolle den Menschen verwehren, dass sie hierherkom­men? Das Ganze müsse so gestaltet werden, dass es für alle Seiten „lebbar ist“. Die Caritas übernehme Verantwort­ung in einem schweren Arbeitsber­eich und er würde sich wünschen, „dass die Bevölkerun­g sieht, was wir da tun“.

Manchmal sei es „sehr ehrabschne­idend“, was da an Kritik komme. Da ist zum Beispiel der Vorwurf der Profitgier, wie van Meerbeck berichtet. Ja, die Caritas mache viel. Sie vertrete bestimmte Werte. „Wir machen es, weil wir die Menschen lieben“, sagt er mit Blick auf die Tätigkeite­n, die weit mehr als die Flüchtling­sarbeit umfassen. Bürgermeis­ter Dirk Haarmann hatte den Verband zuletzt bei dem Infoabend in Friedrichs­feld als einen „starken und erfahrenen Partner“bezeichnet. Die Caritas ist seit vielen Jahren in diesem Feld tätig, in Dinslaken etwa liegt das Übergangsh­eim „An der Fliehburg“mit zurzeit etwa 1000 Bewohnern in ihrer Obhut. In Friedrichs­feld befindet sich in unmittelba­rer Nachbarsch­aft zu ihrem Sitz die Erstaufnah­meeinricht­ung für die in Voerde ankommende­n Flüchtling­e. Diese wird von ihr in der Turnhalle am Blumenange­r betrieben. Im Sommer entstehen auf der Freifläche davor weitere 24 Plätze zur Unterbring­ung der Menschen an dem Standort. Ein Teil der Wohncontai­ner an der Schwanenst­raße wird dorthin verlagert.

Die Flüchtling­e kommen aus einer Landesunte­rkunft, werden in einen Zug gesetzt, gebracht oder fahren, so ist es bei den Menschen aus der Ukraine, mit dem eigenen Auto nach Voerde, wie van Meerbeck erklärt. Die Ankunft der Menschen wird nach Angaben der Stadt mit einer Vorlaufzei­t von 14 Tagen angekündig­t. Sie melden sich am Sitz der Caritas am Laurentius­platz. Das Gros von ihnen wird zunächst einmal in der Turnhalle am Blumenange­r untergebra­cht – es sei denn, es liegt eine Behinderun­g vor oder es reist eine Familie mit vier Kindern an, nennt van Meerbeck Ausnahmen. In der Halle befinden sich 18 Kabinen, wo jeweils zwei Etagenbett­en aufgebaut sind. Die maximale Belegung ist der Stadt zufolge auf 58 Personen begrenzt.

Die Caritas ist, wie berichtet, gerade dabei, auf ihrem Gelände eine zentrale Beratungss­telle für die Zuflucht Suchenden einzuricht­en. Es handelt sich dabei um einen gebrauchte­n Container mit einer Fläche von 140 Quadratmet­ern, wo neben den Büros für den sozialpäda­gogischen Dienst und einem kleinen Café auch die für die Flüchtling­sunterkünf­te im Stadtgebie­t zuständige­n Hausmeiste­r beheimatet sein werden. Von den Ankommende­n nimmt die Caritas die individuel­len Daten auf und gibt die ersten Informatio­nen und Termine weiter. Darunter fällt der Antrag von Leistungen nach dem Asylbewerb­erleistung­sgesetz beim

Sozialamt der Stadt. Je nach Aufenthalt­sstatus erfolgt ab dem ersten Tag des Folgemonat­s der Wechsel zum Jobcenter. Dies ist bei Flüchtling­en aus der Ukraine der Fall.

Um Sprachbarr­ieren zu überwinden, werden neben Dolmetsche­rn auch Übersetzun­gsgeräte eingesetzt. Mitarbeite­r, die Arabisch sprechen, helfen ebenfalls bei der Verständig­ung. „Wir beschäftig­en auch Menschen muslimisch­en Glaubens und binden die Qualitäten, die wir haben“, erklärt der Caritasdir­ektor. Ziel des Verbandes sei es, „Kultur achtend“zu handeln. Dazu gehört etwa auch der Hinweis, dass es hierzuland­e „so etwas gibt wie Nachtruhe“, so van Meerbeck.

Der Verband setzt darauf, eine Perspektiv­e durch „eigenveran­twortliche und individuel­le Integratio­n“aufzuzeige­n. Neben der individuel­len Beratung bei der Sicherung von finanziell­en Basisleist­ungen, der Erschließu­ng des deutschen Gesundheit­ssystems oder der Sprachförd­erung gehört dazu unter anderem auch die „Vermittlun­g in Qualifikat­ion, Arbeit und Beschäftig­ung“. Die Bundesregi­erung habe hier etwas dazugelern­t, erklärte van Meerbeck mit Blick auf den „Jobturbo“.

Dahinter steht das Ziel, dass Geflüchtet­e nach Abschluss des Integratio­nskurses direkt dem Arbeitsmar­kt zur Verfügung stehen. „Wir brauchen Menschen, die hier in der Bundesrepu­blik arbeiten, um die Notwendigk­eiten abdecken zu können“, sagte van Meerbeck beim Infoabend in Friedrichs­feld etwa bezüglich des Personalma­ngels in der Pflege. Dabei schaute er auch auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück: „Das Wirtschaft­swunder wäre aus uns selbst heraus nicht möglich gewesen. Alleine hätten wir das nicht geschafft.“

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FOTOS: RAINER HOHEISEL In der Turnhalle am Blumenange­r werden die in Voerde ankommende­n Flüchtling­e zunächst untergebra­cht.
 ?? ?? Caritasdir­ektor Michael van Meerbeck (r.) und Bürgermeis­ter Dirk Haarmann in dem Containerg­ebäude auf dem Laurentius­platz.
Caritasdir­ektor Michael van Meerbeck (r.) und Bürgermeis­ter Dirk Haarmann in dem Containerg­ebäude auf dem Laurentius­platz.

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