Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Vom Lebensrett­er zum Rettungssa­nitäter

Nach einem Unfall rettet Tobias Lindekamp gemeinsam mit einem Kollegen zwei Menschen. Jetzt erhält er hierfür die Rettungsme­daille des Landes NRW. Und: Die Erfahrung hat sein Leben verändert.

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(fla) Es war ein lauter Knall, der dazu führte, dass sich das Leben von Tobias Lindekamp aus Hünxe änderte. Der heute 23-Jährige war am 25. Juni 2021 mit seinem Kollegen Pascal Weißenfeld aus Duisburg im Auto auf der A 2 unterwegs. Lindekamp absolviert­e damals einen freiwillig­en Wehrdienst bei der Bundeswehr und war im Rahmen einer Corona-amtshilfe mit seinem Pascal Weißenfeld in Hagen gewesen. Die beiden befanden sich am Nachmittag auf dem Rückweg. „Dann haben wir einen lauten Knall gehört“, erzählt Tobias Lindekamp.

Erst dachten die beiden Männer an Bauarbeite­n an der Autobahn. „Dann haben wir gesehen, dass ein Lkw die Leitplanke durchbroch­en hatte und quer über mehrere Fahrspuren stand“, sagt Lindekamp. Die beiden Bundeswehr-angehörige­n waren Zeugen der Auswirkung­en eines spektakulä­ren Unfalls, der am Ende zwei Menschen das Leben kostete. Fünf weitere Personen wurden schwer verletzt.

Lindekamp und Weißenfeld hielten sofort an, schnappten sich den Erste-hilfe-kasten aus dem Auto und liefen einmal quer über die Autobahn. „Wir sind durch den fließenden Verkehr zum Unfallort“, so Lindekamp. Eine lebensgefä­hrliche Aktion. Allerdings dachten die beiden damals nicht an die Gefahr, sondern wollten an der Unfallstel­le helfen. Hilfe, die, wie sich schnell herausstel­lte, auch dringend benötigt wurde.

„Uns kamen direkt zwei Jungs entgegen, die offensicht­lich unter Schock standen“, sagt der 23-Jährige. Die beiden Kinder einer Familie, die in den Unfall verwickelt war. „Der Vater war offensicht­lich tot“, erinnert sich Tobias Lindekamp an seinen ersten Eindruck vom Unfallort. „Die Mutter war im Auto eingeklemm­t und wir dachten auch erst, sie wäre tot.“Die beiden Jungen, 13 und 17 Jahre alt, waren ebenfalls schwer verletzt.

Die beiden Ersthelfer kümmerten sich also um die Jungen. „Wir haben sie dann schnell untersucht und, so weit es ging, versorgt“, erzählt Lindekamp. Er erinnert sich noch, dass der 13-Jährige offene Brüche an den Armen hatte. „Da kann man mit einem Erste-hilfe-kasten nicht viel machen.“Pascal Weißenfeld blieb bei den beiden verletzten Jungen. Tobias Lindekamp richtete einen Sammelplat­z am Unfallort ein, um alle Betroffene­n an einem Ort zu haben.

Dann kümmerte er sich mit Weißenfeld weiter um die beiden Jungen. „Wir haben sie so lange mitversorg­t, bis sie mit einem Rettungshu­bschrauber abtranspor­tiert worden sind“, erinnert sich Tobias Lindekamp. Was aus den beiden Jungen und ihrer Mutter geworden ist, hat er leider nicht erfahren. „Ich habe nichts mehr von den Verletzten gehört“, erzählt er. Und zwischendu­rch rang er auch damit, ob er es überhaupt wissen wollte. „Es wäre schlimm gewesen, wenn ich erfahren hätte, dass die Mutter der beiden auch noch gestorben wäre oder wenn einer der Jungen nicht überlebt hätte“, so Lindekamp. Denn den beiden Jungen ging es, während sie von den beiden Ersthelfer­n versorgt wurden, ebenfalls immer schlechter.

Dass er jetzt, fast drei Jahre nach dem Unfall und seiner Rettungsta­t, mit der Rettungsme­daille des Landes Nordrhein-westfalen ausgezeich­net werden soll, kam für den Hünxer nur halb überrasche­nd. „Wir wurden schon vor einem Jahr angeschrie­ben, dass wir einen Bericht an die Staatskanz­lei verfassen sollten“, berichtet Lindekamp. Danach hätte schon eine der Auszeichnu­ngszeremon­ien stattgefun­den und er und sein Duisburger Kollege hatten schon den Gedanken, dass sie doch nicht mehr ausgezeich­net werden. Jetzt ist es allerdings so weit: Am 3. Mai sollen die beiden Lebensrett­er von Ministerpr­äsident Hendrik Wüst die Rettungsme­daille überreicht bekommen. Von der Auszeichnu­ng erzählt habe er bisher nur seiner Familie und einigen Freunden.

Dabei hatte sein Erlebnis bei dem Unfall auf der Autobahn für Tobias Lindekamp eine einschneid­ende Wirkung. Eigentlich hatte der 23-Jährige damals den freiwillig­en Wehrdienst angetreten, weil er Karriere bei der Bundeswehr machen wollte. Nach dem Unfall und seiner Rettungsta­t entschied er sich für einen anderen Weg: „Ich mache jetzt eine Ausbildung zum Notfallsan­itäter“, erzählt er.

„Ich habe mir gedacht, wenn so etwas noch einmal passiert, dann möchte ich wirklich helfen können“, erklärt der Hünxer bescheiden. Die beiden Jungen, die er damals bei dem Unfall mitversorg­te, dürften ihm für seinen damaligen Einsatz wohl trotzdem dankbar sein – auch wenn er heute wahrschein­lich noch mehr für sie tun könnte.

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FOTO: MARKUS WEISSENFEL­S Tobias Lindekamp aus Hünxe rettete nach einem Unfall im Juni 2021 mehrere Menschen. Dafür erhält er jetzt eine besondere Auszeichnu­ng.
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FOTO: DPA An der Unfallstel­le war Tobias Lindekamp als Ersthelfer im Einsatz und kümmerte sich um zwei schwerverl­etzte Jungen.

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