Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Lebensgefährliche Abkühlung
Mit Beginn der Sommersaison suchen wieder viele Menschen den Badespaß in Seen und Flüssen. Experten und Polizei warnen eindringlich – vor allem vor dem Schwimmen im Rhein. Dort lauern besonders viele Risiken.
Es ist Dienstagmittag, als der Besatzung der „WSP 1“plötzlich eine unbekleidete Person auffällt, die während des Hochwassers am Ufer des Rheins bei Düsseldorf schwimmt. Alle an Bord schütteln den Kopf. Niemand kann verstehen, wieso sich diese Person freiwillig in so eine gefährliche Situation bringt. Doch das Baden im Rhein ist an der Stelle nicht verboten, wenn es auch lebensgefährlich sein kann. „Das ist nicht zu fassen“, meint Nrw-innenminister Herbert Reul (CDU), der mit an Bord ist, mit Blick auf den leichtsinnigen Schwimmer.
Reul ist auf die „WSP 1“der Wasserschutzpolizei gekommen, um genau vor so einem Leichtsinn zu warnen und die Menschen auf die Gefahren des Badens in Flüssen und Seen hinzuweisen – der nackte und offenbar völlig sorglose Schwimmer unterstreicht noch einmal, wie wichtig diese Warnungen tatsächlich auch sind. „Jährlich kommen viele Menschen beim Schwimmen ums Leben. In den zahlreichen Flüssen und Seen in NRW gibt es gefährliche Strömungen und Untiefen“, betont Reul. „Wir wollen Kinder, Jugendliche und deren Eltern für diese Gefahren sensibilisieren. Denn Prävention und Aufklärung kann Leben retten. Daher werden wir auch in die Schulen gehen.“
Dafür hat die Polizei NRW eigenständig Vr-brillen, die mit virtueller Realität arbeiten, entwickelt, die einen in die Situation eines Ertrinkenden versetzen können. „Die Gefahren werden damit erlebbar gemacht“, sagt Reul, der die Vrbrille bei dem Pressetermin auch selbst getestet hat (s. Foto). In einem knapp zweiminütigen Film wird per Vr-technik vorgeführt, wie schnell man unter Wasser geraten kann, obwohl die Situation eigentlich harmlos aussieht. Mehr als zwei Drittel der Badetoten in NRW sind männlich. Im langjährigen Bundesschnitt sind sogar 80 Prozent männlich.
Nach Altersgruppen betrachtet gab es die meisten Badetoten im Bereich 36 bis 40 Jahre sowie 56 bis 60 Jahre. Im Vergleich zum Vorjahr starben 2023 nach den Daten der DLRG weniger Kinder und Jugendliche bei tödlichen Badeunfällen im bevölkerungsreichsten Bundesland. Ein Teil der Badetoten konnte zudem nicht oder nur kaum schwimmen. Zudem waren nicht wenige Zuwanderer, die möglicherweise Warnschilder nicht lesen konnten. „Daher ist es auch wichtig, Prävention in mehreren Sprachen zu machen“, so der Nrw-innenminister.
„Je wärmer der Sommer ist, desto mehr Badetote gibt es“, heißt es bei der Wasserschutzpolizei. „Die meisten Menschen ertrinken in Seen und Flüssen“, erklären Experten der DLRG. Vom Schwimmen und Baden in großen Flüssen wie dem Rhein rät die Gesellschaft deswegen ab. Oft sei bei Badeunfällen Leichtsinn und Übermut im Spiel. Die Menschen trauten sich etwa beim Schwimmen – im gerade zu Beginn der Badesaison noch kalten Wasser – zu viel zu. Oder sie unterschätzten die Gefahren von Strömungen. Die seien bei Flüssen wie dem Rhein selbst für geübte Schwimmer oft nicht zu bewältigen und äußerst gefährlich. Dazu käme ein hohes Unfallrisiko durch die Schifffahrt sowie Brücken und Wehre.
Die Wache der Wasserschutzpolizei befindet sich in Düsseldorf nur wenige Meter entfernt vom sogenannten Paradiesstrand, an dem es an warmen Tagen meistens sehr voll ist. Trotz Warnhinweisen und bereits etlichen Ertrunkenen im Rhein gehen auch dort nach wie vor Menschen zum Baden in den Fluss, während nur wenige Meter entfernt schwere Binnenschiffe vorbeifahren. Dadurch kann eine gefährliche Sogwirkung entstehen, die selbst Badende im Uferbereich mitreißen kann. „Ich sehe da regelmäßig Kinder im kaum knöcheltiefen Wasser am Ufer stehen, während ihre Eltern am Strand liegen und in ihre Handys schauen“, so ein leitender Polizeibeamter der Wasserschutzpolizei. „Das ist extrem leichtsinnig, weil trügerisch. Die Sogwirkung der vorbeifahrenden Schiffe kann extrem gefährlich werden. Kinder haben dann keine Chance mehr.“