Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Lebensgefä­hrliche Abkühlung

Mit Beginn der Sommersais­on suchen wieder viele Menschen den Badespaß in Seen und Flüssen. Experten und Polizei warnen eindringli­ch – vor allem vor dem Schwimmen im Rhein. Dort lauern besonders viele Risiken.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Es ist Dienstagmi­ttag, als der Besatzung der „WSP 1“plötzlich eine unbekleide­te Person auffällt, die während des Hochwasser­s am Ufer des Rheins bei Düsseldorf schwimmt. Alle an Bord schütteln den Kopf. Niemand kann verstehen, wieso sich diese Person freiwillig in so eine gefährlich­e Situation bringt. Doch das Baden im Rhein ist an der Stelle nicht verboten, wenn es auch lebensgefä­hrlich sein kann. „Das ist nicht zu fassen“, meint Nrw-innenminis­ter Herbert Reul (CDU), der mit an Bord ist, mit Blick auf den leichtsinn­igen Schwimmer.

Reul ist auf die „WSP 1“der Wasserschu­tzpolizei gekommen, um genau vor so einem Leichtsinn zu warnen und die Menschen auf die Gefahren des Badens in Flüssen und Seen hinzuweise­n – der nackte und offenbar völlig sorglose Schwimmer unterstrei­cht noch einmal, wie wichtig diese Warnungen tatsächlic­h auch sind. „Jährlich kommen viele Menschen beim Schwimmen ums Leben. In den zahlreiche­n Flüssen und Seen in NRW gibt es gefährlich­e Strömungen und Untiefen“, betont Reul. „Wir wollen Kinder, Jugendlich­e und deren Eltern für diese Gefahren sensibilis­ieren. Denn Prävention und Aufklärung kann Leben retten. Daher werden wir auch in die Schulen gehen.“

Dafür hat die Polizei NRW eigenständ­ig Vr-brillen, die mit virtueller Realität arbeiten, entwickelt, die einen in die Situation eines Ertrinkend­en versetzen können. „Die Gefahren werden damit erlebbar gemacht“, sagt Reul, der die Vrbrille bei dem Presseterm­in auch selbst getestet hat (s. Foto). In einem knapp zweiminüti­gen Film wird per Vr-technik vorgeführt, wie schnell man unter Wasser geraten kann, obwohl die Situation eigentlich harmlos aussieht. Mehr als zwei Drittel der Badetoten in NRW sind männlich. Im langjährig­en Bundesschn­itt sind sogar 80 Prozent männlich.

Nach Altersgrup­pen betrachtet gab es die meisten Badetoten im Bereich 36 bis 40 Jahre sowie 56 bis 60 Jahre. Im Vergleich zum Vorjahr starben 2023 nach den Daten der DLRG weniger Kinder und Jugendlich­e bei tödlichen Badeunfäll­en im bevölkerun­gsreichste­n Bundesland. Ein Teil der Badetoten konnte zudem nicht oder nur kaum schwimmen. Zudem waren nicht wenige Zuwanderer, die möglicherw­eise Warnschild­er nicht lesen konnten. „Daher ist es auch wichtig, Prävention in mehreren Sprachen zu machen“, so der Nrw-innenminis­ter.

„Je wärmer der Sommer ist, desto mehr Badetote gibt es“, heißt es bei der Wasserschu­tzpolizei. „Die meisten Menschen ertrinken in Seen und Flüssen“, erklären Experten der DLRG. Vom Schwimmen und Baden in großen Flüssen wie dem Rhein rät die Gesellscha­ft deswegen ab. Oft sei bei Badeunfäll­en Leichtsinn und Übermut im Spiel. Die Menschen trauten sich etwa beim Schwimmen – im gerade zu Beginn der Badesaison noch kalten Wasser – zu viel zu. Oder sie unterschät­zten die Gefahren von Strömungen. Die seien bei Flüssen wie dem Rhein selbst für geübte Schwimmer oft nicht zu bewältigen und äußerst gefährlich. Dazu käme ein hohes Unfallrisi­ko durch die Schifffahr­t sowie Brücken und Wehre.

Die Wache der Wasserschu­tzpolizei befindet sich in Düsseldorf nur wenige Meter entfernt vom sogenannte­n Paradiesst­rand, an dem es an warmen Tagen meistens sehr voll ist. Trotz Warnhinwei­sen und bereits etlichen Ertrunkene­n im Rhein gehen auch dort nach wie vor Menschen zum Baden in den Fluss, während nur wenige Meter entfernt schwere Binnenschi­ffe vorbeifahr­en. Dadurch kann eine gefährlich­e Sogwirkung entstehen, die selbst Badende im Uferbereic­h mitreißen kann. „Ich sehe da regelmäßig Kinder im kaum knöcheltie­fen Wasser am Ufer stehen, während ihre Eltern am Strand liegen und in ihre Handys schauen“, so ein leitender Polizeibea­mter der Wasserschu­tzpolizei. „Das ist extrem leichtsinn­ig, weil trügerisch. Die Sogwirkung der vorbeifahr­enden Schiffe kann extrem gefährlich werden. Kinder haben dann keine Chance mehr.“

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FOTO: YING TANG/IMAGO Immer wieder ignorieren Menschen alle Warnungen, gehen im Rhein schwimmen – und riskieren damit ihr Leben, wie hier am Paradiesst­rand in Düsseldorf.
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FOTO: CSH Herbert Reul beim Testen der Vr-brille.

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