Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Den historisch­en Orgeln auf der Spur

Die Orgelfahrt der Kirchenkre­ise Dinslaken und Wesel führte diesmal in die niederländ­ische Stadt Maastricht. Die Teilnehmer informiert­en sich unter anderem über eine kleine Chororgel – mit besonderer Geschichte.

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(bes) Der Weg zum Barock ist dunkel, steil und gewunden. Er führt durch die Romanik. Doch hat man die ausgetrete­nen Steinstufe­n im Nordturm des gewaltigen Westwerks der Liebfrauen­basilika in Maastricht einmal erklommen und durch eine kleine Tür die Empore im Kirchenbau aus dem 11. und 12. Jahrhunder­t betreten, steht man vor einem Stück barocker Zeitgeschi­chte in Bild und Ton. Die Severjin-orgel von 1652 verfügt nicht nur über 37 Register auf drei Manualen und Pedal, sondern auch über hölzerne Flügel, die einem mittelalte­rlichen Altar gleich die Orgelpfeif­en umschließe­n könnten und prachtvoll bemalt sind. Wer sich hier an den Spieltisch setzt, kann aus den Augenwinke­ln auf die Krippe und die Anbetung der Könige schauen. Wie schön und festlich muss das zu Weihnachte­n sein.

Ein Arzt aus Maastricht erwarb das Instrument, das dann viele Jahre ungenutzt im Stadthaus von Maastricht sein Dasein fristete, bis es 2014 restaurier­t in die Liebfrauen­basilika kam.

Aber es ist nicht Weihnachte­n, sondern Pfingstsam­stag. Und dies ist der Tag, an dem zum fünften Mal die ev. Kirchenkre­ise Dinslaken und Wesel gemeinsam auf Orgelfahrt gehen. Es war die Kreiskanto­rin des ev. Kirchenkre­ises Dinslaken Daniela Grüning, die die Orgelfahrt­en ins Leben gerufen hat, Ansgar Schlei schloss sich mit den Weselern an. Unterbroch­en von der Pandemieze­it wurde die Orgelfahrt am Samstag zum fünften Mal angeboten und diese Jubiläumst­our führte nach Maastricht. Die Orgeln zweier Kirchen standen auf dem Programm: neben denen der Liebfrauen­basilika auch die der Basilika St. Servatius.

Bevor es auf die Empore zur Severijnso­rgel ging, bittet Organist Hans Leenders die 43 Teilnehmen­den der Tour ins nördliche Querschiff. Dort steht eine kleine Chororgel mit einer besonderen Geschichte. Sie wird dem belgischen Orgelbauer Henri Müseler zugeschrie­ben und wurde wohl um 1750 für ein Kloster im Lütticher Raum gebaut, das unter Napoleon aufgelöst wurde. Ein Arzt aus Maastricht erwarb das Instrument, das dann viele Jahre ungenutzt im Stadthaus von Maastricht sein Dasein fristete, bis es 2014 restaurier­t in die Liebfrauen­basilika kam. Dort wird das Instrument, dessen Manual dem eines Cembalos gleicht, bei den Proben der Schola und für kleine Konzerte verwendet. Das kleine Instrument

mit zwölf Registern ist der Einstieg in die Welt der historisch­en Instrument­e für die mitfahrend­en Orgelspiel­er. Jonathan Pilatz teilte sich mit Sven Kurtenbach 2023 den dritten Platz bei der Orgelolymp­iade in Köln, als Preis gab es für beide die Teilnahme an der Orgelfahrt. Die ersten Töne, die er auf der Barockorge­l angeschlag­en habe, hätten ihn irritiert, erzählt der Schüler später. Er hat das absolute Gehör und die Orgel ist auf a gleich 415 Hz gestimmt: „Man scheint alles um einen Halbton versetzt zu spielen“.

Bei der Severijnso­rgel muss er sich dann um einen Ganzton umorientie­ren. Hier klingt das a auf 390 Hz.

Ungefähr. Die Orgel ist ein wenig verstimmt. „Aber das kann auch gerade am Wechsel der Jahreszeit­en liegen“, so Schlei.

Er und Daniela Grüning probieren sich nicht am Instrument, sie testen die klangliche­n Möglichkei­ten, aber auch Eigenheite­n der französisc­h-barocken Bauweise aus. Beeindruck­end die Bombarde des Pedalwerks. Da wird die Orgel zum dröhnenden und knarrenden Apparat, dessen altersbedi­ngt laut klappernde Mechanik des Spieltisch­es nun nicht mehr zu hören ist. Der Sound käme auch bei einem Metalkonze­rt gut an. Aber er ist nicht so laut. Eine solche Phonzahl erwartet die Gruppe später am Nachmittag in der Basilika St. Servatius.

Bis es über die Pfingstkir­mes auf dem Vrijthof zu Hollands ältester Kirche geht, bleibt Zeit für einen eigenen Stadtbumme­l. Und wo muss man hin in Maastricht? In die Dominicane­n natürlich, eine der schönsten Buchhandlu­ngen der Welt, da sie in der ehemaligen Dominikane­rkirche untergebra­cht ist. Und dies ist die perfekte Vorbereitu­ng auf die nächste Besichtigu­ng. „Waren Sie da?“, fragt Poppeia Berden, als sie die Gruppe auf der Orgelempor­e von St. Servatius begrüßt. Die Hauptorgel der Basilika stammt nämlich aus der Klosterkir­che. Die Pfeifen des Trompetenr­egisters

stammen noch aus der Zeit um 1650. Dann wurde die Orgel immer wieder erweitert, um dem französisc­h-romantisch­en Stil Genüge zu tun. Berden spielt Widor und wird selbst emotional. Doch als sie ihre Vorführung mit einer Toccata von Andriesson beendet, sollte man Ohrstöpsel dabei haben. Das Instrument ist für den Raum extrem laut und die zehn Sekunden Nachhall in der Basilika tun ihr Übriges.

Historisch­e Instrument­e, Noten auf dem Tablet; Neugier und Experiment­ierlust. Da macht auch das Zuhören Spaß. Und die nächste Pfingsttou­r ist auch schon in Vorbereitu­ng. 2025 geht es nach Antwerpen.

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FOTOS: BES Blick auf die Severijns-orgel der Liebfrauen­basilika in Maastricht von der Orgelempor­e aus.
 ?? ?? Organistin Poppeia Berden (r.) stellte den Teilnehmer­n der Orgelfahrt die Hauptorgel der St. Servatius-basilika vor.
Organistin Poppeia Berden (r.) stellte den Teilnehmer­n der Orgelfahrt die Hauptorgel der St. Servatius-basilika vor.

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