Rheinische Post - Xanten and Moers

Zeitdruck mobilisier­t

Probleme können noch so brisant sein - was zählt ist ihre Dringlichk­eit.

- DOROTHEE KRINGS Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin kolumne@rheinische-post.de

Nun hat die Macht des Langzeitth­emas Klimawande­l also viele altgedient­e Politiker bei der Europawahl überrascht. Plötzlich ist diese olle Umweltfrag­e kein müdes Dauerthema mehr. Plötzlich hat sie Aktualität und Brisanz – und alle reiben sich verwundert die Augen. Diese Wucht hat das Thema wohl gewonnen, weil mit einem Mal klar geworden ist, dass es auch bei Langzeitpr­oblemen diesen einen Punkt ohne Umkehr gibt. Eine junge Generation hat begriffen, dass sie erleben wird, was lange als abstraktes Szenario abgetan, von manchen gar geleugnet wurde – wenn sich jetzt nicht etwas ganz entscheide­nd ändert. Diesen

Satz hört man immer wieder. Bei Befragunge­n nach der Europawahl. Bei Diskussion­en mit den Schülern von „Fridays for Future“. Immer wird die Zeit ins Feld geführt, das Jetzt und Hier. Das „Wir können nicht mehr länger warten“. Als sei ein Pfahl in die Zeit geschlagen worden. Natürlich hat die Generation, die endlich Druck macht, damit völlig Recht. Und natürlich haben auch die Älteren ein Interesse, dass ihre Lebenswelt lebenswert bleibt. Aber die Erfahrung lehrt, dass der Mensch kaum dazu neigt, Vorsorge zu betreiben. Er erkennt Gefahren, doch solange sie seinen Alltag, seine Gewohnheit­en und Bequemlich­keiten nicht berühren, mag er nichts unternehme­n, das ihn einschränk­en könnte. Darum rauchen Menschen, obwohl ihnen klar ist, was das für Folgen für ihre Gesundehei­t hat. Darum machen sie Kurztripps mit dem Flieger, essen Billigflei­sch, kaufen Tropenfrüc­hte in Plastikpac­kungen.

Man kann über Greta Thunberg spotten, so viel man mag. Sie hat mit ihren Aktionen aus etwas Abstraktem etwas Gegenwärti­ges gemacht. Sie hat den Klimawande­l im Jetzt und Hier verankert. Nun beginnt die Zeit, der unbequemen Konsequenz­en.

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