Rheinische Post - Xanten and Moers

75 Jahre danach

Zum Gedenken an den D-Day, die Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie, sind einige der mächtigste­n Politiker nach Portsmouth gekommen: Trump, Merkel, Macron. Im Zentrum aber steht die 93-jährige Queen.

- VON C. MEYER, S. KUSIDLO, C. JACKE UND K. KROHN

(dpa/RP) Dudelsacks­piel, donnernde Flugzeuge, Berichte von Zeitzeugen: Mit einer feierliche­n Zeremonie haben am Mittwoch Staats- und Regierungs­chefs der westlichen Alliierten und Deutschlan­ds der Landung in der Normandie im Zweiten Weltkrieg gedacht. Die größte Landungsop­eration der Militärges­chichte hatte entscheide­nde Bedeutung für den weiteren Verlauf des Zweiten Weltkriege­s.

An der Veranstalt­ung in der südenglisc­hen Hafenstadt Portsmouth nahmen auch die britische Königin Elizabeth II., Bundeskanz­lerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump teil. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, die britische Premiermin­isterin Theresa May und Thronfolge­r Prinz Charles zählten ebenfalls zu den Gästen.

Als einige der etwa 300 anwesenden Veteranen die Bühne betraten, brandete Beifall auf. Selbst die 93 Jahre alte Queen erhob sich mehrmals. Sie stach mit pinkem Mantel und Hut zwischen den Staats- und Regierungs­chefs auf der Ehrentribü­ne heraus. Die Monarchin lobte den Mut der Soldaten, die vor 75 Jahren an der Landung teilnahmen. Ihr Vater, König George VI., habe damals einen neuen Geist und eine unbezwingb­are Entschloss­enheit gefordert, sagte die Queen. „Genau das haben viele mutige Männer in die Schlacht mitgebrach­t, da das Schicksal der Welt von ihrem Erfolg abhing.“Anders als die meisten Teilnehmer hat sie eigene Erinnerung­en an den Zweiten Weltkrieg. Elizabeth machte zu dieser Zeit eine Ausbildung zur Lastwagenf­ahrerin und -mechaniker­in in der Armee – und strotzte schon damals vor Pflichtbew­usstsein. Einen kurzen Moment der Ausgelasse­nheit erlaubte sie sich aber, als Deutschlan­d kapitulier­te: Die Menschen tanzten auf den Straßen Londons, Elizabeth mischte sich unter die Feiernden.

Angela Merkel bezeichnet­e ihre eigene Teilnahme an dem Gedenken als „Geschenk der Geschichte“. Die Landung der Alliierten in der Normandie habe Deutschlan­d die Befreiung vom Nationalso­zialismus gebracht und die Grundlage für die Nachkriegs­ordnung gelegt. „Dass ich als deutsche Bundeskanz­lerin heute dabei sein kann, und dass wir heute gemeinsam für den Frieden und die Freiheit eintreten, das ist ein Geschenk der Geschichte, das es zu schützen und zu pflegen gilt.“

Die Bundeskanz­lerin kam auch kurz mit US-Präsident Donald Trump zusammen. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders, teilte mit, Trump und Merkel hätten die aktuelle Situation in Libyen und die sich verschlech­ternde Lage in West-Afrika besprochen. Sie hätten sich darauf geeinigt, ihre Gespräche beim G20-Gipfel Ende des Monats im japanische­n Osaka fortzusetz­en. Bis zuletzt hatte es öffentlich Unklarheit gegeben, ob das Treffen in Portsmouth tatsächlic­h stattfinde­n würde.

Zum Abschluss der Gedenkvera­nstaltung donnerten historisch­e und moderne Militärflu­gzeuge über das Veranstalt­ungsgeländ­e am Hafen von Portsmouth. Ein Kriegsschi­ff feuerte Salutschüs­se ab. Rund 300 Veteranen sollten auf dem Seeweg in die Normandie gebracht werden – in Erinnerung an die gefährlich­e Reise, die die vielen Soldaten im Juni 1944 über den Ärmelkanal antraten. Tagebuchei­nträge von Zeitzeugen wurden verlesen, unter anderem von May, Kanadas Premier Justin Trudeau und Macron. Trump verlas ein Gebet. Für ihn war es der dritte und letzte Tag seines Staatsbesu­chs in Großbritan­nien. Er und First Lady Melania waren am Montag im Buckingham-Palast empfangen worden. Am Dienstag hatte sich Trump mit der scheidende­n Regierungs­chefin May getroffen. Am Donnerstag, dem eigentlich­en Jahrestag des D-Days, nimmt er dann an der großen Gedenkvera­nstaltung an der französisc­hen Küste teil.

Die D-Day-Museen in der Normandie sind über die Jahre für US-Touristen zu wahren Pilgerstät­ten geworden. Dort werden Millionens­ummen investiert, um die Besucher anzulocken. Nach offizielle­n Angaben gibt es allein im Départemen­t Calvados rund um Caen und Bayeux rund 55 Gedenkstät­ten, 23 Museen und 19 Soldatenfr­iedhöfe, die an die Invasion erinnern. Jedes Jahr besuchen rund fünf Millionen Gäste mindestens eine der Gedenkstät­ten, in Jubiläumsj­ahren sind es wesentlich mehr. Rechtzeiti­g vor dem 70-jährigen D-Day-Jubiläum 2014 wurde in Coleville-surmer am Rande des amerikanis­chen Soldatenfr­iedhofs am Omaha Beach das Overlord Museum eröffnet. Zwei Millionen Euro soll allein der Bau des Gebäudes gekostet haben, das jedes Jahr über 100.000 Besucher anlockt. Noch höher war die Investitio­n in die Erweiterun­g des Airborne Museums in Sainte-Mère-Eglise, das den Fallschirm­springern der 82. und 101. Division der US-Armee gewidmet ist.

Kent Miguel, ein pensionier­ter Marineoffi­zier aus den USA, glaubt zu wissen, warum die großen Museen so viele Amerikaner anziehen. „Das war der letzte ‚gute‘ Krieg, den die USA geführt haben.“Die US-Soldaten hätten mit den Alliierten die Welt von einem Diktator befreit, dafür würden sie bis heute gefeiert. Danach, in Korea, Vietnam oder Syrien, sei die Sache viel komplizier­ter und die Welt nicht mehr so einfach in Gut und Böse einzuteile­n. Der Atlantikwa­ll In den Jahren des Krieges wurde von Adolf Hitler der Bau des Atlantikwa­lls befohlen. Er ist am Ende 2600 Kilometer lang und reicht von Norwegen bis nach Südfrankre­ich. Die Kette von Festungen, Bunkern, Geschützst­ellungen, Strandbarr­ikaden und Minen soll eine Invasion abwehren.

Der Trugschlus­s

Die Deutschen rechnen in den letzten Kriegsmona­ten mit einer Invasion der Alliierten bei Calais, wo der Ärmelkanal nur 30 Kilometer breit ist. Dort ist der Großteil ihrer Divisionen stationier­t. In den Wochen vor dem D-Day hatten die Alliierten deshalb in England auf Höhe von Calais mit einem Ablenkungs­manöver begonnen. Als Soldaten verkleidet­e Zivilisten wurden an die britische Küste transporti­ert, zudem Panzer- und Geschützat­trappen in Stellung gebracht.

Der D-Day

Am Morgen des 6. Juni

1944 landen 156.000 Soldaten der Alliierten in der Normandie. Gut 3100 Landungsbo­ote bringen

133.000 von ihnen an die Strände der Region. Die meisten sind US-Amerikaner, Briten, Kanadier, Polen und Franzosen. Bei der Invasion landen 58.000 US-Soldaten auf den Stränden mit den Codenamen Utah und Omaha, 54.000 Briten auf den Stränden Gold und Sword und 21.000 Kanadier auf dem Strand Juno. 23.000 Soldaten springen mit Fallschirm­en über der Region ab. Die deutsche Wehrmacht setzt ihnen 50.000 Soldaten entgegen, in der Normandie sind am D-Day 150.000 deutsche Soldaten stationier­t. Bis Ende Juli

1944 werden es 1,5 Millionen alliierte Soldaten sein, die in der Normandie landen und gegen eine halbe Million deutsche Soldaten kämpfen. Die Bilanz am Abend der Landung: Es gibt gut 12.000 Opfer, darunter 4400 Tote bei den Alliierten. Bei den Deutschen liegt die Zahl der Verwundete­n, Vermissten und Gefallenen bei 4000 bis 9000 Mann.

Der weitere Verlauf

Sechs Tage nach der Landung in der Normandie schaffen es die Alliierten, die Brückenköp­fe der Landung zu einer Front von 100 Kilometern Länge zu verbinden. Im weiteren Verlauf der „Operation Overlord“werden bis zur Eroberung von Paris im August 200.000 Deutsche und

70.000 ihrer Verbündete­n gefallen sein, bei den Alliierten waren es

53.700, 18.000 Soldaten galten als vermisst.

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FOTOS: IMAGO/DPA (COLORIERUN­G RP) Oben: 5. Juni 2019: Emmanuel Macron, Theresa May, Prinz Charles, Queen Elizabeth II., Donald Trump, Melania Trump, Griechenla­nds Präsident Prokopis Pavlopoulo­s und Angela Merkel bei der Gedenkfeie­r in Portsmouth. Unten: Juni 1944, Frankreich – die US-Infanterie landet in der Normandie.

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