Rheinische Post - Xanten and Moers
Hälfte der Firmen unvorbereitet für Digitalisierung
Betriebsräte der Metall- und Elektroindustrie schlagen Alarm. Mobilitätswende und Digitalisierung könnten Tausende Jobs kosten.
Die Metall- und Elektroindustrie ist das Prunkstück der deutschen Industrie. Keine Branche erzielt mehr Umsatz und beschäftigt mehr Menschen. Und doch bekommt man derzeit den Eindruck, dass gerade dort gehörig etwas aus dem Ruder läuft. Der Automobilsektor steht nach Abgasskandalen und wegen des wachsenden Klimabewusstseins der Bevölkerung vor Herausforderungen, die ihresgleichen suchen. Die Wende hin zur Elektromobilität wird die Branche umkrempeln. Hinzu kommt das beklemmende Gefühl, dass mit der voranschreitenden Digitalisierung und dem steigenden Einsatz von Robotern in der Fertigung und Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung bald so mancher Beschäftigte seinen Job los sein könnte.
Diese Sorgen treiben offensichtlich auch die größte deutsche Gewerkschaft, die IG Metall, um. Sie hat in einer großangelegten Betriebsräte-Befragung eine Vermessung der industriellen Welt vornehmen lassen. Transformations-Atlas heißt die Befragung, die die IG-Metall-Spitze am Mittwoch in Frankfurt vorstellte. Betriebsräte in 1964 Unternehmen mit insgesamt 1,7 Millionen Beschäftigten wurden zum Stand der Vorbereitungen auf die nahenden Veränderungen befragt.
Die Ergebnisse sind alarmierend: 43 Prozent der Befragten gaben an, dass es in ihrem Betrieb keine Strategie zur Bewältigung von Digitalisierung und Mobilitätswende gebe. Dem gegenüber standen 37 Prozent die dies zumindest teilweise oder in Gänze Bejahen konnten. 20 Prozent konnten keine Angaben machen. „Manche machen sich gar keine Gedanken, solange die Auftragsbücher voll sind“, sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann bei der Vorstellung. Im Interview mit unserer Redaktion hatte er noch vor wenigen Tagen vor den geringen Zeiträumen gewarnt, mit die Unternehdem men operierten:
„Die fahren
mit einem Planungshorizont von zwei Jahren im Nebel. Wer das bei solchen radikalen Veränderungen tut, der droht aus dem Nebel heraus direkt vor die Wand zu fahren.“
Die Folgen dürften insbesondere für die Beschäftigten gewaltig sein. In einem Drittel der Betriebe rechnen die Personalvertreter mit einem Belegschaftsabbau. In NRW sind die Zahlen sogar noch dramatischer. Dort rechnen 38 Prozent der Befragten mit einem Beschäftigungsabbau. Betrachtet man den Automobilsektor isoliert, sind die Zahlen sogar noch dramatischer: Dort geht mehr als die Hälfte der Betriebe (54 Prozent) von einem Jobabbau aus.
Damit die Beschäftigten gehalten werden können, verlangt die IG Metall auch einen Beitrag der Politik. Konkret erneuerte Hofmann seine Forderung nach einem sogenannten Transformations-Kurzarbeitergeld aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit. Damit könne Zeit geschaffen werden, um Beschäftigte für neue Aufgaben zu qualifizieren und sie trotzdem im Unternehmen zu halten. Zudem verlangte er, dass das Arbeitslosengeld I länger gezahlt werden müsse.
Aus dem Arbeitgeberlager kam massive Kritik. Der Hauptgeschäftsführer von Gesamtmetall, Oliver Zander, sagte, dass es sich bei der Befragung offenbar um eine Vorbereitung der nächsten
Tarifrunde handle.
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