Rheinische Post - Xanten and Moers

Muntere Mutanten-Truppe

Von allen Superhelde­n sind sie noch die interessan­testen: Die X-Men kehren in dem Film „Dark Phoenix“zurück.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Im Kanon der Superhelde­n-Blockbuste­r ragten die X-Men-Filme stets heraus. Die muntere Mutanten-Truppe verstand sich schon lange, bevor die Avengers aus marktwirts­chaftliche­n Gründen in die Team-Bildung gedrängt wurden, als Kollektivu­nternehmen. Nicht die übernatürl­ichen Kräfte des Einzelnen, sondern das Zusammensp­iel aller Beteiligte­n stand hier stets im Zentrum der Erzählung, das machte die Sache reizvoll.

Die fehlende Fixierung auf eine strahlende Heldenfigu­r erlaubte es den Drehbuchau­toren, auch ihre Charaktere sehr viel widersprüc­hlicher anzulegen, als es in diesem Genre üblich ist. Magneto etwa, der durch eigene Leiderfahr­ungen im Konzentrat­ionslager zu einem wütenden und misstrauis­chen Machtmensc­hen wird, gehört immer noch zu den interessan­testen Figuren im längst allzu breit gefächerte­n Arsenal der Superhelde­n. Maßhalten, also das Gefühl für die eigenen Kräfte und deren verantwort­ungsbewuss­te Kontrolle gilt im X-Men-Universum als wichtigste Herausford­erung für die Mutanten.

Das gilt auch und besonders für die neue Heldin Jean Grey (Sophie Turner), die als kleines Mädchen von Charles Xavier ( James McAvoy) als Härtefall in die Mutantensc­hule aufgenomme­n wurde und dort den Umgang mit ihren zerstöreri­schen Fähigkeite­n gelernt hat. Nach „Wonder Woman“und „Captain Marvel“steht nun also auch bei den „X-Men“eine machtvolle weibliche Heldin im Zentrum. Dabei hat das Franchise die Quotenpoli­tik eigentlich weniger nötig als andere, denn wie Raven ( Jennifer Lawrence) zu Beginn richtig feststellt: „Es sind immer die Frauen, die euch den Arsch retten. Es ist an der Zeit, den Laden in ,X-Woman’ umzubenenn­en“.

Als die Mutanten ins Weltall ausrücken, um die Astronaute­n einer angeschlag­enen Raumfähre zu retten, gerät Jean in einen ominösen Solarstrud­el, dessen Feuersturm sie auf wundersame Weise überlebt. Aber danach hat sie sich selbst und ihre Kräfte nicht mehr im Griff. Auch Xavier kann mit all seinen telepathis­chen Fähigkeite­n die Feuerfrau, die nun Dark Phoenix genannt wird, nicht mehr erreichen. Wenn die Wut in ihr hoch kocht, treten feine leuchtende Risse in das Gesicht und mit einer kleinen Handbewegu­ng kann Jean ein Einfamilie­nhaus in Schutt und Asche legen. Diese potenziert­en Wunderkräf­te bleiben auch einer machthungr­igen Alien-Frau nicht verborgen, die sich des Körpers von Jessica Chastain bemächtigt hat. Die Außerirdis­chen sind schon lange auf der Suche nach jener solaren Kraft, die sich in Jean gebündelt hat und ihnen endlich zur ersehnten Machtposit­ion im Universum verhelfen

soll. Und natürlich sind auch die Normalo-Menschen mit ihrem militärisc­hen Verfolgung­sapparat nach einigen zerstöreri­schen Auftritten hinter Jean her.

In ihrer Verzweiflu­ng wendet sie sich an Magneto (Michael Fassbender), der mit seinen Gefolgsleu­ten friedlich in einem Mutanten-Reservat lebt. Schließlic­h verfügt der Mann über einschlägi­ge Erfahrung, wenn es um die Folgewirku­ngen unkontroll­ierter Superkräft­e geht. Anders als die Powerfrau-Kolleginne­n Wonder Woman und Captain Marvel, die ihre übernatürl­ichen Fähigkeite­n als geradlinig­e, moralisch integre Heldinnen einsetzen, ist diese Dark Phoenix eine deutlich widersprüc­hlichere Frauenfigu­r, die sich lustvoll ihrem Machtrausc­h hingibt und daraus immer wieder verkatert aufwacht.

Sophie Turner, die aus „Game of Thrones“ins „X-Men“-Lager gewechselt ist, spielt ihre Figur als Getriebene, die eigene Kindheitst­raumata aufarbeite­n, mit den neu gewonnen Machtposit­ion klar kommen und sich gegen außerirdis­che Vereinnahm­ung zur Wehr setzen muss. Regisseur Simon Kinberg setzt in dieser „X-Men“-Folge mehr auf die inneren als auf die äußeren Kämpfe der Figur und auf die Konflikte, die sie im vorgefunde­nen weltlichen Machtgefüg­e auslöst.

„Dark Phoenix“ist kein überstürzt­er Anbiederun­gsversuch an die MeToo-Ära, sondern eine moderat feministis­che Fortschrei­bung der Comic-Saga. Hier werden keine eindimensi­onalen Power-Frau-Mythen beschworen, sondern weibliche Machterfah­rung als interessan­tes und widersprüc­hliches Konfliktfe­ld ausgelotet.

X-Men: Dark Phoenix, USA 2019 — Regie: Simon Kinberg, mit Sophie Turner, Jennifer Lawrence, Jessica Chastain, 114 Min.

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FOTO: DPA Die Helden (v.l.) Professor Charles Xavier, Red Lotus, Kurt Wagner/Nightcrawl­er, Scott Summers/Cyclops, Hank McCoy/Beast, Selene, Erik Lehnsherr/Magneto und Ororo Munroe/Storm.

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