Rheinische Post - Xanten and Moers

Ein Film voller Wörter

In „Zwischen den Zeilen“mit Juliette Binoche wird allzu viel geredet.

- VON MATTHIAS VON VIERECK

(dpa) Was passiert mit dem geschriebe­nen Wort in Zeiten der Digitalisi­erung, in Zeiten von Twitter und Blogs? Haben gedruckte Bücher da überhaupt noch eine Zukunft? Fragen wie diesen spürt Olivier Assayas in seinem neuen, mit vielen komödianti­schen Tönen angereiche­rten Film nach.

Diesmal hat er sich mit Darsteller­n wie Juliette Binoche zusammenge­tan und nimmt uns mit ins französisc­he Intellektu­ellenmilie­u. Es sind nicht nur Fragen rund ums Verlagswes­en, die Assayas hier umtreiben. Es geht auch um Zwischenme­nschliches. „Ich dachte, niemand liest mehr Bücher.“Mit dieser, fast zu einer Art Leitmotiv werdenden Feststellu­ng, beginnt ein Film, der sich voll und ganz einem Milieu verschrieb­en hat: das des Pariser Literaturb­etriebs. Eine Diskussion folgt hier auf die andere. Mittendrin: der als Schriftste­ller nur mäßig erfolgreic­he, aber recht bekannte Léonard (Vincent Macaigne). Freimütig bekennt Léonard, dass er ohne die Unterstütz­ung seiner Frau (die für einen Politiker arbeitet) auf Sozialhilf­e angewiesen wäre.

Zum Essen lässt er sich dann auch gern von seinem Verleger, dem so aparten wie undurchsic­htigen Alain, einladen. Gekonnt umschiffen beide dabei die eigentlich­e Frage: Wird Alain Léonards neuen Roman veröffentl­ichen? Seit 20 Jahren an Alains Seite ist Selena, eine von Binoche mit Mut zur äußerliche­n Wandlung verkörpert­e Schauspiel­erin. Seit Jahren unterhält Selena ausgerechn­et mit Léonard eine Affäre. Aber auch Alain ist kein Kind von Traurigkei­t: Schnell landet er mit der neuen Digitali sie rungsbeauf­t ragten seines Verlags im Bett.

In den ersten zehn Minuten des dialoglast­igen Films fallen mehr Worte als in manch amerikanis­chem Durchschni­tts-Eineinhalb stünd er. Fast atmet man etwas durch, als es nach rund einer Stunde in diesem Film mal nicht um die Zukunft des Schreibens, die Zukunft des Wortes geht, sondern schlicht und banal um: Fußball. Assayas nimmt jetzt außerdem etwas Tempo raus, die Räume öffnen sich, die Bilder beginnen zu atmen, filmischer zu werden. Auch geht es nun endlich mal um die Figuren selbst, ihre Gefühle, ihre Sorgen.

Bei allen unbestreit­baren Stärken des 107-Minüters – darunter, nicht zuletzt, das charmant-unaufdring­liche Spiel von Juliette Binoche – präsentier­t sich „Zwischen den Zeilen“alles in allem doch als etwas zu unentschlo­ssene Mélange aus verfilmtem Feuilleton und einer nicht gänzlich ernst zu nehmenden Beziehungs­komödie.

Die Fragen gleichwohl, die dieser Film verhandelt, sind von großer Relevanz. Nicht nur für das geschriebe­ne Wort und die Literatur. Auch die Kunstform Kino ist ja in vielerlei Hinsicht von der Digitalisi­erung betroffen und muss sehen, wo sie bleibt in Zeiten von Streaming-Diensten.

Zwischen den Zeilen, Frankreich 2018 – Regie: Olivier Assayas, mit Guillaume Canet, Juliette Binoche, Vincent Macaigne, Christa Théret, 107 Min.

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„Zwischen den Zeilen“.
FOTO: DPA Juliette Binoche als Selena in „Zwischen den Zeilen“.

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