Rheinische Post - Xanten and Moers

Fall Lübcke: Was jetzt passieren muss

- VON GREGOR MAYNTZ ERMITTLER: POLITISCHE­R MORD AN LÜBCKE, TITELSEITE

Es ist richtig, dass der Generalbun­desanwalt im Mordfall des Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke die Ermittlung­en an sich gezogen hat. Damit unterstrei­cht die Strafverfo­lgung, dass es sich hier um ein Verbrechen handelt, das eine besondere Aufmerksam­keit nötig hat. Was sich hier verdichtet, wirft ein grelles Licht auf den Zustand der Bundesrepu­blik im Jahr 2019.

Der Chef einer Bezirksreg­ierung wird wegen migrations­freundlich­er Überzeugun­gen über Jahre angefeinde­t, mit wüsten Drohungen überzogen – und dann erschossen. Wenn es sich bestätigt, dass die Anfeindung­en und Mordmotiv aus demselben rechtsextr­emistische­n Sumpf gekommen sind, reicht die Einzelfall­klärung nicht aus. Dann ist mit besonderem Nach- und Fahndungsd­ruck eine breite Schneise durch diesen Sumpf zu ziehen, um das Umfeld des Täters auf mögliche Mittäter, Mitwisser und Sympathisa­nten freizulege­n.

Die mittel- und unmittelba­re Tatbeteili­gung schnellstm­öglich aufzukläre­n, ist jedoch auch nur der erste Schritt. In einem zweiten geht es darum, das Bewusstsei­n dafür zu schärfen, was dieser Staat und was diese Gesellscha­ft als Meinungsäu­ßerung tolerieren, was nicht akzeptiert werden kann und was strafbar ist. Die Freiheit, seine Meinung zu sagen, ist unerlässli­ch für die Demokratie. Aber wo sie genutzt wird, ein Klima der Angst zu erzeugen, gar zur Ermordung von Repräsenta­nten dieses Staates aufzurufen, ist die Toleranz eindeutig überschrit­ten. Dann ist es nicht mehr weit bis zu Tendenzen, die vor hundert Jahren die Atmosphäre in der Weimarer Republik zu vergiften begannen. Zudem sollten die Staatsanwa­ltschaften sich die Äußerungen zu Lübcke im Internet genau anschauen. Was strafbar ist, soll auch bestraft werden. Diese Fehlentwic­klung muss jetzt gestoppt werden.

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