Rheinische Post - Xanten and Moers
Messehalle statt Campus für Klausuren
Bei 1,5 Metern Sicherheitsabstand sind selbst die größten Hörsäle zu klein: Mehrere Universitäten weichen deshalb für Prüfungen auf andere Orte aus. Die ersten Studenten haben am Dienstag ihre Klausuren in Messehallen geschrieben.
Am Osteingang der Kölner Messehallen sind seit Dienstagmorgen alle Sitzbänke belegt – nicht mit Geschäftsleuten, sondern mit Studenten. Kurz vor den Prüfungen blättern dort viele noch einmal in ihren Unterlagen, ehe es in einer der großen Hallen ernst wird. Diese Woche stehen in der Congresshalle 36 Prüfungen mit bis zu 500 Studenten gleichzeitig an; insgesamt werden laut Uni Köln 6000 Prüflinge erwartet.
Der Umzug vom Campus aufs Messegelände ist keinesfalls gewöhnlich: Die strengen Corona-Auflagen hatten die Verwaltung gezwungen, nach alternativen Prüfungsorten zu suchen, in denen der Sicherheitsabstand von 1,5 Metern zwischen den Studenten gewahrt werden kann. Denn selbst die größten Hörsäle sind unter Berücksichtigung der Auflagen zu klein, wenn mehr als 100 Studenten gleichzeitig geprüft werden sollen.
In der Congresshalle sind Tische und Stühle akkurat aufgereiht, alle paar Stunden kommt eine neue Studentengruppe zur Prüfung. Viele holen Klausuren nach, die im Wintersemester wegen Corona abgesagt wurden. Zu den größten Prüfungen zählen solche in den Fächern Wirtschaftsinformatik und Mathematik.
Mit dem Start der ersten Klausuren nehmen Universitäten wie die in Köln ihren Prüfungsbetrieb „in Präsenz“wieder auf. „Nicht alle Prüfungen können digital stattfinden“, sagt Prorektorin Beatrix Busse. Hinter Acrylglas werden die Prüflinge in der Messehalle registriert, dann nehmen sie mit Mundschutz Platz. Nach Abgabe werden Tische und Stühle desinfiziert.
In Dortmund fällt der Startschuss für Prüfungen in den Westfalenhallen am 26. Juni. Bis zu 7500 Studenten sollen dort an sechs Tagen Klausuren schreiben. Der logistische Aufwand ist immens – das Mobiliar wird in Dortmund wie in Köln jedoch von den Messegesellschaften gestellt. Die Kosten für die Universitäten liegen im fünfstelligen Bereich, in Köln laut Prorektorin Busse konkret bei 50.000 Euro.
Die Universität Duisburg-Essen greift in diesem Semester ebenfalls für den Infektionsschutz zu besonderen Maßnahmen. In den nächsten Tagen sollen 300 mündliche und schriftliche Prüfungen nachgeholt werden, dazu kommen Prüfungen aus dem laufenden Sommersemester. Dafür hat die Uni die Grugahalle
in Essen sowie die Trabrennbahn in Dinslaken angemietet, kleinere Prüfungen sollen jedoch in den derzeit leeren Räumen der Uni abgelegt werden. Los ging es auch dort am Dienstag. „Die meisten Studierenden halten sich diszipliniert an alle Regeln“, berichtet Marco Stein, Sachgebietsleiter Prüfungswesen.
Zusätzliche Hallen will die Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf indes nicht anmieten. Normalerweise würden die Klausuren am Semesterende in den ersten zwei Wochen der vorlesungsfreien Zeit stattfinden. „Dieser Zeitraum wird jetzt auf fünf Wochen verlängert“, sagt Rektorin Anja Steinbeck. Auch Dozenten haben durch eine Änderung der Prüfungsordnung die Möglichkeit, die Prüfungsform zu ändern, also statt einer Klausur beispielsweise eine Kurzhausarbeit zu fordern.
Die Universitäten gewähren ihren Studenten pandemiebedingt einen sogenannten Freischuss. Wenn sie die Prüfung versemmeln, haben sie einen zweiten Versuch. Begründet wird dies damit, dass wegen Corona in den vergangenen Wochen Bibliotheken geschlossen waren, Vorlesungen entfallen sind und das Sommersemster bisher nur online stattfinden konnte.
Die Prüfungsfrage stellt Universitäten und Hochschulen vor eine Herausforderung, so auch die RWTH Aachen. Dort sollen 400 Klausuren nachgeholt werden. „Das wird uns bis Ende Juni gelingen“, sagt Prorektor Aloys Krieg. Auch dort könne die Prüfungsform durch die jeweiligen Ausschüsse gewechselt werden. „Wir machen einige Experimente mit Prüfungen zu Hause“, sagt Krieg. Eine Möglichkeit: Studenten bekommen Aufgaben, die sie zu Hause in einer festgelegten Zeit bearbeiten sollen.
Eine andere Möglichkeit: Studenten lassen sich beim Lösen der Aufgaben filmen – vorausgesetzt, sie sind damit einverstanden. „Die ersten Erfahrungen, die wir damit gemacht haben, sind gut“, sagt Aloys Krieg. Zurzeit sei eine Firma damit beauftragt, die Aufnahmen zu beobachten und Auffälligkeiten zu melden. „Wenn gemogelt wird, sieht man das.“
Grundsätzlich sollen an der RWTH Aachen alle Prüfungen stattfinden. Sie werden wie üblich gewertet und fließen in gleicher Weise in die Abschlussnote ein. Allerdings gibt es auch dort eine Freiversuchsregelung: Wenn jemand nicht besteht, wird der Versuch nicht gezählt. „Mündliche Prüfungen werden vorwiegend per Videokonferenzsystem abgenommen, wobei die Studierenden wählen können, ob Sie in einem Raum der RWTH oder zu Hause geprüft werden wollen“, sagt Krieg.